Vino und Bass

Kultur & Events
Johanna Daser / 20.02.2020
Mauer mit vielen bunten Plakaten darauf

Draußen ist es still. Die Luft ist kühl, noch feucht vom Regen. Nass-glänzende Pflastersteine führen durch das massive alte Holztor, hinein in den Hof, wo sie die Fläche unterm Himmel und zwischen Mauern bilden. Die Augen geschlossen, vermag man ein leichtes Kribbeln zu verspüren, der Boden beginnt zu vibrieren und der Herzschlag passt sich dem Rhythmus an – oder ist es umgekehrt?

Am 6. März 2020 findet in Gumpoldskirchen zum zehnten Mal das Crossover statt. Location ist die Maut, Teil eines rund 600 Jahre alten Heurigengebäudes. Sie besteht aus einem Innenhof mit rustikalen Sitzgelegenheiten, einem sich dahinter öffnenden, in schummrigem Licht liegenden Raum mit altem Holzboden und Bar, sowie einem angrenzenden ehemaligen Weinkeller. Hier finden Hochzeiten statt und Geburtstagsfeste, Tradition wird gelebt, Stammtischatmosphäre umgibt den Ort. Doch hin und wieder fällt die Facette. Dort, wo früher riesige Weinfässer lagerten, wird die Maut durch Nebel und buntes Licht zu einer anderen Welt, für eine Nacht Zuhause für klingenden, tiefen Bass.

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Drum and Bass ist es, der vierteljährlich hunderte junge Menschen rund um den Speckgürtel von Wien durch das Holztor strömen und feiern lässt. Die Musik verbindet, sie erlaubt es, eins mit ihr zu werden und einzutauchen in rhythmische Klänge und Melodie. Das Crossover fungiert seit 2017 als Portal, dass die urbane Underground-Musikszene aus Häuserschluchten aufs Land bringt. In einen Ort inmitten einer malerischen Rebenlandschaft, der eigentlich bekannt ist für Wein und geschichtsträchtige Gebäude. Die Veranstaltung agiert als ein Zusammenschluss zweier Vereine, den Eulenspiegeln aus Gumpoldskirchen und OMY (Open Minded Youth) aus Biedermannsdorf in Niederösterreich. Es sind engagierte, motivierte junge Menschen zwischen 17 und 24, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Musik, die sie lieben, zugänglich zu machen und gemeinsam zu zelebrieren. Mit allen und für alle, offen und divers. Die Vorbereitung und Durchführung der Events finden in der Freizeit der Vereinsmitglieder statt, das Kommerzielle steht im Hintergrund.

„Wir nehmen finanziell nichts mit für uns. Das macht uns aus, dass am Abend des Crossovers 30 Leute mit unseren T-Shirts rumrennen und versuchen, den Leuten einen geilen Abend zu machen“, so Stefan Haderer, 21, Mitbegründer.

Von den Einnahmen werden DJs gebucht, Kosten für Elektronik und Verpflegung abgedeckt. Laser, Lichtkegel, Nebel und ein selbst getischlertes Bühnenbild mit alten TV-Geräten, die als Projektionsflächen dienen -  die Ausstattung vereint Retroflair mit Futurismus. Technik und Bass im Zusammenspiel mit dem historischen Steingewölbe machen den Charakter des Crossovers, die Magie der Veranstaltung aus.

„Beim Booking der DJs versuchen wir, weitsichtig zu handeln“

Mithalten mit dem Budget der Großen ist als independent Veranstaltung, auch wenn das Event seit seiner Anfangszeit um einiges gewachsen ist, nicht drin. Deshalb wird bei der Buchung der DJs in die Zukunft geblickt, es werden Leute geholt, die das Potential haben, in absehbarer Zeit ihren Durchbruch zu schaffen. Dennoch – die Namen der ein bis zwei Headliner sind Szenenaffinen meist nicht fremd und die Reichweite der auftretenden KünstlerInnen hat sich seit den Anfängen gesteigert.

„Das Crossover ist wie ein Kind, das sich mit uns weiterentwickelt hat und in das viel Herzblut fließt“  

Teil des Konzeptes war es von Anfang an, auch Regionalität nicht zu vernachlässigen, DJs aus der Umgebung zu holen, um die heimische Szene zu befeuern und zu unterstützen. Auch ein DJ-Duo, „Oszilloscope“, aus den Reihen des Crossover selbst bespielt neben Clubs wie dem Flex regelmäßig die Events. Auf internationaler Ebene wurden bisher KünstlerInnen aus der Schweiz, den USA, der Slowakei, aber auch die Briten „Pola & Bryson“, sowie ein französischer Newcomer – „The Caracal Project“ – in das Winzerdorf geholt.  

 „Bei uns werden auch melodische und rhythmische Aspekte großgeschrieben, das hat einfach viel mit der Underground-Kultur zu tun. Es gibt Strömungen, die sich mehr dem Mainstream hin öffnen und andere, die eher noch auf den rohen, Industrial-Sound gehen, Rave- und Underground-Charakter eben“

Die Wurzeln des Crossover liegen in einem Nebengebäude der Maut, einem kleineren Kellerschlauch. Dort wurden vor der Fusion der beiden Vereine die ersten Partys abgehalten, für FreundInnen und Bekannte. Musikalisch waren die Feiern noch diffuser, Drum and Bass war auch damals schon fixer Bestandteil des Sounds, allerdings gepaart mit House und Pop-Musik.

 „Drum and Bass ist einfach besser angekommen, hat die Leute mehr zum Tanzen bewegt.“

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Damals bewegten sich 70 bis 80 Menschen auf der Tanzfläche, heute sind es teilweise um die 500, die sich auf den Events gemeinsam der Musik hingeben. Der Entschluss, die Veranstaltung auszubauen, führte zum Herrichten der heutigen Location, dann zum Gemeinschaftsprojekt der befreundeten Vereine aus Gumpoldskirchen und Biedermannsdorf. Mittlerweile ist das Crossover zu einem professionellen Event herangewachsen und gestaltet eigenen Merch, wird von Radiosendern wie FM4 erwähnt. Auch in der Szene kennt man den Namen. Es bestehen Vernetzungen mit Kollektiven wie dem „Liquid Collective“ rund um den DJ „Mental Decay“ und auch mit Veranstaltern größerer Eventreihen, die unter anderem in der grellen Forelle heimisch sind, findet Austausch statt.

Es ist der Bass, der jetzt durch die verschlossenen Türen nach Draußen dringt und es ist der Wein, dessen Geruch sich hier vor langer Zeit niedergelassen hat. Bass und Vino - wer sucht, findet sie hier.

 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 23.04.2024 bearbeitet.

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