Israel Tag 3: Die Erinnerung bleibt

Youth Reporter in Israel
Sharon Muska / 29.10.2017
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Unglaublich. Es gibt Dinge, die kann man nicht in Worte fassen. Der heutige Tag reiht sich wohl darunter ein – selten zuvor wurde ich in kurzer Zeit mit so vielen Eindrücken überschüttet wie in den vergangenen, wenigen Stunden. Jerusalem – mehr als eine Stadt, nicht zu vergleichen mit anderen gesehenen Orten, reich an Kultur, Religion und Emotion. 
 
Der Tag startet noch in Tel Aviv. Müde, erschöpft und ein wenig verkatert fühlt sich der wenige Meter lange Weg zum Taxi zu Fuß deutlich unbequemer an als er sollte, die Fahrt vergeht schlafend dafür umso schneller. Das Hostel ist schnell gefunden, die Koffer müssen jedoch vorerst im Gepäckraum warten, zum Einchecken sind wir vier Stunden zu früh. Kein Hindernis, denn nach einer kleinen Stärkung machen wir uns bereits auf den Weg durch die Stadt. An jeder Ecke lauert ein neuer Blickfang, die geführte Tour macht es uns vorerst leicht, keine überflüssigen Pausen einzulegen. Joni, unser Guide, gibt uns prägnante Einblicke in die Geschichte Jerusalems, zwischendurch begegnen wir dem amerikanischen Botschafter, umzingelt von Sicherheitskräften. Nach zwei Stunden ist der vorgeschriebene Weg zu Ende, wir gehen auf eigene Initiative weiter. Nicht jedoch ohne zunächst noch typisch israelisch zu essen – bei den meisten von uns landen Falafel und Hummus auf dem Teller.
 
Anschließend geht es weiter mit einem Besuch der Grabeskirche. Und alles davor Gesehene erscheint plötzlich unwichtig. Ich bin kein gläubiger Mensch - wirklich nicht – aber bei den Menschenmassen und den dazugehörigen Bildern und Altaren muss ich einige Male innehalten und die Schönheit und Kraft, die von diesen Momenten ausgeht, wirken lassen. Menschen weinen, trauern, beten. Und finden gleichzeitig inneren Frieden, zumindest scheint es so. Ein beeindruckendes Erlebnis durch und durch – bevor ich die Kirche verlasse, muss ich mich kurz setzen und sammeln. 
 
Dann, nach einem Besuch beim österreichischen Hospiz inklusive heimatlicher Sachertorte, bewegt sich etwas in der Stadt. Shabbat, der Ruhetag im Judentum, beginnt mit dem Sonnenuntergang und mit ihm begeben sich unzählige Menschen zur beeindruckenden Klagemauer. Unter diesen Menschen sind auch wir. Die Tradition besagt, dass auf einen Zettel geschriebene Wünsche in Spalten der Klagemauer gesteckt werden und anschließend in Erfüllung gehen – einen Versuch ist es zumindest wert. Als ich mir den Weg durch die Menschenmassen hin zur Mauer bahne, spüre ich die unbändige Energie, die von den feiernden Leuten ausgeht. Je näher ich zur Klagemauer komme, desto stiller wird es aber. Die Menschen schluchzen, stützen sich an der Mauer. Und als ich ihr ganz nahekomme, kann ich sie alle verstehen. Noch nie zuvor habe ich eine solche Anziehungskraft von einem Ort ausgehend verspürt. Es fällt mir grundsätzlich schwer, Emotionen zu zeigen, aber in diesem Moment reihe ich mich in die Gefühlsausbrüche meiner Mitmenschen ein. Stecke meinen Zettel samt Wunsch in die Wand. Und hoffe, dass er in Erfüllung geht. In diesem Moment bin ich eins mit mir selbst. Dann ist der Zauber vorbei. Aber die Erinnerung bleibt.

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