„Consume less, live better“ – Wachstum im Wandel 2018

Umwelt
Alina Hauke / 16.11.2018
Wachstum im Wandel

Warum streben unsere Wirtschaftssysteme nach Wachstum, obwohl wir die Grenzen unseres Planeten längst überschritten haben?

Am 14. und 15. November 2018 fand im Austria Center Vienna die 4. Wachstum im Wandel Konferenz statt, diesmal mit dem Motto: „Europe’s Transformation: Where People Matter“. Die Wachstum im Wandel Initiative (https://wachstumimwandel.at/) wurde 2008 vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (damals noch unter anderem Namen) ins Leben gerufen, mit dem Ziel, „Menschen aus Institutionen, Organisationen und Unternehmen dazu ein[zuladen], sich mit Fragen zu Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität auseinanderzusetzen.“ Partnerorganisation sind sowohl andere Ministerien als auch Interessensvertretungen, Universitäten, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die gemeinsam ein Netzwerk bilden, das Diskurse über zukunftsfähiges Wirtschaften ermöglicht. 

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Warum? So wie wir heute wirtschaften, und so wie unsere Wirtschaftssysteme seit über 100 Jahren funktionieren, können wir nicht weitermachen, ohne unseren Planeten dadurch sukzessive zu zerstören und unsere Lebensgrundlage(n) somit auszulöschen. Drastisch, aber wahr: Wenn wir immer weiter wachsen, ist das nicht nur für unseren Planeten schädlich. Immerwährendes Wachstum resultiert in Gesellschaften, deren Fokus nicht auf sozialem, gesundheitlichem und immateriellem Wohlstand liegt, sondern in solchen, die EinzelkämpferInnen produziert, deren Mitglieder unglücklich, krank und sozial exkludiert sind. Wachstum im Wandel möchte hier ansetzen, um einen geeigneten Weg in eine bessere Zukunft zu finden, den wir als WeltbürgerInnen gemeinsam gehen können.

Das Potential einer solchen Konferenz, etwas zu bewirken, ist also (theoretisch) hoch. Was kann man daher als Inspiration mitnehmen und was könnte man in Zukunft besser machen?

Das war gut

Hervorzuheben ist, dass Wachstum im Wandel mittlerweile sehr viele Menschen aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern zusammenbringt. Durch den Rahmen der Konferenz wird der Austausch unter Teilnehmenden angeregt: Gespräche mit AkteurInnen aus verschiedenen Bereichen können neue Netzwerke schaffen, innovative Ideen entstehen lassen sowie zum Überdenken der eigenen Ansichten anregen. Das diesjährige Motto „Where People Matter“ legte außerdem ein Augenmerk auf die Aktionen jeder und jedes einzelnen, die Zivilgesellschaft und deren Möglichkeiten und Aufgaben. 

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Im Zuge der zahlreichen Vorträge und sogenannten „Parallel Sessions“ (Vorträge, Diskussionen und/oder Workshops zu unterschiedlichen Themen in kleinerem Rahmen, die parallel ablaufen) wurden wichtige Themen angesprochen: allen voran die scharfe Kritik an dem BIP als Indikator für Wohlstand. Das Bruttoinlandsprodukt misst nämlich nicht, inwiefern es den Menschen in einem Land sozial, gesundheitlich oder ökologisch gut geht. Ökologischer Wohlstand bedeutet, dass der Naturraum erhalten bleibt und die vorhandenen Ressourcen nicht extensiv genutzt werden, sowie ein Bewusstsein und Respekt für den Planeten im Denken der Menschen inhärent sind. Eine weitere Schwachstelle des BIP ist die teils absurde Kalkulation ökonomischer Leistungen: Muss ein Land beispielsweise nach einer ökologischen Krise Maßnahmen einleiten, um die Folgen der Krise einzudämmen bzw. das Verursachte wieder „aufzuräumen“, werden auch diese Leistungen dem BIP als positive wirtschaftliche Leistung angerechnet. Ein weiteres wichtiges Thema war der Arbeitsmarkt: Durch verminderte Arbeitszeit werden viele Kosten vermieden (z.B. für Therapien, Medikamente, Freizeitaktivitäten), es entstehen innovativere Ideen und wir Menschen arbeiten effizienter und motivierter. 

Des Weiteren wurden viele Anreize geschaffen, was und wie verändert werden muss: Unsere Wirtschaftssysteme müssen neu gestaltet und strukturiert werden. Momentan sind sie finanziell, ökonomisch, politisch und sozial auf Wachstum ausgerichtet. Um ein Umdenken zu ermöglichen, müssen folglich auch die Strukturen unserer Systeme überdacht werden. Außerdem müssen Brücken gebaut werden: einerseits zwischen Idealvorstellungen und der realen Welt, andererseits zwischen AkteurInnen aus verschiedenen Bereichen und auf unterschiedlichen Maßstabsebenen. Letzteres erfordert Kommunikation und Kooperation: auf globaler, nationaler und regionaler Ebene. In diesem Sinne muss sich leadership (der englische Begriff ist hier treffender) durch Leidenschaft und Fürsorge auszeichnen und sich global vernetzen. Gegnerische Meinungen müssen angehört werden, um Ängste zu identifizieren, und diese somit bedenken zu können. Insgesamt soll nachhaltiger Wohlstand erreicht werden, welcher nicht auf materiellen Besitztümern und ökonomischen Leistungen beruht.

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Wachstum im Wandel hat demnach eine breite Palette von Themen angesprochen. Dennoch kann in Zukunft einiges verbessert werden:

Dampfplauderei

Leider wurden die meisten der Themen nur sehr oberflächlich behandelt; man sollte jedoch tiefer gehen und konkrete Maßnahmen sowie Strategien vorstellen. Häufig wurden globale Möglichkeiten und Ideale angesprochen, ohne jegliche Nennung von Ideen oder Strategien, die Anreize schaffen könnten, etwas zu verändern. Das Publikum der Konferenz ist gut informiert, hat viele Ideen und ist tendenziell bereit, Neues zu lernen. Warum wird es dann nicht gefordert? Warum gehen die Teilnehmenden nicht mit größerer Motivation nachhause, tatsächlich aktiv zu werden, persönlich etwas zu verändern? Ironisch, denn was ist dann das Ziel der Konferenz? Plaudern und Kekse essen?

Das Essen

Bei der letzten Wachstum im Wandel Konferenz im Jahr 2016 überzeugte man durch hauptsächlich vegetarisches und veganes Essen, im Sinne der Nachhaltigkeit eine notwendige, wenn nicht gar logische Maßnahme. Heuer jedoch: von vier Hauptgerichten war eines vegetarisch. VeganerInnen mussten sich mit der Salatbar und geschmacklosen Beilagen begnügen. Wie kann es sein, dass bei einer Konferenz, die sich mit alternativen Modellen zu unserer Wachstumsgesellschaft und mit den Folgen letzterer für unsere Umwelt auseinandersetzt, hauptsächlich Fleisch serviert wird? Mittlerweile sollte doch klar sein, dass die Fleischproduktion ein ökologisches Desaster ist. Weiters ist anzunehmen, dass in dem Publikum der Konferenz eine verhältnismäßig große Anzahl von Personen tatsächlich kein Fleisch isst. Schließlich stellt sich noch die Frage, was mit dem Essen geschieht, das übrig bleibt, da weitaus mehr Personen registriert als anwesend waren. 

Wo sind die Jungen?

Schließlich sei noch zu erwähnen, dass trotz der ständigen Betonung der Partizipation junger Menschen und der Gespräche über Möglichkeiten ihrer Inklusion in den Dialog, tatsächlich (bis auf eine Ausnahme) keine jungen Gesichter auf der Bühne vertreten waren. Hier stellt sich ohne Zweifel die Frage: Warum nicht? Junge Menschen sind interessiert, gut informiert und motiviert, zur Diskussion beizutragen. Warum werden sie also nicht eingebunden? Es wäre essentiell, dass Menschen, die schon lange in einem Bereich arbeiten und/oder forschen in den Dialog mit jenen treten, die einen vermutlich ganz anderen Blick auf die Welt haben. Nur so kann ein angeregter Diskurs entstehen. Um innovative Zukunftsvisionen zu schaffen, sowie konkrete Aktionen und Maßnahmen entwickeln zu können, ist es demnach essentiell, junge Menschen an Bord zu holen.

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