Erfahrungsbericht Praktikum: Was mir durch Cola Zero und Kaffee bewusst geworden ist

Leben
Melina Sederl / 02.12.2019
Kaffeehäferl Büro

Frau XY, bringen‘s ma bitte eine Wurst-Käse-Semmel und ein Cola Zero!

Gerne Chef, soll ich Ihnen auch wieder einen Apfel schneiden?

Der oben genannte Dialog ist keineswegs aus meinem Gedächtnis entsprungen, um eine passende Einleitung für diesen Text zu gestalten. Solche und ähnliche Gespräche durfte ich bei meinem Praktikum in einem Unternehmen  täglich mitanhören. Wenn ich eines während meiner Ferialarbeit gelernt habe, dann die Tatsache, dass Frauen und Männer in der Arbeitswelt noch lange nicht gleichberechtigt sind.

Der einzige Unterschied, der den obigen Dialog von einem Gespräch aus den fünfziger Jahren unterscheidet, ist wohl der Umstand, dass das Cola Zero zu dieser Zeit noch nicht auf dem Markt war. Genauso wenig gab es wohl Emails, Internetzugang oder Computer. Unser Arbeitsleben hat sich in den letzten Jahren stark verändert, es erstaunt mich wie viele technologische Fortschritte der Mensch errungen hat, während etwas so Wesentliches wie die Gleichstellung der Frau bis heute in der Arbeitswelt unerreichbar ist.

Ich möchte in diesem Artikel keinesfalls das Unternehmen, in dem ich gearbeitet habe, schlecht reden oder meine Erfahrungen zu einer allgemeingültigen Wahrheit erheben, doch mir ist bewusst geworden, dass die Hierarchie in diesem Betrieb auf einem veralteten Rollenbild beruht, das ich in dieser Dimension erst durch meine kurze Berufserfahrung miterleben konnte. Dass dies nicht nur in diesem einen Unternehmen der Fall ist, kann auch durch Zahlen belegt werden.

Frauen sind heutzutage so gut ausgebildet wie nie, der Frauenanteil in der Geschäftsführung betrug 2018 dennoch mickrige 8,4 %. Es braucht eine geänderte Einstellung in unserer Gesellschaft zu Frauen, die Karriere machen. Wieso ist das Wort „Karrierefrau“ ein gängiger, jedoch etwas negativ behafteter Begriff, während das Wort „Karrieremann“ im deutschen Sprachgebrauch nicht einmal existiert? Frauen, die sich auf ihr Berufsleben konzentrieren, werden als Karrieristinnen abgestempelt, während Männer sich meist nicht einmal einen Gedanken machen müsse, wie sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen. Frauen, die eine höhere, berufliche Position anstreben, sollten nicht vor die Wahl zwischen Karriere und Familie gestellt werden und hierbei sind vor allem die Unternehmen selbst gefragt, Maßnahmen zu treffen. Dies betrifft eine Erleichterung der Vereinbarkeit von Beruf und Kindern durch Kinderbetreuung und eine stärkere Miteinbeziehung der Väter. Auch der Staat ist gefordert, für mehr Gleichberechtigung einzutreten. Mit der verpflichtenden Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte größerer Unternehmen wurde ein erster Schritt gesetzt, dem noch viele weitere folgen sollten.

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Die klassischen geschlechterbezogenen Stereotype zeigen sich fast nirgendwo so gut wie im Verhältnis von Sekretärinnen und ihren Vorgesetzten. Kaffee gekocht, ja gesagt und bedient wird weiblich, Entscheidungen getroffen, delegiert und geführt wird männlich. Ich habe täglich mitansehen können, wie die ausschließlich männlichen Geschäftsführer sich von ihren ausschließlich weiblichen Sekretärinnen verwöhnen lassen. Ich glaube kaum, dass ein Konzernchef nicht dazu im Stande ist, sich einen Apfel zu schneiden und daher dazu gezwungen ist, sich wie ein Kleinkind bedienen zu lassen.

Auch ich kam öfters in den Genuss, als Kaffeekocherin und Jausenbringerin für Geschäftsführer zu fungieren. Einige der Personen in Führungspositionen haben anscheinend aber nicht nur das Apfelschneiden verlernt, sondern auch das Danke sagen. Neben der absolut niederträchtigen Aufgabe, täglich Kellnerin ohne Trinkgeld für einen überheblichen Machtmenschen zu spielen, werden viele Sekretärinnen auch täglich mit Unfreundlichkeit konfrontiert.

Der Grundstein des Problems liegt immer noch in der gesellschaftlich verankerten geschlechterspezifischen Rollenvorstellung. Auch die Geschäftsführer in meinem Praktikum haben Kinder – dies hat sie jedoch in keiner Weise in ihrer Karriere eingeschränkt. Bei ihren Sekretärinnen ist das anders, sie arbeiten großteils nur Teilzeit, um für ihre Familie zu sorgen. Das ist natürlich nicht grundsätzlich falsch, jedoch passiert es in vielen Fällen nicht aus freien Stücken, sondern durch einen gesellschaftlichen oder familiären Druck, mehr Zeit in den Haushalt zu investieren.

Wenn die Menschheit ein Ziel erreichen möchte, schafft sie es durch Anstrengungen und Ambition auch meist. Wir waren auf dem Mond, planen unsere Reise auf den Mars und haben unheimlich viele technologische Fortschritte auf der Erde erlebt. Ich denke, wenn UnternehmerInnen und Regierende wirklich an Gleichberechtigung arbeiten und die Rahmenbedingungen dafür schaffen würden, wäre Kaffeekochen und Jause holen keine rein weibliche Rolle mehr. Danach könnte man auch darüber diskutieren, ob diese Tätigkeiten nicht auch von Führungskräften selbst durchgeführt werden könnten.

Quellen:

www.frauenfuehren.at/

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 16.04.2024 bearbeitet.

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