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Kultur & Events
Victoria Frühwirth / 22.06.2021
Vienna Pride 2021 Biker

Wie jedes Jahr steht der Juni für den Pride Month, an dem die LGBTQ-Gemeinschaft für Akzeptanz und Repräsentation in der Gesellschaft kämpft. Das Highlight: die Pride Parade in Wien am 19. Juni 2021. Ich war für das Österreichische Jugendportal vor Ort und habe mir die Großdemo näher angeschaut.

Die Vienna Pride Parade jährt sich 2021 zum 25. Mal mit dem Motto „Stay safe, stay proud“. Seit einem Vierteljahrhundert schon gehen Schwule, Lesben, Transgender-Personen und Bisexuelle für ihre Rechte auf die Straße. Um 14 Uhr begann am Samstag die Parade um die Ringstraße, um 17 Uhr fand die Abschlusskundgebung statt. Dieses Jahr waren rund 150.000 Menschen in der Wiener Innenstadt unterwegs, trotz Hitze und Corona.

Freudige Stimmung

Die Pride Parade lief bis auf eine einzige Störaktion am Rathausplatz sehr friedlich ab. Ein Großgebot der Polizei und der Rettung vermittelte Sicherheit. Wurde eine Sanitäterin oder ein Sanitäter benötigt, waren Einsatzkräfte schnell am rechten Ort. Bäume spendeten kühlenden Schatten und Wasserstationen am Weg lieferten die Erfrischung zwischendurch. Musik dröhnte durch die Massen, es wurde gesungen, getanzt und gefeiert. Was auffiel: die Masse an Regenbogenflaggen, Regenbogen-Makeup und in die Höhe gehaltener Schilder. Es wurde die legale Blutspende für alle gefordert, die bis heute für homo- oder bisexuelle Männer verboten ist. Weiters sollen Konversionstherapien (also das Therapieren bzw. Umerziehen von Homosexuellen zur Heterosexualität, oftmals durch kirchliche Würdenträger) endgültig abgeschafft werden. Obwohl solche Therapien offiziell in Österreich seit 2019 verboten sind, finden sie auf verdecktem Weg bis heute statt. Die Demonstrierenden zeigten mit der Parade: sie stehen dafür, wer sie sind und lassen sich von niemandem einschränken. Sie sind out, sie sind loud, sie sind proud.

 

Planung und Organisation

Die Planung für die Veranstaltung begann schon früh. Als Youth Reporterin durfte ich backstage OrganisatorInnen der Pride Parade interviewen und Fotos schießen. Die Vienna-Pride-Organisatorin und -Geschäftsführung Katharina Kacerovsky-Strobl engagiert sich seit 15 Jahren für die LGBTQ-Community. Sie erzählte mir am Ende der Veranstaltung: „Im Winter hat die Organisation begonnen, allerdings schleichend. Wir wussten nicht, ob die Pride Parade dieses Jahr ausfallen wird, damals war noch alles unklar. Im April ist schließlich die Entscheidung gefallen: Die Vienna Pride Parade soll stattfinden.“

Dass die Großdemonstration stattfinden konnte, lag nicht nur an den Öffnungsschritten der Bundesregierung. Insgesamt waren 100 MitarbeiterInnen ehrenamtlich engagiert, das Projekt „Vienna Pride“ umzusetzen. Kacerovsky-Strobls Motto: Love always wins.

Foto: Victoria Frühwirth

Foto: Victoria Frühwirth
Katharina Kacerovsky-Strobl auf der Bühne (rotes Kleid)

Ziele wurden erreicht, Kritik gibt es trotzdem

Leben und leben lassen. Das ist der Leitspruch der Pride-Moderatorin Tamara Mascara. Die Drag Queen äußerte sich positiv über den Ausgang der Parade. Die Ziele, gegen Vorurteile anzukämpfen und als queere Gemeinschaft gesehen zu werden, sollen erreicht worden sein. In ihrer Putzfrauenuniform wollte sie symbolisch die Homo- und Transphobie wegputzen. Mascara äußerte im Interview allerdings auch Bedenken. Bei der Parade waren etwa 150.000 TeilnehmerInnen anwesend.

Foto: Victoria Frühwirth
Victoria mit Tamara Mascara

Ihr selbst sei aufgefallen, dass trotz der Empfehlung auf der Website der „Vienna Pride“, eine FFP2-Maske zu tragen, sich die wenigsten Menschen daran gehalten hätten. Als Grund nennt sie die hohen Temperaturen. Nachdem die nächsten Öffnungsschritte bald kommen und die Zahl der Coronaimpfungen steigt, sieht sie diesen Umstand aber nicht zu tragisch. Was sie schade findet: 2021 wurden die beliebten Paradetrucks abgesagt, was auch der Pandemie geschuldet war. 

Reden für mehr Akzeptanz

Bei der Abschlusskundgebung am Rathausplatz traten PolitikerInnen und AktivistInnen auf, es gab eine Schweigeminute für all die Menschen, die durch Homo- und Transphobie oder den HI-Virus ihr Leben verloren haben. Ann-Sophie Otte, Obfrau der HOSI Wien (Homosexuelle Initiative Wien) machte aufmerksam darauf, dass intersexuelle Kinder bei der Geburt so operiert werden, dass sie entweder dem weiblichen oder dem männlichen biologischen Geschlecht zuordenbar sind. Und dass, obwohl Intersexuelle vollständig lebensfähig sind und keinerlei Operationen bedürfen. Otte sprach in ihrer Rede von Genitalverstümmelung an Minderjährigen.

Kacerovsky-Strobl erklärte, wie besonders LGBTQ-Personen während der Pandemie in Haushalten ohne Akzeptanz und Verständnis leiden mussten. Durch das tägliche Beisammensein mit homo- oder transphoben Personen zu Hause waren sie vermehrt Hass und Gewalt ausgesetzt. Ein Safe Space, die Schule etwa, war in dieser Zeit nicht zugänglich.

Interviews mit Pride-Parade-TeilnehmerInnen

Was liegt den Menschen am Herzen, die sich auf die Straße stellen und Teil der Vienna Pride Parade sind? Ich habe mich umgesehen und nachgefragt.

Ein schwules junges Paar erzählte mir, dass es sich auf der Pride Parade selbstbewusster zeigen könne als im Alltag auf der Straße. Händchen halten und sich küssen – alles keine Frage bei der Parade. Sie sehen die „Vienna Pride“ als eine Veranstaltung, bei der man mit Freunden die Diversität feiern kann. Was ihnen besonders wichtig ist, um mehr Akzeptanz für die LGBTQ-Community zu erreichen: Aufklärung in der Schule - und das so schnell wie möglich. Arten der Sexualität und der Geschlechtsidentität sollen kinderfreundlich schon in der Volksschule gelehrt werden. Das Paar sieht allerding Problempotenzial mit homophoben Eltern, die ihren Kinder diesen Unterricht verweigern würden. Gesetze zum Schutz der LGBTQ-Jugend sollen die jüngsten Mitglieder der Gemeinschaft beschützen. 

Foto: Victoria Frühwirth

Zwei Freunde verlangen härtere Strafen und Sanktionen gegen Homo-, Trans- und Biphobie. Dass die Homo-Ehe auch in der christlichen Gemeinschaft legalisiert werden, ist ihnen ein Anliegen. Ein pansexuelles Pärchen meinte, dass die Aufmerksamkeit und Aufklärung über verschiedene Sexualitäten und Identitäten genau durch Demonstrationen wie die Pride Parade erreicht werden. Sie leben nach dem Spruch „Out, loud & proud“ und wollen mit ihrer Präsenz als pansexuelle Menschen die Akzeptanz der Gesellschaft ohne Hass und Vorurteile erreichen.

Foto: Victoria Frühwirth

Ein schwuler Mann meinte, es herrsche bis heute Diskriminierung am Arbeitsplatz und bei der Wohnungssuche. Fakt ist, dass bis heute TaxifahrerInnen und BarbesitzerInnen queere Personen aus Taxi oder Bar werfen dürfen mit der Begründung, dass die Gäste nicht cisgender oder heterosexuell seien. Ein weiteres Konfliktthema, das ein Unterstützer der LGBTQ-Gemeinschaft anspricht: Der Pride Month wird kommerzialistisch ausgenutzt und von Unternehmen herangezogen, um sich für ein Monat im Jahr tolerant zu zeigen. Youth Reporter Nico Lang schrieb über das sogenannte „Pink-Washing“ einen eigenen Artikel im Youth-Reporter-Blog. Dass Firmen für 30 Tage mit überteuerten Regenbogenstickern und Pride-T-Shirts werben, ist scheinheilig, so der Pride-Parade-Teilnehmer. Seiner Meinung nach soll es LGBTQ-T-Shirts, -Flaggen und Poster das ganze Jahr über zu kaufen geben. Er freut sich allerdings, dass Modefirmen durch Pink-Washing zumindest mit dem Thema LGBTQ konfrontiert werden und sich dadurch damit auseinandersetzen. Der Demonstrant wünscht sich, dass Homo-, Bi- und Transsexualität in den Medien normalisiert werden. Mehr queere Charaktere in Fernsehserien und Filmen sollen zeigen, dass LGBTQ-Mitglieder definitiv Teil unserer Gesellschaft sind.

Foto: Victoria Frühwirth

Fazit für die Zukunft

Die meisten Leute waren der Meinung, das Thema LGBTQ müsse in der Schule angesprochen werden - sowohl im Ethik- als auch im Biologieunterricht. Von über 16 Interviewten haben 14 mir erzählt, sie wollen das Blutspenden für alle legalisieren, ganz gleich der Sexualität. Zur Info: Eine heterosexuelle Frau, die Geschlechtsverkehr mit einem Mann hatte, der zuvor gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr hatte, darf für zwölf Monate kein Blut spenden. Man merkt: mehr Informationen über die LGBTQ-Community, weitere Gesetzen zu derem Schutz und die Kommunikation zwischen LGBTQ-Mitgliedern und noch Unaufgeklärten sind essenziell für ein friedliches und respektvolles Miteinander. Es bleibt zu sagen: Happy Pride Month – all year long! Love is Love! 

Weiterführende Links und Quellen:

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 15.04.2024 bearbeitet.

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