Die vierte Gegenbewegung: die Zukunft des Journalismus

Kultur & Events
Mona Harfmann / 26.06.2018
Mona Harfmann und Florian Klenk

Beim neuesten WU-talk wurde mit namhaften VertreterInnen der österreichischen Journalismusbranche über die Zukunft, Nachhaltigkeit und Macht der Medien diskutiert. Maßnahmen zur Rettung des Qualitätsjournalismus, weshalb es dafür mehr braucht als das bloße Rückgängigmachen eines zehn Jahre alten Fehlers und welche Strategien Florian Klenk dafür notwendig hält und was das mit Sebastian Kurz zu tun hat erfahrt ihr hier.

Mark Zuckerberg hatte es nicht leicht in letzter Zeit. Losgetreten von dem Skandal der Analysefirma Cambridge Analytica, die persönliche Daten für politische Zwecke missbrauchte, geriet der Facebook-CEO mehrfach in Erklärungsnot. Sei es Apple-Chef Tim Cook mit einem Appell an die Öffentlichkeit, das Facebook-Konto zu löschen, ein süffisanter US-Senator oder unzählige, ziemlich böse (okay, vielleicht auch ziemlich witzige) Twitter-Memes – sie alle sind gegen ihn. Aber damit nicht genug - nun scheint sich auch eine ganze Branche gegen ihn zusammengeschlossen zu haben.

Und zwar in Form des Journalismus, der sein Stück vom Kuchen zurückverlangt.

Die Podiumsdiskussion zum Thema Zukunft, Entwicklung und Nachhaltigkeit der Medienbranche findet an einem schwülen Sommerabend statt, aber der moderne Vortragssaal mit Science-Fiction-Flair der WU ist genauso gut klimatisiert wie er gefüllt ist; einzig die Gespräche sind hitzig. Frau Bauer vom Standard, Herr Klenk vom Falter und Herr Reitan von der Furche sorgen für Vertretung vielfältiger journalistischer Positionen, Frau Grisold steuert als VWL-Professorin den nötigen wirtschaftlichen Input bei.

Zahnpasta zurück in die Tube – aber wie?

Wenn es um die Zukunft der Medien geht, kommt man ohne die Erwähnung sozialer Netzwerke nicht aus - und einem Verhältnis, dessen Beziehung man gemäß Online-Status wohl mit „Es ist kompliziert“ bezeichnen würde.

„Der Journalismus hat vor zehn Jahren den Fehler begangen, seine Inhalte in sozialen Netzwerken gratis zur Verfügung zu stellen“, stellt Herr Klenk fest, „und jetzt gilt es, die Zahnpasta zurück in die Tube zu bekommen.“ Wie man die Leserschaft inhaltlich für sich gewinnt, davon wird auch viel gesprochen; beispielsweise, wenn es um wichtige Themen wie Klimawandel oder Flüchtlingsschiffe geht, von denen viele Menschen einfach nichts mehr lesen wollen. Das sei dann die Aufgabe der Journalisten und Journalistinnen, ist der Chefredakteur des Falter überzeugt: Diese Themen in all ihrer Relevanz unter die Leute zu bringen, genauso, wie es dazugehört, zwischen denen „da oben“, also den Politikern und Politikerinnen, und denen „da unten“ zu vermitteln - dem Volk. Nicht umsonst werden Massenmedien auch als 4. Gewalt der Demokratie bezeichnet; dass jedoch die Mehrheit nicht mehr bereit ist, Geld für qualitativ wertvolle, journalistische Arbeit zu zahlen, bedeutet nicht nur ein Problem für die Branche, sondern gleichzeitig eine neue Aufgabe.

„Den Journalismus wieder salonfähig machen“

Als das Publikum an der Reihe ist, bekomme ich schließlich Gelegenheit, den Chefredakteur des Falter persönlich nach seiner Meinung zu fragen. Ob er nicht auch der Meinung sei, dass der Journalismus abseits von Storytelling und Recherche Strategien entwickeln müsse, um Qualität und Wert wieder verkäuflich zu machen?

„Wir müssen uns überlegen, wie wir den Journalismus wieder salonfähig machen können“, ist Klenk überzeugt. „Ich glaube, die Zukunft liegt darin, dass wir uns als Genussmittel erfinden. Wir drucken nicht mehr unsere Gedanken auf Papier und liefern das vor die Haustür, wir machen auch Veranstaltungen, schaffen Zugang dafür. Sebastian Kurz würde sagen, wir sind eine Bewegung.“ Gelächter im Saal, augenzwinkernder Nachsatz Klenks: „Ich würde sagen, wir sind eine Gegenbewegung.“
Herr Reitan bringt den Aspekt des Leistungsschutzes ins Spiel, der kommende Woche innerhalb der EU gegen den Willen des Silicon Valley verhandelt werden soll – „Das ist aber alles sehr kompliziert!“ – und Frau Bauer sieht eine bereits erfolgreich umgesetzte Strategie darin, der Leserschaft interaktiv auf Augenhöhe zu begegnen. „480.000 Leser und Leserinnen zeigen das bereits in unserem Online-Forum. Bloß zu sagen, lest was wir schreiben und wir gehen dann nachhause – so funktioniert das offenbar schon länger nicht mehr“, so Bauer, mit einem bedeutungsvollen Blick zu den Kollegen auf der anderen Seite.

Die Veranstaltung endet mit einem Appell der Standard-Redakteurin an das Publikum, nicht passiv und Teil der Veränderung zu sein. Aber auch ich habe einen Appell an das Podium, das dort stellvertretend für eine ganze Branche sitzt: Die Raffinerie neu zu erfinden, sich das zurückzuholen, was dem Journalismus zusteht – Respekt und Anerkennung für eine aufwendige und auf jeden Fall preiswerte Arbeit. Es nicht bloß dabei zu belassen, einen anklagenden Finger auf das Silicon Valley zu richten und Strategien zu entwickeln, die (Print-)-Medien als ein Objekt unter vielen auf einem Markt begreifen, bei dem der Konsument oder die Konsumentin vermutlich jedes Mal aufs Neue überzeugt werden muss – denn dass die Diskussion in einer Wirtschaftsuniversität stattfand, das spricht vermutlich für sich.  

 

 

 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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