„Betriebsausflug“ auf's Frequency

Kultur & Events
Anna Putz / 20.08.2018
ÖKR

Wenn sich die Anzahl der EinwohnerInnen St. Pöltens mit einem Schlag verdoppelt, ist das Frequency Festival wieder in der Stadt. Dafür, dass BesucherInnen nach vier Tagen ihre Heimreise den Umständen entsprechend gut antreten können, sorgt das Rote Kreuz.

Zwischen überteuerten Essensständen, überlaufenen Spritzerbars und Infocontainern hat auch das Rote Kreuz seine Zelte am Frequency Festival aufgeschlagen. Bei teilweise 33 Grad im Schatten fallen die in Rot gekleideten Leute mit Jacken und langen Hosen noch mehr auf als sonst. Der Stützpunkt liegt unweit des Nightparks; hier werden jene PatientInnen versorgt, deren Wehwehchen sich nicht mit Pflaster und Coolpack beheben lassen.

„Offiziell sind wir seit Mittwoch im Einsatz“, so Michael Membir vom Roten Kreuz St. Pölten. Man hat aus den Vorjahren gelernt, erklärt er. „Es gibt immer ein paar Kleinigkeiten, die es zu optimieren gilt, doch im Großen und Ganzen sind wir nach zehn Jahren auf die Gegebenheiten des Festivals eingespielt. So haben wir etwa dieses Jahr ein Rettungsfahrzeug bereitgestellt, um auch schon vor offiziellem Festivalbeginn neben dem Regeldienst die zusätzlich auftretenden Versorgungen am Festivalgelände gut abwickeln zu können“. Rund eine Woche, bevor die ersten Bands im Green Park zu hören waren, habe man mit dem Aufbau der Zelte und Container begonnen. Stichwort freiwillig: über 10.000 Einsatzstunden werden von rund 600 SanitäterInnen unentgeltlich geleistet. Zur Frage „Warum?“ später mehr.

Letztes Jahr wurden knapp 1.800 PatientInnen während des Festivals behandelt, heuer dauert das Festival einen Tag länger, weshalb man seitens des Roten Kreuz mit mehr Einsätzen gerechnet hat. Eingesetzt wurden neben SanitäterInnen auch StützpunktleiterInnen, EinsatzleiterInnen und FahrerInnen. In drei verschiedenen Schichten (Tag-, Nacht- und Bühnenschichten) wurde Dienst verrichtet, einige HelferInnen waren mehrere Tage vor Ort. Etwa zwei Monate vor Einsatzbeginn wird das Anmeldesystem aktiviert, bei dem man unter anderem Wünsche über den Einsatzbereich äußern konnte. Während einige unbedingt an den Nebenstützpunkten in den Campingarealen eingesetzt werden wollen, schätzen andere den Hauptstützpunkt.

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Mehr als 600 SanitäterInnen sind am Frequency im Einsatz (Foto: ÖRK St. Pölten / C. Kaltenecker)

So auch Caro, die bereits zum vierten Mal am Frequency im Einsatz ist. Die 23-Jährige, die hauptberuflich im Behindertenbereich tätig ist, hat sich für ihren Einsatz extra Urlaub genommen. „Ich nehm‘ mir gerne Urlaub dafür. Heute mach ich gemeinsam mit meinem Freund Fahrerdienst“, sagt sie. Es sei die gute Stimmung am Gelände und die Gesamtsituation allgemein, die Musik, die Stimmung, die Leute, weshalb sie jedes Jahr wiederkomme. „Es ist tatsächlich eine Mischung aus allem hier. Besonders aber schätze ich die Abwechslung im Dienst. In regulären Diensten ist weniger los als hier“, erklärt Caro.

Werner Schlögl ist einer der Einsatzleiter des Roten Kreuzes am Frequency. Er hat den Gesamtüberblick über das Geschehen, ist Ansprechpartner für Behörden und andere Organisationen und leitet die Gruppe der Freiwilligen. „Alles in allem also eine koordinierende Funktion“, wie er meint. Immer wieder läutet eines der zwei Telefone des St. Pöltners. Er gibt seinen GesprächspartnerInnen Auskünfte, Anweisungen und erklärt, was zu tun ist. Neben seiner Erfahrung als Bezirksstellenleiter war vor allem seine lokale Verankerung in St. Pölten ausschlaggebend für seine Tätigkeit als Einsatzleiter am Festival. „Die Gegebenheiten vor Ort zu kennen ist definitiv von Vorteil. Zudem kennt man die Ansprechpersonen“, erklärt Schlögl. In den zehn Jahren, in denen er Einsatzleiter am Frequency war, „gab es glücklicherweise noch nie einen akuten Notfall“.

Alles in allem laufen die Einsätze relativ ruhig ab, Extremsituationen wie einen Massenanfall von Verletzten habe es bis dato nicht gegeben. Neben passenden Wetterbedingungen seien auch die freiwilligen HelferInnen Grund für den reibungslosen Ablauf. „Fakt ist: Die Bezirksstelle St. Pölten alleine könnte den Sanitätsdienst im Rahmen dieses Festivals personell nicht stemmen“, erklärt der Einsatzleiter. „Nur mit MitarbeiterInnen aus ganz Niederösterreich und auch anderen Bundesländern könne man die bestmögliche Versorgung der BesucherInnen garantieren“.

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Die Nebenstützpunkte befinden sich in den Campingarealen an der Traisen. (Foto: ÖRK St. Pölten / Alexander Zwickl)

Viki aus St. Pölten arbeitet bereits zum dritten Mal in einer Schicht als Sanitäterin am Campingareal des Frequency-Festivals. Die 21-Jährige entscheidet aufgrund des Line-ups, ob sie als Sanitäterin oder Besucherin am Festival ist. „Man weiß immer, dass man was zu tun hat“, sagt sie. „Während sich am Vormittag eher Kreislaufbeschwerden oder Schnittwunden häufen, kommt es natürlich abends auch zu Hilfsbedarf auf Grund Experimentierfreudigkeit mit verschiedensten Substanzen“, erklärt sie. Während des Gesprächs mit der Sanitäterin tauchen am Stützpunkt zwei Burschen auf, die mithilfe eines „selbst gebastelten Tests“ positiv auf AIDS getestet worden seien. Geduldig fragt Viki die offensichtlich Betrunkenen nach ihren Symptomen und Beschwerden. Nach einer Weile finden die Burschen keinen Spaß mehr an ihrer Aktion und verschwinden. „Solche Leute haben wir immer wieder, da muss man geduldig sein. Davon lassen wir uns nicht aus der Ruhe bringen“, lacht sie.

Auch Werner Schlögl ist sich bewusst, dass nicht alle BesucherInnen das Angebot der Rettungsorganisation schätzen. „Etwas überspitzt ausgedrückt: Alles was nichts kostet, wird nicht geschätzt“, so Schlögl. Dennoch dürfe man nicht alle in einen Topf werfen, der Großteil der PatientInnen sei durchaus dankbar für die Hilfe. Obwohl eine erhebliche Anzahl der Verletzungen aufgrund von Leichtsinn des/der Patientin zustande kommen, frustriert das die Rettungskräfte nicht. „Sicher denkt man sich manchmal seinen Teil dazu“, sagt Schlögl, „aber die Leute sind ja nicht weniger arm, nur weil die Verletzung eigenverschuldet ist“. Warum er und viele andere sich trotzdem seit Jahren freiwillig engagieren? „Zum einen hat das sicher mit unserem Leitbild zu tun: Aus Liebe zum Menschen“, überlegt Schlögl, „andererseits glaube ich auch, dass es für viele wie ein Betriebsausflug ist“. Man treffe KollegInnen aus anderen Bezirken, tausche sich aus. Auch 2019 wird es wieder einen „Betriebsausflug“ der besonderen Art geben. Die Vorbereitungen dafür laufen übrigens schon.

 

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