Mein täglicher Überlebenskampf in Österreich

Leben
Maren Michl / 08.02.2018
Wiener Schnitzel angerichtet auf einem Teller mit Österreich-Fahne

Etwas zittrig liegen meine Finger auf den Laptoptasten. Es kostet Überwindung, aber was tut man nicht alles für eine Story. Ich werde mich jetzt outen. Auf dem Österreichischen Jugendportal, für alle lesbar. Einmal tief durchatmen – huh – ok, jetzt steht es da: Ich bin keine Österreicherin – ich wurde in Deutschland geboren.

Wer von euch noch mitliest (und ich hoffe stark für euch, dass das alle sind, die Deutschen-Community in Österreich ist nicht zu unterschätzen!) wird bemerken, dass dieser Artikel sehr sarkastisch aufgebaut ist. Ich lebe seit 15 Jahren hier und werde jetzt einfach mal behaupten, dass ich gut integriert bin. Viele meiner Hawara (heißt doch Freunde, oder? Ich lerne noch) würden das jetzt verneinen und lachend über den Boden rollen. Denn aufgrund meines German Background ereigneten sich in diesen 15 Jahren viele lustige Zwischenfälle, die ich euch nicht vorenthalten möchte:

Als Erstes die Sprachbarriere. Man möchte es nicht für möglich halten, aber hin und wieder kommt es zu Kommunikationsschwierigkeiten, vor allem beim Essen. Einer meiner frühesten Fehler: Wiener bestellen. Ich bekam ein Schnitzel. Was ich wollte, waren Frankfurter. In Deutschland heißen die Wiener. Oder Pfannkuchen. Durch ein „Wos wuist?“ wurde ich daran erinnert, Palatschinken zu sagen. Noch schlimmer war meine Entdeckung von „Kürbisrahmsuppe“. Ich lebte jahrelang in dem Glauben, dass Rahm Käse ist. Entsetzt fragte ich eine Freundin, warum um Himmels Willen man sowas essen sollte. Sahne. Rahm ist Sahne. Und Obers und Schlag auch. Warum man so viele verschiedene Wörter braucht, ist mir immer noch schleierhaft. Seitdem fühle ich mich nicht mehr persönlich angegriffen, wenn jemand fragt: „Wüllst an Schlog?“. Brötchen ist auch falsch. Der/die ÖsterreicherIn verniedlicht sein/ihr Essen nicht und sagt Brot oder Semmel. Sehr vernünftig, so wird keine emotionale Bindung aufgebaut, und der Trennungsschmerz ist nicht so groß. Paradeiser, Zwetschkn, Erdöpfeln, Gugaruz und Karfiol verwechsle ich regelmäßig. In spießigstem Hochdeutsch sind das übrigens Tomaten, Pflaumen, Kartoffeln, Mais und Blumenkohl. Glaube ich. Mit der Übersetzung von Schupf-, Kaas-, Rohr- oder Dampfnudeln fange ich gar nicht erst an. Auch bei den Getränken kommt es zu Problemen. Wer eine Apfelschorle will, bekommt einen verständnislosen Blick zugeworfen und wird im besten Fall mitleidig darauf hingewiesen, einen „gspritzten Apflsoft“ zu bestellen. Schlimmer ist es da schon, wenn man eine „Brettljause“ will und stattdessen „Brotzeit“ sagt. Der Österreicher findet das nicht lustig.

Beim Essen bleibt es nicht. In Alltagssituationen ist man dem Kooperationswillen der Einheimischen hilflos ausgeliefert. Es fing mit der harmlosen Frage an: „Ist die Schranke noch lange geschlossen?“. Daraus entstand eine 30-minütige Diskussion, ob es nun der Schranken oder die Schranke heißt. Die Schranke hatte sich in der Zwischenzeit geöffnet und wieder geschlossen. Ein weiteres Beispiel sind kleine, blutsaugende, sirrende Flugobjekte. Zu Deutsch: Schnaken oder, sehr vornehm, Stechmücken. Auf Österreichisch: Gelsn oder Mistviha. Kommt sehr gut an, wenn man beginnt, in der Luft rumzuklatschen, weil man eine Schnake gesehen hat. Während alle anderen eine Schnake für ein gefährliches Gespenst halten, das nur Deutsche sehen können. Den Tiefpunkt erreichte meine Sprachkenntnis vorletzten Sommer. Man muss hinzufügen, meine Verwandtschaft lebt in Bayern, und die einzigen Worte, die ich auf Bayrisch kann, sind hoas (heiß) und Scheibtragn (Schubkarre). Ich weiß nicht warum, aber meine Aussprache könnte hochdeutscher nicht sein. Vermutlich bin ich adoptiert. Oder dialektresistent. Eher Zweites. Hoffe ich. Es ereignete sich also, dass ich mit einer dialektkundigen Freundin zu meinen Großeltern fuhr. Bei einer Unterhaltung mit denselben verlege ich mich meist aufs Lippenlesen und Raten, was gemeint sein könnte, zu meiner Entschuldigung: ich sehe sie höchstens viermal im Jahr und habe so nur wenig Gelegenheit zu üben. Nicht so meine Freundin. Mit einem gekonnten Dialekt baute sie sich in die Unterhaltung ein, bei der ich schon längst den Faden verloren hatte. Vermutlich bin ich einfach allergisch gegen Dialekte jeglicher Art.

Abschließend muss ich noch sagen, dass ich es hier mag. Hohe Berge, viele Seen, das Ganze garniert mit dichten Wäldern. Ich kann die österreichische Nationalhymne besser als die Hälfte meiner MitschülerInnen. Aber sobald der Fernseher angeht und Fußball läuft, bin ich einfach Deutsche.

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 23.04.2024 bearbeitet.

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