
Jus, Medizin, Wirtschaft – bei der Studienwahl richten sich viele Blicke auf wenige Studienrichtungen. Dabei ist das Angebot sehr viel bunter. Stellvertretend für viele unterschätzte Studien holen wir die Bildungswissenschaft ins Rampenlicht.
Von A wie Altertums- oder auch Atmosphärenwissenschaften über O wie Ostasienwissenschaften oder Önologie bis Z wie Zoologie lohnt sich ein genauerer Blick hinter die Studienangebote der heimischen Universitäten. 60 Prozent der Studierenden belegen hierzulande nur 20 Studienrichtungen – da kann eine andere Wahl schon einmal neugierige Fragen nach sich ziehen.
Manche zum Teil eher ausgefallener anmutenden Studien, genießen nicht unbedingt die beste Nachrede, wie etwa das Online-Magazin „Grad“ festhält:
„…die sogenannten Orchideenfächer haben keinen guten Ruf. Daher kommt auch der Name: Orchideen seien mühsam in der Erhaltung, aber erfüllen keinen anderen Zweck, als hübsch auszusehen. Dem möchten wir entgegenhalten, dass es ohne Orchideen auch keine Vanille gäbe und ohne Vanille wären Vanillekipferl nur Kipferl.“
Die Überzeugungskraft dieser Argumentationskette sei nun einmal dahingestellt und die Einschätzung des Orchideen- oder Mauerblümchen-Faktors einzelner Studien jedem selbst überlassen, denn eines steht ohnehin fest: Gerade kleinere Studiengänge können überraschen und daher die Studienentscheidung ein wenig aufpeppen.
Was man etwa in Bildungswissenschaft lernt, für wen das Studium empfehlenswert ist und welche Berufschancen man danach hat, das erzählt hier die „BiWi“-Studentin Kiara* (19) der Universität Wien.
Gab es für dein Studium einen Aufnahmetest? Hast du Tipps dafür?
Für Bildungswissenschaft gibt es keinen Aufnahmetest. Die Studierenden müssen stattdessen die STEOP (Studieneingangs- und Orientierungsphase) am Ende des ersten Semesters positiv abschließen. Am besten man besucht die Vorlesungen während des Semesters und liest die jeweiligen Texte parallel dazu. So erspart man sich den Stress vor der Prüfung, alle Texte auf einmal lesen zu müssen.
Worum geht es in deinem Studium? Was lernt man, was nicht?
Bildungswissenschaft ist ein Studium, das thematisch sehr breit aufgestellt ist – was naheliegend scheint, wenn man bedenkt, dass Bildung ein Phänomen ist, das nicht nur weit in die Vergangenheit reicht, sondern sich auch in unterschiedlicher Art und Weise in vielen Bereichen unserer Gesellschaft wiederfindet: Schuldidaktik, Erwachsenenbildung und Bildungsforschung – aber auch Beratung, Persönlichkeitsentwicklung und psychoanalytische Pädagogik sowie Heil- und Sozialpädagogik. Es finden sich also auch philosophische, psychologische und soziologische Aspekte – das jeweilige Ausmaß variiert nach individuell gesetzten Schwerpunkten.
Welche falschen Erwartungen kannst du hier zerstreuen?
Das Studium ist theoretisch, zeitweise auch sehr wissenschaftlich.
Bildungswissenschaft liefert keine Anleitung für eine erfolgreiche Praxis (vor allem für jene, die bereits Berufserfahrung mitbringen), sondern bietet viel mehr Raum für kritische Reflexion und neue Gedankenansätze. Letzteres trifft aber nicht nur auf Studierende zu, die schon einen Beruf erlernt haben, sondern auch auf frisch von der Schule Kommende. Denn jeder und jede, der/die ein Studium beginnt, blickt nicht nur auf viele Jahre Lernen und Unterricht zurück, sondern auch auf die eigene Erziehung und Kindheit. Das alles sind Aspekte, die Bildungswissenschaft behandelt und bezüglich denen im Studium neue Perspektiven eröffnet werden.
Was ist gut an deinem Studium, was nicht so toll?
Wenn man so wie ich mit einem groben, aber dennoch vagen Bild der eigenen Interessen zu studieren beginnt, bietet ein breit aufgestelltes Studium wie Bildungswissenschaft die Möglichkeit, in unterschiedliche Bereiche hineinzuschnuppern und vielleicht auch Aspekte zu entdecken, die man bislang nicht als Berufswunsch in Erwägung gezogen hatte.
Diese Vielfalt bringt auf der anderen Seite aber auch die Konsequenz mit sich, dass sich Studierende bis zu einem gewissen Grad mit Themen auseinandersetzen müssen, die nicht primär in ihre Interessensgebiete fallen.
Was sollte man mitbringen? Wann sollte man eher ein anderes Studium wählen?
Als wichtigste Voraussetzung scheint mir das Interesse und der Spaß an sowie Sensibilität für die Arbeit mit anderen Menschen.
Hat man bereits konkrete Vorstellungen, wie beispielsweise den Berufswunsch LehrerIn oder KindergärtnerIn, ist es effektiver sich für die jeweilige spezifische Ausbildung zu entscheiden und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt das Studium der Bildungswissenschaft zu ergänzen – beispielsweise um die eigene Praxis kritisch zu reflektieren.
Wie schätzt du Berufschancen in der Branche ein?
Für ein so facettenreiches Studium lässt sich hier schwer eine allgemeine Aussage treffen.
AbsolventInnen entscheiden sich für unterschiedlichste Bereiche - von Forschung, Politik und Wirtschaft bis hin zu Einrichtungen für Heil- und Sozialpädagogik und Beratungstätigkeiten. Und all diese Bereiche zeichnen sich natürlich durch unterschiedliche Bedingungen aus.
Generell ist aber zu empfehlen, das theorielastige Studium aus eigener Initiative durch Praktika zu ergänzen.
Wissenswert ist auch, dass Studierende, die den Schwerpunkt Heilpädagogik bzw. Sozialpädagogik setzen, nach Abschluss des Bachelor-Studiums qualifizierte/r Heil- bzw. Sozialpädagoge/in sind.
Was hättest du gerne vor deinem Studium darüber gewusst? Und hast du Tipps?
Ich bin überrascht, wie präsent der psychologische Aspekt ist – in meinem Fall eine sehr positive Überraschung! Bildung bezieht sich zu einem großen Teil auf die Interaktion mit anderen Menschen, was immer auch die Notwendigkeit zu einem psychologischen Grundverständnis und -interesse einschließt.
Vor allem in meinem ersten Semester fühlte ich mich zeitweise mit Menge und Komplexität der wissenschaftlichen Texte überfordert. Deshalb ganz wichtig: Erstens nicht verzweifeln und zweitens nicht versuchen, jedes Wort und jeden Satz gänzlich zu verstehen. Wichtig ist immer, Hauptaussage und Intention des Autors herauszufiltern.
Ich bekam damals den Tipp, jeden Text in einem Satz oder Bild zusammenzufassen. Vor allem für die STEOP gilt: Breite geht vor Tiefe!
Sollte man noch auf irgendetwas besonders achten?
Wie schon erwähnt ist es sinnvoll, parallel zum Studium Berufserfahrung zu sammeln. Generell ist Bildungswissenschaft ein Studium, das sich hinsichtlich des Zeitaufwands durchaus entweder mit einem zweiten Studium oder mit Praktika/Jobs ergänzen lässt.
Wie lange braucht man realistischerweise für das Studium?
Meiner Meinung nach ist ein Abschluss innerhalb der Mindeststudienzeit (6 Semester) bei Bildungswissenschaft realistisch. Ich persönlich finde es aber wichtig, neben diesem Ziel die Relevanz der Praxiserfahrung nicht aus den Augen zu verlieren – das heißt, lieber ein Semester überziehen und dafür Praktika vorlegen können!
Würdest du das Studium weiterempfehlen? Warum?
Ich möchte das Studium nicht nur all jenen empfehlen, deren endgültige Entscheidung für einen Beruf noch nicht gefallen ist, sondern auch jenen, die sich die Möglichkeit offenhalten wollen, nach einigen Jahren einschlägiger Erfahrung eventuell das Berufsfeld zu wechseln.
Darüber hinaus ist Bildungswissenschaft auch eher für Menschen geeignet, die Spass daran haben, Neues zu lernen und den eigenen Wissensbereich auszudehnen, als für jene, die ihr Studium einzig und allein als notwendige (vielleicht mühsame) Eintrittskarte in ihr Berufsziel sehen.
* Name geändert