Wenn die Suche nach dem perfekten Aussehen die Menschlichkeit vertreibt.

Leben
Andrea Krapf / 14.01.2020
Eine Frau sitzt besorgt auf einer Bank in einem Raum. Sie lässt den Kopf hängen.

„When did I stop wanting to be kind, talented, funny, loving, a good listener, a best friend, giving, happy… and settled for: I want to be pretty. Beautiful. Good-looking. There’s more to a person than that.” (@sevenandstories, via Instagram Stories)

In dem einen kurzen Augenblick, der eh nicht allzu oft vorhanden ist, findet man das eigene Spiegelbild selbst noch wunderschön, kann es kaum fassen, dass man es einmal geschafft hat, sich halbwegs ansehnlich herzurichten und geht eigentlich guten Mutes in den Tag. Der nächste Blick auf das heißgeliebte Smartphone vertreibt diese Freude jedoch schon fast im selben Augenblick wieder: Das Mobilfunkgerät gilt als der Stimmungskiller schlechthin – Models, welche ja 1000 Mal schöner als man selbst sind, Influencer, welche das perfekte Leben zu haben scheinen. Vor allem junge Menschen lassen sich von der (Schein-)Welt des Internets maßgeblich beeinflussen – und stellen damit statt selbstbewussten Jugendlichen oft nur mehr emotionale Wracks dar, welche mehr auf das Äußere als auf das Innere bedacht sind.

Wenn junge Menschen von den – laut ihnen - zahlreichen Vorteilen des sozialen Netzwerkens schwärmen und von den zahlreichen Kommentaren, erhaltenen Herzchen sowie abertausenden von Followern erzählen, gerät ein Aspekt wesentlich in den Hintergrund: die Menschlichkeit. Denn nur mehr dahinzuvegetieren, immer nur auf der Suche nach dem besten Foto, der besten Pose und der besten Figur zu sein, kann ein Leben nicht lebenswert machen.

Ein perfekter Instagram-Feed ist nicht gleichbedeutend mit einem perfekten Leben

Denn nur weil der präferierte Influencer der Wahl ein makelloses Profil vorweist oder eine perfekte Figur hat, ist damit noch lange nicht gesagt, dass hinter dieser Fassade ein wirklich glücklicher Mensch steht. Im Gegenteil: Oft zerbrechen ebengenannte Personen an den Erwartungen und Forderungen der Gesellschaft, am Perfektionsdruck und an der Konkurrenz. Was dabei oft zurückbleibt? Ein Follower, der sich einfach ein anderes Profil sucht, um den Vergleich zu frönen. Doch warum übt dieser Beruf eigentlich immer noch eine derartige Faszination auf, ja, vor allem, junge Menschen aus?

Die Faszination des Berufes „Influencer“

Weil der Ottonormalverbraucher des 21. Jahrhunderts nach Anerkennung und Akzeptanz strebt: und dabei tritt nun vor allem das äußere Erscheinen in den Vordergrund. Die (möglichst schlanke) Figur, die makellose Haut sowie das perfekt-fallende Haar – all dies sind Werte, die im Jahr 2020 zählen. Werte, die jedoch nicht im Vordergrund stehen sollten. Denn was dabei deutlich auf der Strecke bleibt, sind die wirklich wesentlichen Dinge des Lebens: Glücklich zu sein, hilfsbereit zu sein, Spaß am Leben haben, um nur einige wenige zu nennen.

Schönheit ist nicht mit Menschlichkeit gleichzusetzen

Der springende Punkt dahinter ist nämlich, dass man vom äußeren Erscheinungsbild nicht zwingend auf den Charakter und damit auch die Glücklichkeit eines Menschen Rückschlüsse ziehen kann. Die Rede ist vom sogenannten „Halo-Effekt“ – ein Wahrnehmungsfehler aus der Psychologie, bei dem man einer hübschen Person unterbewusst einen guten Charakter oder ein großartiges Leben zuschreibt. Doch nur weil man attraktiv ist, heißt das noch lange nicht, dass man ein non-plus-ultra Mensch auf allen Ebenen ist.

Wenn Ernährung und Sport die Oberhand übernehmen

Wenn der Schönheitswahn sich jedoch langsam wie ein roter Faden durch alle Lebensgewohnheiten zieht, Hobbys durch wenigeres Essen und zusätzlichen Sport ersetzt werden, und die Heilige Schrift plötzlich nicht mehr die Bibel, sondern das Smartphone und die Ernährungs- sowie Fitnessroutine des präferierten Bloggers darstellen, herrscht Alarmstufe Rot. Und so schnell kann man gar nicht schauen, entsteht aus dem „Ich mach eh nur ein bisschen mehr Sport, ich brauch nicht mehr essen“ eine Essstörung.

Das primäre Ziel dieser jungen Mädchen ist jedoch oft nicht die äußere Attraktivität – diese stellt oft nur ein Mittel zum Zweck dar. Im Grunde genommen erhoffen sich die Jugendlichen durch eine bessere Figur nicht hauptsächlich, Model zu werden, sondern simpel und einfach nur einen gewissen Grad an Akzeptanz in der heutigen Gesellschaft. Und Anerkennung wird im Jahr 2020 nun einmal mit Werten wie einem großartigen Aussehen, einer schlanken Figur oder perfekt-fallendem Haar assoziiert.

Das Internet als Freundschaftskiller

Wenn der Fokus schließlich nur mehr auf das Äußere gelegt wird, werden soziale Kontakte bald zur Rarität werden – denn wahre Freundschaft stützt sich nicht auf Säulen der Attraktivität – und wenn dem so ist, dann sind es keine richtigen FreundInnen. Genauso verhält es sich mit den sogenannten „Internet-Friends“. Wie viele junge Mädchen lechzen nach Kommentaren und Likes auf Instagram, wie viele kommentieren nur unter anderen Bildern, damit sie selbst ein Stück Aufmerksamkeit und Ruhm erhaschen können? Doch einem sollte man sich auch in dieser Hinsicht immer bewusst sein: Virtuelle Follower können, auch wenn sie noch so schöne Worte unter den Posts kommentieren, wahre FreundInnen fast nie ersetzen, und wenn es darauf ankommt, auch nur halb so viel Trost spenden, denn eine Person durchs Internet zu drücken, ist einfach nicht das Gleiche wie eine echte Umarmung.

Und selbst „wenn die Suche nach dem perfektem Aussehen“ die ausgestreckte  Hand der Menschlichkeit einmal mehr wegschlägt: wahre Schönheit kommt sowieso von innen – denn was ist schon herzergreifender als eine, aus voller Inbrunst strahlende Persönlichkeit? Ohne auf das Äußere zu achten, bin ich mir sicher, dass diese Person mehr Schönheit besitzt als nur-mehr-auf-das Äußere-bedachte Menschen.

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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