Die Wut des kleinen (weißen) Mannes

Politik
Johannes Lang / 19.07.2016

Alles war bereit gewesen für die Restauration der republikanischen Herrschaft. Die Gründe für die knappe Niederlage von 2012 waren analysiert, die Lösung lag für den Parteivorsitzenden auf der Hand. „Wir müssen uns für eine Immigrationsreform einsetzen“, meinte Reince Priebus vor drei Jahren in Reaktion auf das schlechte Ergebnis seiner Partei bei der hispanischen Minderheit. Die Beliebtheitswerte von Amtsinhaber Obama waren im Keller und die demokratische Bewerberin Clinton in eine Reihe von Skandalen verwickelt. Jeb Bush schien für die Republikaner der Mann der Stunde zu sein. Der Favorit des Parteiestablishments stammte aus der mächtigen Bush-Dynastie, vertrat moderate Ansichten und sprach perfekt Spanisch. Nur auf eines hatte die konservative Führungsriege bei ihren klugen Berechnungen vergessen – auf das Volk. Denn das Volk war wütend.

 

 

Der erstaunliche Aufstieg des exzentrischen Immobilienmoguls ist keineswegs eine bloße amerikanische Verrücktheit. In ganz Europa schwimmt eine neue Generation von DemagogInnen auf einer Welle der allgemeinen Unzufriedenheit. Innerhalb weniger Jahre haben sich PopulistInnen einen Platz in der Mitte der kränkelnden westlichen Demokratien erkämpft. Die Trumps und Le Pens der westlichen Welt nützen geschickt Unterschiede innerhalb der Gesellschaft zu ihrem Vorteil. Hier steht das einfache Volk, da die korrupte Elite; hier das einheimische Volk, da gefährliche Fremde. Sie schüren Hass gegen ManagerInnen oder BankerInnen und Angst vor illegalen EinwanderInnen oder TerroristInnen. Warum aber hat einer wie Trump ausgerechnet in den USA Erfolg – der ältesten und vielleicht stabilsten Demokratie der Welt?

 

Die wachsende Ungleichheit im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ hat einen klaffenden Graben zwischen Arm und Reich geschaffen. In keinem anderen entwickelten Land sind Einkommen derart ungleich verteilt. Doch das ist noch nicht alles. Auch der „amerikanische Traum“ ist für weite Teile der Bevölkerung ausgeträumt, die soziale Mobilität in den Vereinigten Staaten so gering wie nirgends sonst. Die Wut auf die reiche Elite schwelt daher schon länger im Herzen des kleinen Mannes, da braucht Trump gar nicht mehr viel zu tun. Ironischerweise gereicht dem berühmten Multimilliardär sein immenser Reichtum dabei allerdings nicht zum Nachteil –ganz im Gegenteil. Angesichts des jetzigen großen Einflusses des Geldes auf das politische System der USA hoffen viele AmerikanerInnen, Trumps Reichtum stelle mache ihn unabhängig von Wahlkampfspenden und Lobbyisten. Dessen ständiges Mantra „das System ist manipuliert“ spricht vielen AmerikanerInnen aus der Seele. Der Zorn der kleinen Leute richtet sich aber nicht nur gegen die wirtschaftliche und politische Macht der Elite, sondern auch gegen deren liberales Wertesystem. Trumps Anhängerschaft besteht sicher nicht nur aus RassistInnen und SexistInnen, seine oft verabscheuungswürdigen Aussagen nehmen sie trotzdem hin. Er sagt zumindest, was er denkt, meinen die Trump-Fans trotzig. Mit der politischen Korrektheit, die sich in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit etabliert hat, können sie nämlich noch weniger anfangen. Schließlich fühlen sich viele einfache AmerikanerInnen vom Politestablishment auch bei einem der wichtigsten innenpolitischen Themen, der illegalen Einwanderung, allein gelassen. Vermutlich nicht ganz zu Unrecht. Denn die beiden traditionellen Großparteien haben in der Tat durchaus Interesse an einem stetigen Zufluss von MigrantInnen. Für die Demokraten ist dieser eine Quelle loyaler Wählerstimmen, für das republikanische Establishment bringt er billiger Arbeitskräfte. Trump hingegen will eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen. Dadurch gewinnt er die Sympathien derjenigen, die fürchten, AusländerInnen könnten ihnen ihre Arbeitsplätze wegnehmen.

 

Mauern baut „the Donald“ auch mit Worten. Mit seiner Devise „Amerika zuerst“ will er die Interessen der weißen Mehrheitsbevölkerung gegenüber Minderheiten und  ImmigrantInnen vertreten. Einwanderung ist für die USA wirtschaftlich wichtig, viele weiße ArbeitInnen ohne College-Abschluss leiden aber unter dem Lohndumping der mexikanischen ImmigrantInnen. Ähnlich verhält es sich mit der Globalisierung: die meisten AmerikanerInnen profitieren von den niedrigeren Preisen für Importgüter, einige verlieren aber durch Outsourcing und ausländische Konkurrenz ihre Jobs. Trump hingegen schert sich nicht um die traditionelle republikanische Freihandelsorthodoxie. Er fordert den Austritt aus der NAFTA und Schutzzölle auf ausländische Waren. Auch bei diesem Thema fühlen sich viele ArbeiterInnen von den Demokraten alleingelassen, unter deren Führung das Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko abgeschlossen und TTIP geplant wurde. „Amerika zuerst“ hätte aber auch einen Paradigmenwechsel in der US-amerikanischen Außenpolitik zur Folge. Die NATO hält der republikanische Präsidentschaftskandidat für eine Geldverschwendung, für kostspielige Abenteuer von der Sorte Irak oder Afghanistan hat er nichts übrig. Im krassen Gegensatz zu der mehr oder weniger aktiven Außenpolitik der letzten zwölf Präsidenten möchte Donald Trump wohl zum Isolationismus der Zwischenkriegszeit zurückkehren, als die Vereinigten Staaten sogar die Teilnahme am internationalen Völkerbund verweigerten. Trump richtet sich aber auch gegen spezifische ethnische Gruppen. Latinos nennt er „Vergewaltiger“, Muslime sind in seinem Weltbild alle „Terroristen“. „Make America safe and great again“, schreibt Donald Trump, “wir müssen Recht und Ordnung wiederherstellen.“ Attentate und Anschläge sind da Wasser auf die Mühlen seiner Angstmacherei. Mit jedem furchtbaren Ereignis wie denen in Orlando und Dallas steigen seine Umfragewerte. Und die „schweigende Mehrheit“, die Trumps Einreisestopp für alle Muslime unterstützt, wächst und wächst. 

 

Trump ist bloß auf dem Papier Republikaner, mit Ronald Reagan oder George W. Bush hat er in Wahrheit nichts gemeinsam. Viel mehr verbindet ihn mit Strache, Farage oder Le Pen, der neuen rechten Internationalen, wie „Die Zeit“ diesen rechtspopulistischen Block kürzlich taufte. Ungleichheit, das politische System und die politische Korrektheit haben die einfachen ArbeiterInnen von der Elite entfremdet. Globalisierung, verstärkte Migration und Terrorismus sind für die Furcht der weißen AmerikanerInnen vor dem Fremden verantwortlich. Donald Trump und seine ideologischen Verbündeten diesseits des Atlantiks schlagen einfache Lösungen für diese komplexen Probleme vor. Lösungen, die für viele Menschen auf der Welt fatale Folgen hätten. Für den kleinen weißen Mann sind diese Vorschläge aber attraktiv. Der in der Vorwahl gescheiterte Jeb Bush und die unpopuläre Hillary Clinton mögen tolerant gegenüber Fremden und loyal gegenüber ausländischen Verbündeten sein. Aber wer kann sich in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation solch hehre humanistische Werte noch leisten? Egal wie die Wahl im November ausgehen wird, 2016 wird nicht das Jahr der republikanischen Restauration sein – womöglich aber der Triumph des Populismus. 

 

 

 

 

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