Die Ministerin zum Frühstück

Politik
Youth Reporter-Team / 02.08.2016
Teamsitzung

Wie sich die Ministerin in unserem Interview zur Frühstückszeit geschlagen hat, was Dr. Sophie Karmasin so außergewöhnlich macht und wie das Ganze für uns Youth Reporter war, lest ihr hier.

 

DIE ETWAS ANDERE MINISTERIN

Als das Treffen konkreter wird, begebe ich mich auf journalistische Spurensuche. Ausgangspunkt ist – bitte nicht weitersagen! – Wikipedia. Und, wie zu Schulzeiten, ist die Seite ganz schön informativ. Sophie Karmasin ist seit Ende 2013 im Amt – ÖVP-nominiert, jedoch parteilos. Sie stammt aus einer bekannten Familie: Wikipediaeinträge finden sich über ihren Großvater, Vater und Bruder. Ihre Eltern gründeten das Unternehmen Karmasin-Motivforschung, in das Sophie Karmasin nach ihren Studien der Psychologie und Betriebswirtschaftslehre und Engagements in der Privatwirtschaft, so auch als Produktmanagerin für den Waschmittelhersteller Henkel, einstieg.

Wikipedia soll natürlich nicht die einzige Quelle bleiben, daher stöbere ich weiter und freue mich besonders über ein Interview der Zeitschrift woman mit Karmasin, das die Ministerin persönlicher zeigt. Als interessantes Detail notiere ich mir, dass sie von der ÖVP nominiert wurde, obwohl man dort genau wusste, dass sie im Bereich der Familienpolitik beispielsweise bei der Ehe Homosexueller liberale Positionen jenseits der Parteilinie vertritt. Berufspolitikerin möchte die zweifache Mutter nicht werden, vielmehr einen neuen Zugang zur Politik aufzeigen.

Auch die Website ihres Ministeriums führe ich mir zu Gemüte – klar strukturiert, modern und sauber; von mehreren Fotos lächelt die Ministerin vom Bildschirm. Für mich sehr klar präsentiert sie unter „Wofür ich stehe“ ihre Visionen: unter anderem eine buntere Familie, mehr berufstätige Frauen, mehr Kinder und mehr Wertschätzung für Familien.

Der erste Eindruck ist für mich also ein positiver und ich freue mich auf das Gespräch mit der parteilosen politischen Quereinsteigerin und einzigen ÖVP-Ministerin.

 

VANILLE ODER SCHOKO

Wenn da nicht noch die Fragen wären. Die Fragen, um die sich das Gespräch drehen soll. Frauen in der Politik, Familienbild im Wandel und Radikalisierung von Jugendlichen stehen als Themen fest und da ein Interview mit einer Ministerin wohlvorbereitet sein mag, lasse ich mir Fragestellungen zu diesen Bereichen durch den Kopf gehen. Gar nicht so einfach, möchte ich doch keine zu offensichtlichen Fragen stellen, keine Suggestivfragen und schon gar keine ja-nein-Fragen. „Wie vielfältig kann Familie sein? Kann bzw. soll man Familie abgrenzen?“, „Ist es überhaupt möglich die Radikalisierung von Jugendlichen im Wesentlichen zu verhindern?“ und „Haben sie in ihrem Mitarbeiterteam mehr Frauen als ihre männlichen Kollegen und unterscheidet sich der Arbeitsstil?“, sind Beispiele für das, was ich fragen möchte.

Mit den Fragen in der Hand bin ich dann auch am Tag des Interviews mehr neugierig als nervös. Zum Glück kommt mir bei der Anreise weder ein Stau in die Quere, noch lässt mich die Technik bei der Suche des Ministeriums im Stich. Und so treffe ich pünktlich bevor es losgeht die anderen Youth Reporter und unsere ProjektleiterInnen vor dem Gebäude. Gemeinsam geht es in den 10. Stock, wo beim Warten bei einigen doch die Nervosität steigt – und das, obwohl wir scherzhaft überlegen das Gesprächsprotokoll ganz über den Haufen zu werfen und unser Interview doch mit den wirklich wichtigen Fragen des Lebens aufzupeppen: „Rapid oder Austria“, „Hund oder Katze“ und „Vanille oder Schoko“ wären da so unsere Wahl.

 

ZU GAST IM MACHTZENTRUM

Hell, groß, lichtdurchflutet – so zeigt sich das Büro der Ministerin, in das wir zur allgemeinen Überraschung zum Gespräch eingeladen sind. Die Einrichtung wirkt modern-zweckmäßig und wir nehmen an dem langen, weißen Besprechungstisch Platz, um nach Einführungen zum Youth Reporter Projekt unser Interview zu beginnen. Ausgerüstet mit Diktafon und vielen wohlüberlegten Fragen stürzen wir uns gleich in das Gespräch.

Und Sophie Karmasin wirkt auf uns…? Überraschend offen, klar, bemüht und kompetent. Eben so gar nicht wie so mancher Politiker oder so manche Politikerin, der oder die sich im ZIB2-Interview unter Armin Wolfs Fragen windet und in einem gefühlt fünf-minütigen Statement vieles sagt, außer eben das, was gefragt war. Liegt es an Sophie Karmasin, der parteilosen, quereingestiegenen Ministerin selbst oder doch daran, dass wir nicht gerade live im ORF auf Sendung sind? Ich kann es nicht beurteilen, aber fest steht, dass sich unsere Interviewpartnerin sichtlich Mühe gibt unsere Fragen zu beantworten. Und das sehr direkt.

Egal ob zur Stellung von Frauen in der österreichischen Politik oder zur Familienpolitik – Frau Dr. Karmasin überlegt nur kurz, antwortet klar Position beziehend und führt sachkundig aus. So bleibt für mich nicht nur der Eindruck einer fachkompetenten Ministerin gegenüber gesessen zu sein, sondern vor allem das Gefühl, zu den thematisierten Fragen nun genau die Meinung ebendieser zu kennen, ganz ohne zehnmaliges Nachbohren.

 

POSITIONEN

Das zeigt sich konkret beispielsweise als sie gefragt wird, warum der „Papamonat“ besser ankommen soll als die Väterkarenz. Anfangs erklärt sie kurz, warum der „Papamonat“ nun Familienzeit heißt – ein möglichst weitgefasster Begriff um niemanden auszuschließen, sei es ein lesbischer Elternteil oder eine Großmutter als Vaterersatz, und um Stereotype zu vermeiden - dann geht sie gleich auf die Frage selbst ein. Hier zitiert sie Studien, in denen 70% das Modell in Anspruch nehmen wollen, um noch im selben Satz zur Vorsicht zu mahnen, da der Prozentsatz in der Praxis wohl ein wenig geringer ausfallen werde. Als großen Vorteil der Familienzeit nennt sie dann, dass sie parallel mit der Karenz der Mutter laufe.

Nach Kind oder Karriere gefragt, erklärt die Mutter und Politikerin, dass dies für sie nie zur Debatte stand, wollte sie doch schon immer beides. Nun möchte sie Rahmenbedingungen schaffen, die dafür sorgen, dass sich diese Frage idealerweise für niemanden mehr stellt. Und danach gefragt, wie man dem entgegenwirken könnte, dass Junge relativ gesehen - durch das Älterwerden der Bevölkerung - an Stimmrecht verlieren, sieht die Ministerin eine Lösungskomponente in mehr Familien, da Studien zeigen, dass Eltern in ihrer Wahlentscheidung vor allem Rücksicht darauf nehmen, was für ihre Kinder gut ist.

Abschließend fragen wir noch nach ihrer Parteilosigkeit. „Objektiv und neutral“ haben ihr ihre Eltern - beide MarktforscherInnen, wie Dr. Sophie Karmasin später auch selbst – immer mitgegeben. Daher käme eine Parteimitgliedschaft für sie nur schwer in Frage, obwohl sie die Werte der ÖVP teile.

Nach dem Gespräch und der obligatorischen Selfie-Anfrage, der die Ministerin gerne nachkommt, ist die Stimmung unter uns Youth Reportern gelöst. Kein Wunder, hat die Ministerin sich doch Zeit genommen all unsere Fragen zu beantworten, weshalb wir ihr auch gerne das Schlusswort überlassen: „Ich mein‘ wir sind da jetzt ja unter uns… Achso, Sie schreiben ja dann darüber!“

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