Das waren die ERDgespräche 2016

Umwelt
Alina Hauke / 10.05.2016
Helga Kromp-Kolb, Adam Pawloff, Céline Cousteau, Alan Rusbridger, Angie Rattay, John Thackara und Peter Iwaniewicz beim VIP-Empfang

Wien, 3. Mai 2016. Vergangenen Dienstag fanden in der Halle E im Museumsquartier die mittlerweile 9. ERDgespräche statt - über 800 interessierte Personen fanden sich ein. Die Diskussionsveranstaltung, die seit 2008 von dem gemeinnützigen Verein Neongreen Network organisiert wird und von Jahr zu Jahr immer mehr Anklang findet, dient im Wesentlichen der Vernetzung interessierter und engagierter Menschen, denen unsere Umwelt am Herzen liegt. Dazu gibt es jährlich einige Vortragende aus verschiedensten Teilen der Welt und aus unterschiedlichen Bereichen, die allesamt Einblicke in ihre Arbeit geben und somit die BesucherInnen inspirieren und zum Nachdenken anregen möchten. So sollen der Dialog mit anderen Interessierten und die Motivation gefördert werden.

Dieses Jahr fanden die ERDgespräche in Gedenken an Freda Meissner-Blau statt, die im Dezember 2015 im Alter von 88 Jahren verstarb. Meissner-Blau war eine bedeutende Umweltaktivistin - die Proteste gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf und das Donaukraftwerk Hainburg in den 1980ern machten sie zur Leitfigur der österreichischen Umweltbewegung - und trug maßgeblich zum Einzug der Grünen in den Nationalrat 1986 bei. Im selben Jahr trat sie sogar als Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin gegen Kurt Waldheim an. Freda Meissner-Blau setzte sich auch schon seit den 50er-Jahren für die Rechte der Frau ein. An der Gründung der ERDgespräche vor 9 Jahren war sie ebenfalls maßgeblich beteiligt. In Memoriam an die sogenannte „Jeanne d’Arc der Grünen“ wurden während der Veranstaltung immer wieder Videoaufnahmen aus verschiedenen Lebensabschnitten der „Grande Dame“ gezeigt.

Ich war bereits um 13 Uhr vor Ort, um als Freiwillige mitzuhelfen. Nachdem André, der einer der Hauptorganisatoren des Events ist, uns alles gezeigt und erklärt hatte, ging es nach einer kurzen Einweisung von Saša und Britta, die die „Chefs des Caterings“ waren, auch gleich los: und zwar ans Tischtücher auflegen, Tische anordnen und dekorieren,  und ans Kühltruhen-befüllen. Es war unglaublich: als ich am frühen Nachmittag die Halle betrat, fand ich mich gewissenmaßen in einer Baustelle wieder. Doch mithilfe von zahlreichen Menschen, die um mich herum werkelten, wirkte der Raum binnen drei Stunden wie verwandelt - wir waren quasi „ready to go“.

Um 16:30 trafen dann allmählich die VIP-Gäste ein, wobei VIP hier für „Very Interrested Person“ steht. Mit dabei in dieser Runde – an die 150 Personen – waren auch die Vortragenden des Abends: John Thackara, Céline Cousteau und Alan Rusbridger.

Für die VIPs war eine der Bars geöffnet und es gab bereits ein paar Snacks der vier Caterer WrapStars, Rita bringt’s, Herzlichst, Anna’s und Gaumen Freundinnen (alles bis auf die Wraps war bio). Meine Aufgabe war das Servieren von Sekt, welchen ich schön säuberlich auf einem Tablett umhertrug. Die BesucherInnen nahmen diesen auch großteils voll Freude entgegen und unterhielten sich angeregt in kleinen Grüppchen. Nach einem kleinen Unglück (es gab Scherben), konnte nicht mehr viel schief gehen.

Um 17:30 war es dann soweit: der offizielle Teil mit allen BesucherInnen begann (die Halle war voll) - Manuela Raidl von Puls4 moderierte. Helga Kromp-Kolb eröffnete die Veranstaltung mit motivierenden Worten: sie berichtete von wichtigen Errungenschaften im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes im letzten Jahr, unter anderem natürlich von den Ergebnissen der UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015 (nachzulesen hier) sowie von den Sustainable Development Goals, die im September 2015 verabschiedet wurden. Auch sehe sie eine globale Veränderung (nicht aber in Österreich!) im Umgang mit Umweltthematiken - so hätte die europäische Atomenergielobby etwa zugegeben, welche Gefahren diese Art der Energiegewinnung birgt. Dies sei vor 20 Jahren nie auch nur vorstellbar gewesen. Den politischen „Zerfall“ in Österreich sieht Kromp-Kolb als Chance - so ermögliche dieser allen, sich aktiv zu engagieren und sei eine Aufforderung, unsere Stimmen zu erheben. Wir sollen „laut, lästig und aktiv werden“. Nach den Eröffnungsreden von Angie Rattay und Adam Pawloff, die die ERDgespräche organisieren, kam es dann auch schon zu den Haupt-SprecherInnen des Abends.

Den Anfang machte John Thackara, ein britischer Autor und Designkritiker, der seit 30 Jahren Geschichten von kleinen Initiativen aus aller Welt in Büchern und seinem Blog Doors of Perception zusammenträgt. Er betonte die Wichtigkeit sogenannter Graswurzelinitiativen, also „politische oder gesellschaftliche Initiative[n] (…), die aus der Basis der Bevölkerung entsteh[en]“[1], welche aus seiner Sicht maßgeblich zu einer Transformation unserer Denkweisen beitragen. Thackaras Bestreben ist, innovative Initiativen mit hochwertigem Design zu verbinden, um so den „Wandel“ massentauglich zu machen. Denn: rund 80% der umweltrelevanten Auswirkungen werden beim Designprozess festgelegt!

In seinem Vortrag stellte John Thackara einige dieser Initiativen vor; es gäbe beispielsweise zahlreiche Bäckereien, die nun wieder mit hochwertigen Zutaten nach traditionellen Rezepten backen - ganz entgegen der Massenproduktion im Zeitalter des Kapitalismus also. „Zurück zum Ursprung“-Initiativen könnte man sie auch nennen.

Ihm folgte Céline Cousteau, eine französisch-amerikanische Dokumentarfilmemacherin, die sich als Enkelin des Meeresforschers Jacques Cousteau und Tochter des Filmproduzenten Jean-Michel Cousteau aktiv für den Schutz der Ozeane einsetzt. Ihre gemeinnützige Organisation CauseCentric „produziert Kurzfilme und Multimedia-Content für und mit Umwelt- und Sozialprojekten, die selbst keine Mittel dafür haben“[2]. In ihrem Vortrag sprach sie vor allem über Perspektive: dass man sich selbst also oft in Relation setzen sollte, um nicht zu vergessen, wie klein wir Menschen doch eigentlich sind. Auch sei alles verbunden, denn selbst Österreich als sogenanntes Binnenland, habe doch Flüsse, die ins Meer fließen. Auch konsumieren wir Dank der Globalisierung Produkte aus aller Welt - ob das immer nur gut ist, lässt sich natürlich in Frage stellen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ihres Vortrags war, dass man immer weiter vorwärts gehen solle, sei es ein noch so kleiner Schritt. Manchmal, so Cousteau, sei es aber auch gut, einen Schritt zurückzutreten, sich zu besinnen, um dann weiter nach vorne gehen zu können.

Céline Cousteau zeigte außerdem zwei Trailer zu Filmen, die sie in den letzten Jahren gedreht hat. Der eine, „Tribes on the Edge“, dokumentiert den Überlebenskampf indigener Völker im Vale do Javari, einer Region im Amazonasgebiet Brasiliens. „ODYSSEA 3D“ drehte sie in den letzten drei Jahren gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem Bruder und wird am Cannes Film Festival 2016 zu sehen sein. Hauptsächlich zeigte der Trailer unglaubliche Unterwasseraufnahmen von höchster Qualität - man fühlte sich, als wäre man hautnah beim Tauchgang dabei gewesen. Beide Clips hinterließen großen Eindruck bei mir.

Den Abschluss machte Alan Rusbridger, der über 20 Jahre Chefredakteur und Herausgeber der britischen Tageszeitung The Guardian war. In seiner Präsentation „Climate Change - Has Journalism Failed?“ berichtete er über die Schwierigkeit, den Umwelt- und Klimaschutz zu News zu machen - das Thema widerspreche klassischen Prinzipien des Journalismus. Man könne mit einem so langfristigen und nicht tagesaktuellen Gebiet schließlich sehr schwer Schlagzeilen machen. Um sich genau mit diesem Problem auseinanderzusetzen, startete Rusbridger wenige Monate vor seinem Rücktritt (er ist nun in Pension) die Kampagne „The Biggest Story in the World“ (#keepitintheground), mit der The Guardian versuchte, den Klimawandel, allen voran die negativen Auswirkungen der Nutzung fossiler Brennstoffe auf unser Klima, medial gegen jede Prinzipien des Journalismus zu News zu machen. Sie arbeiteten hierbei mit Geschichten, einem Blog, mit Merchandising, Bildern sowie Videos. Dort wo normalerweise Werbung Platz gehabt hätte, wurden Arbeiten von KünstlerInnen, die sich mit dem Klimawandel auseinandersetzen, gezeigt. Ein weiterer großer Bestandteil dieser Initiative war das sogenannte Divestment. Dies beschreibt die Umleitung der Investitionsflüsse, die momentan fossile Brennstoffe begünstigen. Divestment soll bewirken, dass vorrangig in erneuerbare Energien investiert wird und somit einen bedeutenden positiven Einfluss auf unsere Emissionen und somit auf den Klimawandel haben.

Alan Rusbridger betonte, dass es wichtig sei, den Klimawandel auf ein individuelles Level herunter zu brechen, also einen persönlichen Bezug zur Leserin und zum Leser herzustellen. Nur so könne man diese Nachrichten erfolgreich kommunizieren. Ein Satz der diesen Vortrag prägte: „Never use a polar bear“ (Dieser sei zu lieb und von der Alltäglichkeit zu weit entfernt).

Als die Schlussworte gesprochen waren, wurden wir Volunteers - etwa 30 an der Zahl - auf die Bühne gebeten und bekamen einen kräftigen Applaus vom Publikum – ein schönes Gefühl. Auch Anas und Ahmed, Brüder aus Syrien, halfen am Dienstag mit. Anas ließ sogar seinen Deutschkurs sausen, denn sein Engagement bei den ERDgesprächen erklärte er zum „schönsten Tag in Österreich“ seit seiner Ankunft vor 7 Monaten. Es war schön, ein Teil dieses Tages zu sein.

Nach dem kurzen Auftritt von Thomas Andreas Beck und Band mit dem ERDgespräche Song „Die Erde bebt“, öffnete sich der Vorhang hinter der Bühne, und gab den Blick auf eine geräumige Halle frei, in der wir zuvor schon alles fürs nun beginnende Networking aufgebaut hatten. Gemeinsam mit einigen anderen empfing ich die herbeiströmenden Gäste mit Getränken - den Ingwer-Zitronen-Saft, den ich anzubieten hatte, nahmen erstaunlich viele freudig entgegen (er war auch wirklich sehr gut!). Nachdem sich alle halbwegs verteilt hatten (die Halle war voll) übernahm ich die Rolle der Wein-Nachschenkerin - Fazit: Weißwein wird man schneller los als Rotwein!

Viele nachgefüllte Weingläser später verließ ich das Gebäude schlussendlich um 23:30, überglücklich mit der gesammelten Erfahrung und dem T-Shirt, das nun mir gehört. Zu dem Zeitpunkt waren sogar noch Gäste da, trotz des offiziellen Endes um 23 Uhr. Mein Respekt gilt all jenen, die noch bis ganz zum Schluss da geblieben sind und beim Aufräumen geholfen haben. Wenn man selbst noch nie Teil des Teams einer so großen Veranstaltung war, kann man sich ja gar nicht vorstellen, wieviel Arbeit da eigentlich dahinter steckt!

Schlussfolgerung meines Engagements: nächstes Jahr werde ich wieder helfen!

 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 16.04.2024 bearbeitet.

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