Der Islamische Staat

Politik
Zulla Ahmetovic / 10.05.2016
Stop terror

Wenn Medien von den Gräueltaten des Islamischen Staates berichten, stehen meistens männliche IS-Kämpfer im Fokus. Frauen finden in der Berichterstattung nur Erwähnung, wenn es um Opferzahlen geht. Kämpfende Frauen werden sowohl in der Wissenschaft, als auch in den Medien kaum berücksichtigt.

Pussy-Dschihad

Im Mainstream wird meist nur von den weiblichen Opfern und Dschihadisten-Bräuten gesprochen, jedoch kaum von den weiblichen Täterinnen der Terrorgroßmacht. Das liegt vor allem an stereotypen Denkweisen, die Frauen gar nicht erst zutrauen eine ideologische Begeisterung zu entwickeln, gewaltbereit zu sein und grausamen Taten auch auszuführen. Auch im IS gilt: Frauen sollen die nächste Generation von Kämpfern gebären und großziehen, sich um den Haushalt kümmern und mit ihren Fähigkeiten als Lehrerinnen, Ärztinnen oder Krankenschwestern dem „Kalifat“ dienen. Dennoch ist der IS schon lange kein Männerbündnis mehr. Viele Dschihadistinnen waren nach ihrer Ankunft in Syrien darüber empört, dass sie nicht kämpfen dürfen, und posteten ihren Unmut zum Beispiel auf Twitter. Ihre Intention war klar: sie wollen gemeinsam mit ihren Männern an der Front stehen und genauso wie sie für das „Kalifat“ sterben.

Mit dem Beitritt zum IS „befreien“ sich junge Muslime, und vor allem junge Musliminnen, von den Anforderungen ihrer Familien und der Gesellschaft. Sich der Terrororganisation anzuschließen ist für sie also ein Akt der Selbstbestimmung. Sie glauben im „Kalifat“ darüber entscheiden zu können, unter welchen Regeln sie leben und sterben werden.

Der IS hat erkannt, dass er durch Frauen noch mehr Menschen für sich gewinnen kann und beugte sich dem Wunsch der Frauen, auch kämpfen zu dürfen.

Trotz alledem ist eine Frau, selbst wenn sie bewaffnet ist und Seite an Seite mit ihren „Brüdern“ in den Dschihad zieht, einem Mann im IS immer untergeordnet. So bekommt die Familie einer Selbstmordattentäterin nur die Hälfte des Entschädigungsgeldes, das den Angehörigen männlicher Attentäter zusteht.

Antikapitalismus à la IS

Der Islamische Staat kämpft gegen  Ungläubige. Diese Bezeichnung trifft für den IS auf jede Person zu, die nicht nach „Islam“-Regeln der Terrormacht leben will. Das Terrorregime bedient sich an Stellen aus dem Koran und an anderen islamischen Schriften, interpretiert diese, vor allem was die Taten und Worte des Propheten Mohammed betrifft, auf seine eigene Art und Weise und legitimiert somit die Ermordung von Menschen.

Im Manifest der „Al-Khansaa“-Brigade wird nicht nur darauf Bezug genommen, dass der Kolonialismus Länder militärisch und wirtschaftlich unterdrückte, sondern auch, dass die Kolonialherrschaft es schaffte ,,ihre schmutzige Kultur und ihr materialistisches, atheistisches Ideengut überall unter den Muslimen zu verbreiten“. Sie machen den Kolonialismus für das Verschwinden der „wirklichen“ muslimischen Gesellschaft, die die Botschaften Gottes verstand und nach ihnen lebte, verantwortlich. Mit der Ausrufung des „Kalifats“ wollen DschihadistInnen die weltweite muslimische Gemeinschaft vom ,,falschen´´, ,,westlichen´´ Weg abbringen.

Ein ganz wichtiger Aspekt dabei ist die Wirtschaft. MuslimInnen würden sich dann vom ,,Westen´´ und seiner ,,Unreinheit´´ befreien, wenn sie aufhören würden ,,westliche´´ Währungen zu benutzen, da diese nicht im Sinne Allahs seien. Dieses Vorhaben ist für MuslimInnen allerdings schwierig, da es kaum einen Ort auf unserer Welt gibt, in dem Vermögenszuwachs und Profitmaximierung nicht an erster Stelle stehen. Das ist, und genau so steht es auch  in dem Manifest der bewaffneten Dschihadistinnen, „dem tyrannischen Kapitalismus, der den Völkern regelrecht aufgezwungen wurde, zu verdanken.“ Aus diesem Grund wird im „Kalifat“ eine Währung aus der Zeit des Propheten eingesetzt, nämlich der Dinar. Die Papierwährung soll nicht stetig aufgewertet werden, sondern lediglich die Preise für den Handel festsetzen. Die „Al-Khansaa“-Brigade argumentiert, dass alles was die Menschen brauchen, schon von Gott gegeben ist. Dürre und Hunger sind in ihrer Weltanschauung die Strafen dafür, dass Menschen nicht mit dem zufrieden sind was sie haben, sondern nach immer mehr Erträgen streben und im Übermaß konsumieren.

Die Ideologie des Islamischen Staates basiert also darauf, dass die „religiöse Wissenschaft“ die einzig „wirkliche“ Wissenschaft sei, und das alles darüber hinaus im Widerspruch zum Islam stehe und die Menschen vom rechten Weg abbringe. Der IS erkennt die Notwendigkeit von Erkenntnissen aus Bereichen wie der Landwirtschaft, der Medizin und der Architektur sehr wohl an, jedoch sollen damit nicht alle „Geheimnisse der Natur“ aufgedeckt werden, sondern sie sollen lediglich zu einer Verbesserung der Lebensumstände beitragen. Für den IS besteht die einzige Lösung darin, Staat zu errichten, der frei von „westlicher Unreinheit“ ist und in dem MuslimInnen im Einklang mit der Islam-Interpretation des IS leben können. Als Mittel zum Zweck ist dem IS alles recht. Auch wenn dies bedeutet einem anderen Menschen das Leben zu nehmen, oder das eigene Leben für das „Kalifat“ zu opfern.

Den Bann des IS brechen

Selbstmordattentäterinnen gibt es keineswegs erst seit dem IS. Während die „westlichen“ Medien und die Wissenschaft an Genderstereotypen festhielten, erkannten Terrorgruppen schon früh, dass Frauen die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Gruppe und die Organisation an sich stärken. Frauen fallen viel weniger auf und werden in der Regel nicht so streng kontrolliert wie Männer, wodurch sie sich gut für Selbstmordattentate eignen.

Der IS propagiert zwar Antikapitalismus, doch die Realität zeigt, dass DschihadistInnen im Möchtegern-Kalifat nicht die Verpflegung erhalten, die ihnen der IS vor ihrer Einreise verspricht, was zeigt, dass die Einnahmen der Terrororganisation keinesfalls gerecht unter den KämpferInnen verteilt werden.

Es ist die globale Ungleichheit zwischen Norden und Süden, die die Menschen in die Fänge des Terrornetzwerks treibt. Sich mit der Ideologie des Islamischen Staates zu beschäftigen, bedeutet auch sich einzugestehen, dass all die ungelösten, globalen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme dem IS in die Hände spielen. Der Terror des IS beweist umso mehr, dass wir die Zustände auf der Welt verändern müssen und, dass der Kampf gegen den Kapitalismus  jetzt noch unumgänglicher ist.


Marginalie:

IS, ISIS oder ISIL: als die ISIS noch unter der Leitung der Al-Kaida stand, hieß die Gruppe „al-Quaida in Iraq“ (AQI). Als Abu Bakr al-Baghadi zum neuen Terrorchef wurde, änderte sich der Name der Gruppe in „Islamic State in Iraq“ (ISI) und 2013 schließlich in „Islamic State in Iraq and al-Sham“ (ISIS) um. Al-Sham ist die historische arabische Bezeichnung für das Gebiet, das Syrien, Libanon, Jordanien und Palästina umfasst – auch Levante genannt, daher wird die Gruppe auch ISIL genannt. Letztendlich haben sich die Initialen IS durchgesetzt und auch von der IS selbst verwendet, um ihren Machtanspruch als Islamischer Staat zu demonstrieren

Kalifat: nach Verständnis des IS der Herrschaftsbereich des Kalifen

Kalif: Nachfolger des Propheten Mohammed, um seine Lehren und Schriften weiterzugeben und der globalen, muslimischen Gesellschaft als Vorbild zu dienen.

Die „Al-Khansaa“-Brigade ist im Februar 2014 in Raqqa, der Hauptstadt des „Kalifats“, gegründet worden und ist die einzige Brigade mit bewaffneten Frauen. Die Gruppe ist nach der Poetin Al-Khansaa benannt worden, die damals dem Propheten Mohammed begegnet sein soll Die Aufgaben der Kämpferinnen sind darauf zu achten, das sich die BürgerInnen von Raqqa an die strengen Gesetze des „Kalifats“ halten. Außerdem sind sie für die Verwaltung der Sklavinnenmärkte des IS zuständig. Weiters müssen sie  Bürgerinnen bestrafen, die sich nicht an die Gesetze halten. Gelegentlich werden sie auch an Checkpoints eingesetzt.

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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