Ärger im Paradies: Wenn bei Family-Influencern die Fassade bröckelt

Leben
Dana Drnec / 07.08.2020
Family Influencer

Beim gewohnten Blick auf das Instagram- Facebook- oder YouTube-Feed stolpert man in letzter Zeit immer öfter über Beiträge von Familien mit beachtlichen Likes und Views. Während die Beiträge dieser sogenannten „Family-Influencer“ oder „Mommy-Blogger“ allgemein durchaus positive Rückmeldungen bekommen, standen zwei von ihnen in letzter Zeit besonders in Kritik der Öffentlichkeit.

Ob der erste Schultag, der erste Geburtstag, oder einfach nur ein besonders hübsches Bild von der Wandertour. Seit Kameras für die breite Öffentlichkeit leistbar wurden, scheinen besonders junge Eltern oft beinahe besessen davon, jeden einzelnen Augenblick der Entwicklung ihrer Sprösslinge digital festzuhalten. Während man die unpraktisch große Kamera früher mit sich mitschleppen musste, ist sie heute im Handy integriert fast immer mit dabei.

Doch während die Schnappschüsse vom alljährlichen Kindergeburtstag früher am ehesten noch im Familienfotoalbum, oder aber eingerahmt auf der Wohnzimmerwand gelandet wären, werden sie heute oft schnellstmöglich auf den verschiedensten Social Media Plattformen hochgeladen. 

Als Instagram und Co. noch in den Kinderschuhen steckte, stellte dies für die meisten nur eine einfache Art da, auch den entferntesten Verwandten zu vermitteln, wie viel Spaß die eigenen Kinder beispielsweise beim Urlaub in Italien hatten. Für viele hat sich dies wahrscheinlich wenig geändert und sie teilen auch heute noch euphorisch tonnenweise verwackelte Schnappschüsse mit ihren unter 200 Followern. Doch mit dem Aufstieg der sozialen Medien hat sich neben den bereits berüchtigten Fitness, Mode oder Lifestyle Influencern, die mit ihrer mindestens fünfstelligen Followergemeinde oft im Stundentakt Bilder ihrer selbst bei allerlei verschiedensten Aktivitäten hochladen, noch eine andere Art der Influencer entwickelt. Die Familien-Influencer.

Family-Influencer, wenn Kinderfotos zum Geschäft werden

Auch sie sind beachtlich aktiv auf den Sozialen Medien und geben uns mit ihren professionell wirkenden Bildern einen Einblick in ihr perfektes Leben. Wenn sie nicht gerade etwaige Produkte bewerben, deren Abwesenheit in unserem Leben uns unwissentlich maßgeblich beeinträchtigt. 

Bis hier unterscheiden sie sich somit wenig von den „konventionellen“ Influencern. Doch eines zeichnet sie, wie schon der Name sagt, aus. Statt sich auf Fitness, Ernährung oder etwa Mode zu fokussieren, dreht sich ihr gesamtes Social Media Profil um ihre Kinder.

Die Kleinen werden täglich hübsch angezogen und frisiert, anschließend in die richtige Position gebracht und schlussendlich landet das mit der mehrere Hundert Euro teuren Kamera gemachte Bild auf den verschiedensten Kanälen der jeweiligen Familien

Perfekte Welt oder doch alles nur für die Kamera?

Screenshot Instagram

Kinderblogs werden üblicherweise zwar als „niedlich“ wahrgenommen und für ihre oft nützlichen Tipps geschätzt. Viele kritisieren an ihnen, wie bei sämtlichen Influencern, jedoch ihren „Schein-perfektionismus“, also dass sie stets „perfekte“ Bilder auf Social Media stellen wodurch der Eindruck entstehe, ihr gesamtes Leben bestehe nur aus wunderschön und aufwändig verzierten Speisen für die Kinder, penibel aufgeräumten Kinderzimmern und fleckenloser Kinderkleidung.

Eine „Mommy-Bloggerin“, die in letzter Zeit besonders in Kritik der Öffentlichkeit stand ist Myka Stauffer. Auf ihrem YouTube-Kanal mit 692.000 Abonnenten dreht sich alles um das Leben mit Kindern, gewöhnliche Haushaltstätigkeiten wie putzen oder kochen, aber auch einige Fitnesstipps kann man dort bekommen. Bis Mitte dieses Jahres hatte sie nie für besondere Kontroversen gesorgt. Vor einigen Jahren entschieden sich Myka und ihr Partner dazu, ein Kind zu adoptieren, welches, wie ihnen davor eindeutig vermittelt wurde, mit starkem Autismus zu kämpfen hatte. Nach einigen Jahren in denen sie sowohl den Adoptionsprozess als auch das Leben mit ihrem Sohn auf Social Media dokumentiert hatte, wurde es plötzlich still um den kleinen Jungen. Einige Monate danach postete sie ein emotionales Video in dem sie ihrer Followergemeinde erklärte, ihr Adoptivsohn würde „re-housed“ werden, also in Zukunft bei einer anderen Familie leben.

Darauf folgte ein immenser „Shitstorm“ gegen Myka. Verschiedenste Nutzer warfen ihr unverantwortliches Verhalten vor. Andere gingen gar so weit zu sagen, Myka hätte den kleinen Jungen, über dessen stark autistisches Verhalten sie, wie sie selbst bestätigte, informiert wurde, nur adoptiert, um auf der Videoplattform mehr Popularität zu gewinnen. Die entsprechenden Beiträge wurden inzwischen gelöscht und auch die Kommentare unter Mykas neusten Videos wurden deaktiviert, sodass nichts auf dem Kanal mehr an ihren ehemaligen Adoptivsohn erinnert. Laut promiflash.de gehe es dem Kind jedoch gut und es lebt inzwischen bei einer neuen Familie, die ihr Kind jedoch bis jetzt nicht öffentlich in den sozialen Medien gezeigt hat. Besonders pikant: Myka postete einige Tage vor dem Umzug ihres Sohnes ein Video, in dem sie den Alltag mit ihrem jüngsten Kind beschreibt, ohne ein Wort über ihren Adoptivsohn zu verlieren.

Neben fehlendem Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem kleinen Kind wird Myka auch Desinteresse an ihrem Adoptivsohn vorgeworfen. Glücklicherweise sind solche Fälle selten, doch besonders Myka ist ein gutes Beispiel für den sogenannten „Scheinperfektionismus“, den die „Youtube-Familien“ ihren Followern vorleben. Die Tatsache, dass Myka den kleinen Jungen „zurückgab“, da sie sich mit ihm überfordert fühlte zeigt, dass sie sich nicht ausreichend über die Folgen von schwerem Autismus informiert hat. Generell wirkt es gar so, als hätte sie die Entscheidung, ein Kind zu adoptieren, vorschnell getätigt. Besonders der Ausdruck das Kind „zurückzugeben“, beziehungsweise zu „re-housen“, ist schockierend, schließlich handelt es sich bei dem kleinen Jungen um einen Menschen mit Gefühlen und nicht um ein unpassendes Kleidungsstück

Man kann nur hoffen, dass der Kleine über die Trennung von seiner wichtigsten Bezugsperson hinwegkommt

Ehrlichkeit ist ein teures Geschenk- mit teuren Folgen?

Screenshot Instagram

Ein anderer Youtube Kanal, der sich nicht zurücknimmt, auch die negativen Seiten des Lebens in einer Familie zu posten, ist 8passengers.  Früher beliebt für ihre ehrlichen Videos über das Leben mit sechs Kindern, sind die Eltern, Ruby und Kevin Franke, vor kurzem in Verruf geraten, an ihren Kindern unzeitgemäße, von vielen Usern auch als „drakonisch“ bezeichnete Erziehungsmethoden anzuwenden. Die Kritik begann, als auf dem Kanal der Familie ein Video mit dem Titel „8Passengers What we havent told you“ publiziert wurde. Darin gaben unter anderem zwei der Kinder an, keine Freunde zu haben und die Mutter, Ruby, redete über ihre Art, Fehlverhalten ihrer Kinder zu ahnden. Nach den massiv negativen Rückmeldungen wurde das originale Video vom Kanal der Familie gelöscht. Der YouTuber Ian Evans, der meines Wissens keine Verbindung zu der Familie hat, re-publizierte das originale Video jedoch auf seinem Kanal am 13.Juni 2020.

Erziehungsmethode oder Missbrauch?

Besonders kritisiert wurde die Mutter für die Entscheidung, ihren ältesten Sohn zu zwingen, monatelang auf einem Sack im Keller zu schlafen, statt in seinem Schlafzimmer, nachdem dieser seinem jüngeren Bruder einen Streich gespielt hatte. „She’s insane“, kommentierte einer das Video „Sends chad away for months. Guess wasn’t enough. Now they get a new house and she lets the youngest boy get the bedroom with bathroom. And chad doesn’t get a room at all. Poor kids. I hope they know this isn’t normal! I wasn’t the greatest kid. But I always had a room in my house. Who does that?!?? Who denies their kid a bedroom and bed?!“, kritisiert ein anderer. Laut insider.com sollen die kontroversen Posts der Familie sogar dazu geführt haben, dass „child protective services“, also die Amerikanische Kinder- und Jugendwohlfahrt, der Familie einen Besuch abstattete. Dies hält sie jedoch nicht davon ab, weiterhin idyllische Videos von ihren Poolparties, Kindergeburtstagen oder dem Aufräumen ihres Abstellraumes auf YouTube zu posten. Die Kommentare werden momentan (Stand 05.08.2020) unterdrückt.

Natürlich sind solche Fälle glücklicherweise die Ausnahme, doch sie zeigen, wie sehr die Familien-Influencer ihre Follower oft täuschen und welche Auswirkungen dies auf ihre Kinder haben kann.  

Man kann nur hoffen, dass, wie bei allen Influencern, die „perfekten“ Bilder und Videos und das dadurch vermittelte idyllische Leben bei ihren Followern keine Komplexe auslösen und dass sämtliche Opfer von psychischer, physischer oder irgendeiner anderen Form von Gewalt Hilfe bekommen, ob Influencerkinder oder nicht. 

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Anmerkung der Autorin: Sämtliche hier gemachte Anschuldigungen sind genauso aus den jeweiligen Videos, Kommentaren und Artikeln entnommen. Sie haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dem Leser wird geraten, die jeweiligen Quellen selbst zu begutachten und sich ein Bild zu der Situation zu bilden.

Die Rechtschreibung in den Kommentaren wurde wortwörtlich übernommen.

Quellen:

  • Artikel bezüglich Mykka Stauffer und ihrem ehemaligen Adoptivsohn (promiflash.de)
  • Artikel bezüglich 8passengers (insider.com)

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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