Quidditch: Vom Kinderbuch zur Weltmeisterschaft

Kultur & Events
Caroline Kuba / 27.09.2021
Quidditch Danube Cup 2019

Quidditch: Eine Sportart, die vielen Menschen nur im Zusammenhang mit fliegenden Besen und spitzen Hüten ein Begriff ist, die allerdings schon seit Jahren von begeisterten Athlet:innen betrieben wird und eine aktive Community auf der ganzen Welt hat, die sich vor allem durch ihre Inklusivität auszeichnet. Doch der Sport steht vor einem Problem: Quidditch ist offiziell gar kein Sport.

Was ist Quidditch?

„Man ist so ein bisschen wie eine Familie, gerade weil man von außen so angeschaut wird. Häh? Könnt ihr überhaupt fliegen? Ist das ein Schnatz?!“, erzählt Katharina Peintinger, langjähriges Teammitglied der Danube Direwolfs, einem der ältesten und etabliertesten Quidditch-Teams Österreichs.

Tatsächlich muss man während des Trainings, das auf der Wiener Donauinsel stattfindet, nicht lange nach verdutzten Gesichtern suchen, die der Mannschaft aus sicherer Entfernung und mit gehobenen Augenbrauen zusehen.

Die Sportart Quidditch stammt ursprünglich aus der Fantasy-Bestsellerreihe Harry Potter, der britischen Autorin J.K Rowling. Dort beschreibt sie das Leben des gleichnamigen Protagonisten, der an einer Schule für Magier:innen, nebst Zaubertränke brauen und dem alltäglichen Kampf gegen das Böse, auch dem offiziellen Schulsport „Quidditch“ nachgeht. Der in den 1997 erschienen Büchern und auf fliegenden Besen ausgeübte Sport, wurde dann 2005, nach dem großen Erfolg der Roman- und Filmreihe, von den amerikanischen College Studenten Xander Manshel und Alex Benenne ins reale Leben übersetzt und breitete sich nach und nach zuerst in den USA und später im Rest der Welt aus.

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Quidditch ist ein Vollkontaktsport, der in zwei Teams gespielt wird. Das erste österreichische Team, die Vienna Vanguards, zu deutsch „Die Wiener Vorhut“, wurde 2014 gegründet, und zählt zu den erfolgreichsten Teams Österreichs. Die offizielle Homepage der Vanguards beschreibt ihn als Mischung aus Rugby, Hand- und Völkerball, mit großem Fokus auf Strategie und Geschwindigkeit.

Brooms up!

Ein Match startet mit dem Ausruf „Brooms up“. Das Ziel ist es, die Bälle durch eines der Tore des gegnerischen Teams zu befördern, ohne sich abschießen oder tackeln (Zubodenbringen eines Ballträgers) zu lassen. Pro ergattertem Tor gibt es zehn Punkte. Ab Minute 17 wird der Snitch (Schnatz), eine gelb oder gold gekleidete Person mit einer am hinteren Hosenbund angebrachten Tennisball-in-Socke-Konstruktion auf das Spielfeld geschickt, die dann von den sogenannten Seekers (Sucher) gejagt wird. Die Seekers möchten den Tennisball in der Socke ergattern.

Ja. Es sieht so wild aus wie es sich anhört.

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Die Socke. Vienna Vanguards beim European Quidditch Cup 2016 in Italien. Foto: Ajantha Abey

LGBTQ-idditch

Der wohl bedeutendste Aspekt, der Quidditch von beinahe allen anderen Team-Sportarten abhebt, ist die schon seit Gründung fest in das offizielle Regelwerk verankerte Inklusivitätskomponente: „All quidditch athletes have the right to define how they identify and it is this stated gender that is recognized on pitch“. Spieler:innen werden nicht nach ihrem biologischen Geschlecht kategorisiert, sondern nach ihrem Gender, das nicht notwendigerweise binäre Geschlecht, mit dem sie sich identifizieren.

Die Notwendigkeit, sich überhaupt identifizieren zu müssen, entsteht durch die Gender Maximum- (oder Vier–Zwei-)Regel, die besagt, dass sich maximal vier gleichgeschlechtliche Spieler:innen gleichzeitig auf dem Spielfeld aufhalten dürfen, um ein ausgeglichenes Spielverhältnis zu garantieren. (Siehe auch International Quidditch Association, Rulebook).

Josephine Röser, langjähriges Mitglied der Vienna Vanguards, die ihre Masterarbeit über Geschlechtergerechtigkeit im Sport verfasst hat, erklärt, wie wichtig und einzigartig diese Komponente ist. „Zwar gibt es durchaus professionelle Sportarten, die gemischtgeschlechtliche Wettbewerbe abhalten, wie beispielsweise das Mixed-Doppel im Tennis oder der Paar-Eiskunstlauf, allerdings ist auch hier die Voraussetzung für eine Zulassung die Identifikation mit einem von zwei Geschlechtern.“

Doch nicht nur durch diesen Aspekt hebt sich Quidditch stark von anderen Sportarten ab. „Quidditch ist auch offen für jede Art von Körpertyp, eben weil du so viele Positionen hast, findet eigentlich jeder und jede eine Position, wo man mit seinen eigenen Talenten gut reinpasst“, so Josephine. Es wird auf die individuellen Stärken eingegangen, sei es nun Größe, Körperbau, Wendigkeit oder Geschwindigkeit, danach wird Position und Taktik bestimmt.

„Die einzigen echten Vorraussetzungen, neben der Motivation und dem Bewegungsdrang, sind das Laufen und Sehen“, erklärt Josephine, wobei es in Sydney, Australien durch eine Initiative mittlerweile schon ein Wheelchair-Only-Team gibt.

In Österreich gibt es derzeit acht Quidditch-Teams z.B. aus Innsbruck, Salzburg, Wien und auch Krems. Es gibt auch einen österreichischen Dachverband und ein Nationalteam. In Österreich finden über das ganze Jahr hinweg einige Turniere statt, wie zum Beispiel der Danube Cup.

Das nächste große internationale Turnier, das die österreichische Nationalmannschaft ins Auge gefasst hat, ist der offizielle World Cup, der in Virginia, Amerika, stattfinden soll. Aufgrund der COVID-Pandemie wurde der Termin schon mehrmals verschoben. Nächster möglicher Termin: 2023.

All die Bewegung und doch kein „Sport“

Die Sportart soweit zu professionalisieren, dass Quidditch irgendwann einmal bei den Olympischen Spielen vertreten sein könnte, hält Josephine derzeit nicht für möglich. Die Professionalisierung von Sportarten und die damit verbundenen Richtlinien stehen sowohl mit der Gemischtgeschlechtlichkeit als auch mit dem gender-inklusiven Aspekt von Quidditch im Konflikt.

Die österreichischen Vereine stehen aber vor einem noch grundsätzlicherem Problem als Olympia: Trotz eines Nationalteams und den Besuchen von nationalen und internationalen Turnieren, was als Grundvoraussetzung nicht nur für Leistungssport, sondern für Sport generell gilt, wird Quidditch in Österreich nicht als offizielle Sportart angesehen. Notwendig wäre für Josephine Röser beispielsweise die Gründung eines Landesverbandes, was bei zwei Teams, wie es in Wien der Fall ist, allerdings einfach noch keinen Sinn mache. Dadurch bliebe der Großteil der Reise-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten an den Spieler:innen selbst hängen, wie Josephine, die ehemalige Team Managerin des Nationalteams, beschreibt. Die Gründung von mehreren Teams wäre diesbezüglich zwar ein Lösungsansatz, allerdings wird diese Option durch die relative Unbekanntheit des Sports und dem daraus resultierenden Mangel an Mitgliedern zunichte gemacht.

Möchtest du Quidditch einmal ausprobieren? 

Die Sportart Quidditch hat sich binnen kürzester Zeit zu einem weltweiten Phänomen entwickelt, das sich sowohl durch dessen Kuriosität, als auch ihrer erklärten Inklusivität einer immer größer werdenden Anzahl an Spieler:innen und Zuseher:innen erfreut.

Trainings können bei den meisten Teams offen beobachtet werden. Nach Absprache sind auch Probetrainings möglich, um ein Gefühl für die Atmosphäre, die Mitspieler:innen und natürlich die Bälle und Besen (die auch ab und an blaue Flecken hinterlassen) zu bekommen. Hierfür kann man über Social Media, Mail oder via Website in Kontakt treten.

Quidditch wurde auch ins USI-Angebot der Universität Wien aufgenommen.

„Gerade weil wir so eine unglaublich offene Community sind, findet man schnell Anschluss, gerade weil man von außen so ein wenig komisch angeschaut wird, und das schweißt dann auch zusammen“, fügt Katharina Peintinger lachend hinzu.

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 23.04.2024 bearbeitet.

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