„No poo“ - Haare waschen mit Roggenmehl?

Umwelt
Berit Neumayr / 11.12.2020
No poo? Die Shampoo-Alternative aus Roggenmehlt

Wie bitte? Haare waschen mit Roggenmehl? Berit Neumayr hat sich die nachhaltige Shampoo-Alternative für euch genauer angeschaut...

Die Hintergründe

Warum überhaupt auf Shampoo verzichten? Natürlich steht ganz vorne der Aspekt der Nachhaltigkeit: konventionelle Shampoos sind in Plastikflaschen verpackt, die (nachdem ihr Aufbewahrungs-Leben vorbei ist) weggeschmissen werden. Außerdem häufen sich in konventionellen Shampoos oft künstliche Inhaltsstoffe wie Silikone, synthetische Tenside oder Parfums. Das ist nicht nur suboptimal für die Umwelt, sondern kann auch die Kopfhaut reizen. Der natürliche PH-Wert der Kopfhaut wird verändert und je öfters man mit Shampoo Haare wäscht, umso schneller fetten sie nach.

Eine Alternative dazu ist „No Poo“. Der Begriff stammt von „no shampoo“ und beschreibt dementsprechend den kompletten Verzicht auf Shampoos. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten: Von „water only“ über Heilerde bis zu Roggenmehl ist alles dabei. Ich möchte mich aber auf die Verwendung von Roggenmehl konzentrieren, weil das die Methode ist, die bei mir persönlich am besten funktioniert.

Allgemein achte ich schon länger auf die Inhaltsstoffe meiner Kosmetikartikel und dementsprechend auch schon einige Naturkosmetikshampoos und -haarseifen verwendet. Letzten Frühling wollte ich mich endlich an Roggenmehl wagen und „Shampoo fasten“. Schon die erste Haarwäsche funktionierte so gut, dass ich absolut begeistert war und seitdem (meistens) nur noch damit meine Haare wasche. Warum meistens? In gewissen Situationen (z.B. Schwimmbad) ist es eher umständlich, zu kompliziert (z.B. Friseurbesuch) oder einfach nicht praktisch (z.B. Backpacken) – aber dann tut es auch ein mildes Naturkosmetikshampoo.

Wie funktioniert es?

In konventionellen Shampoos sind meistens Tenside zu finden. Vereinfacht betrachtet binden sie den Talg und jegliche Verunreinigungen im Haar, damit sie sich dann mit Wasser herauswaschen lassen. Tenside kommen in der Natur in Pflanzen wie indischen Waschnüssen oder Efeu als sogenannte Saponine vor.

In Roggenmehl gibt es jedoch keinen dieser beiden Seifenstoffe, aber es besteht zum Großteil aus Kohlenhydraten, also Stärke. Stärke bindet Fett, weshalb sie auch in vielen Trockenshampoos verwendet wird, aber nur in der Form einer Roggenmehl-Wasser-Mischung ist sie zum Haarewaschen geeignet. Eine Mischung aus reiner Stärke und Wasser hätte keine guten Eigenschaften zum Haarewaschen, weil sich der Teig nicht gut verteilen lassen würde. Auch Weizenmehl wäre nicht geeignet, weil das viele Glutein die Haare eher verkleben als waschen würde.

Roggenmehl enthält weniger Glutein, dafür aber Pentosane (wasserbindende Schleimstoffe), auch dadurch ist Roggenmehl gut zum Haare waschen geeignet!

Die Anwendung

Für meine mittellangen Haare verwende ich meistens circa 3EL weißes Roggenmehl. Ich finde es angenehm, das Mehl zu sieben, weil dadurch später weniger Klümpchen in der Mischung sind. Dann gebe ich ungefähr die doppelte Menge an lauwarmen Wasser dazu (Geschmackssache, wie flüssig oder fest man es gerne hat) und mische es mit dem Schneebesen durch.

Foto: Berit Neumayr

Ich wasche meine Haare immer zuerst mit Wasser aus, weil ich finde, dass sie dadurch noch feiner werden. Die Roggenmehlmischung massiere ich in meine Kopfhaut ein, die restlichen Haare brauchen weniger, weil sich dort nicht so viel Talg befindet. Nach kurzem Einwirken spüle ich es mit lauwarmen Wasser gut aus und verwende noch eine "saure Rinse". Das ist eine Art Spülung aus Apfelessig und Wasser im Verhältnis 1:10, die dazu dient, den ph-Wert der Kopfhaut zu neutralisieren und die Haare weich und glänzend macht. Die saure Rinse kann man entweder als Spülung über die Haare leeren, einwirken lassen und dann mit kaltem Wasser ausspülen oder man füllt es in eine Sprühflasche und gibt es vor dem Trocknen ins handtuchtrockene Haar.

Wenn jemanden der Essiggeruch stört, kann man auch ein paar Tropfen ätherisches Öl dazu geben, beispielsweise Lavendel oder Rosmarin eignen sich durch ihre Eigenschaften sehr gut. Egal ob mit oder ohne ätherische Öle: In den trockenen Haaren bleibt kein Essig-Geruch zurück!

Allgemein ist für diese Methode des Haarewaschens charakteristisch, dass die Haare nach nichts riechen, also nur „nach Haaren“.

Das kann am Anfang etwas ungewöhnlich sein, ist aber ganz natürlich, bei konventionellen Shampoos kommt der Duft ja nur von künstlichen Parfums.

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Meine Erfahrung

Wie schon vorhin erwähnt, hat diese Methode bei mir schon beim ersten Versuch super funktioniert, aber es ist völlig normal, wenn einige Haarwäschen gebraucht werden, bis sich die Kopfhaut daran gewöhnt hat. Deshalb kann gerade jetzt die perfekte Zeit sein, um es auszuprobieren.

Wenn man zuvor lange konventionelle Produkte verwendet hat, kann es sein, dass das Haarewaschen mit Roggenmehl anfangs nicht ganz funktioniert. Das liegt daran, dass sich noch Rückstände von synthetischen Bestandteilen, wie beispielsweise Silikon, in den Haaren befinden können – Silikone haften an den Haaren und bewirken, dass sie „seidig glänzen“. Dadurch bildet sich aber eine Art Schicht um das Haar herum, wodurch es sein kann, dass die Roggenmehl-Mischung nicht „rankommt“ und man eventuell nicht sofort das gewünschte Ergebnis bekommt. Diese Silikonschicht ist aber nicht dauerhaft. Wenn das der Fall ist, kann es beispielsweise helfen, die Haare ein paar Mal mit einer Natronwäsche zu „reinigen“.

Was auch noch erwähnt werden muss: Beim Haarewaschen mit Roggenmehl kann es sein, dass der Duschabfluss ein bisschen mehr „verstopft“. Um dem entgegenzuwirken ist es sinnvoll, die Haare schon vorm Haarewaschen auszukämmen, damit lose Haare schon dabei aufgefangen werden, und nach dem Haarwaschen die restlichen Haare aus dem Abfluss zu entfernen. Es ist nicht das Roggenmehl, das die Rohre verkleben könnte, sondern die Kombination mit den Haaren. Wobei ich persönlich in den letzten 10 Monaten keinen spürbaren Unterschied erkennen konnte.

Ich liebe diese Methode, meine Haare zu waschen: sie ist nachhaltig, preisgünstig und gesund für die Haare. Deshalb kann ich nur allen, die jetzt daran interessiert sind, raten, sich drüber zu trauen und es auszuprobieren, es zahlt sich wirklich aus! Und falls die Haare ein bisschen zur Eingewöhnung brauchen, ist jetzt die perfekte Zeit: man trifft sowieso weniger Leute und draußen setzt man Mützen auf.

In diesem Sinne – frohes Waschen!

Quellen und weiterführende Links

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