Rat auf Draht: Who you gonna call?

Engagement
Zulla Ahmetovic / 09.08.2016
Frau bedient Handy

Wenn du Hilfe bei deinen Hausaufgaben brauchst oder euch in der Pause langweilig ist, who you gonna call? Wahrscheinlich Rat auf Draht. Nach meinem Besuch bei „Rat auf Draht“ weiß ich, dass das Team aus 16 PsychologInnen, PsychotherapeutInnen, JuristInnen, PädagogInnen und SozialberaterInnen in ihrer Arbeit mit vielem zu tun hat: Spaßanrufen, Kindern und Jugendlichen, die Fragen zu Themen wie Liebe, Sexualität oder Gewalt und Sucht haben, aber auch mit Anrufen, die von suizidgefährdeten Menschen getätigt werden, kurz nachdem sie sich die Pulsadern aufgeschnitten haben. Für die Notrufstelle für Kinder und Jugendliche und deren Bezugspersonen ist kein Problem zu klein oder zu groß. Sie berät seit 1999 unter der österreichweiten Nummer 147.

 

Am Anfang war der ORF

Die Geschichte von Rat auf Draht reicht aber noch ein bisschen weiter zurück. Am 3.Oktober 1987 strahlte der ORF die erste TV-Sendung aus, welche Probleme im öffentlichen Bereich, die Kinder und Jugendliche betreffen, behandelte. Kinder und Jugendliche konnten anrufen und ihre Anliegen äußern. Es kam zu überraschend vielen Anrufen und einige junge AnruferInnen fingen bald auch an akute, persönliche Probleme anzusprechen. Daraufhin wurde die Telefonstelle „Rat auf Draht“ installiert.

 

Viel mehr als nur Telefonberatung

„Rat auf Draht“ kümmert sich darum, dass Kinder und Jugendliche von 11 bis 24 Jahren aus ganz Österreich, 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr, kostenlos und anonym die Hilfe und Unterstützung bekommen, die sie in ihrer jeweiligen Situation benötigen. Im Jahr 2015 kam es zu 318.060 Minuten telefonischer Beratung. Nach meinem Besuch bei „Rat auf Draht“ weiß ich, dass das nur ein Bruchteil der Arbeit ist, die das engagierte Team tagtäglich auf sich nimmt. Neben der Telefonberatung bietet „Rat auf Draht“ auch eine Chat-Beratung an. Dazu braucht mensch sich einfach nur anzumelden, um mit einer/einem BeraterIn chatten zu können, und das natürlich wieder vollkommen anonym und kostenlos.

Den BeraterInnen von „Rat auf Draht“ ist es wichtig, den Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen und den jungen Menschen betroffenenorientierte Lösungsansätze zu bieten. Das Team versucht, sich in die jeweiligen Lebensrealitäten ihrer AnruferInnen einfühlen zu können, d.h.: sich als österreichisch-katholisch sozialisierte Beraterin in die Situation einer jungen Muslima hineinversetzen zu können. Daher tauscht „Rat auf Draht“ sich oft mit Vereinen aus, wie zum Beispiel dem „orientexpress“, einer Beratungs- und Betreuungsstelle für Frauen mit Migrationshintergrund. Der Erfolg ihrer Bemühungen zeigt sich dadurch, dass schwertraumatisierte Jugendliche sich über Jahre hinweg Hilfe und Unterstützung bei der Notrufstelle holen.

Egal welche Gesinnungen und Meinungen ihre AnruferInnen auch haben, „Rat auf Draht“ möchte nicht nur beraten und helfen, sondern die Kinder und Jugendlichen mithilfe ihrer Website in den verschiedensten Themenbereichen so weit informieren, dass diese sich orientieren und eigenverantwortlich handeln können. Da geht es um Fragen wie: Darf mein/e LehrerIn mir während des Unterrichts mein Handy wegnehmen? Darf ich Nacktbilder, auf denen ich oben bin, einfach so ohne gesetzliche Konsequenzen weiterverschicken? Was darf ich überhaupt online stellen und ab wann verstoße ich gegen Urheberrechte? Der Ansatz von „Rat auf Draht“ dabei ist, nicht einfach nur allgemeine Infos online zu stellen, sondern fundierte, konkrete und vor allem praxis-orientierte Antworten zu geben. Um Jugendliche mit wichtigen Infos wie Datenschutz- oder Gesetzesänderungen erreichen zu können, hat „Rat auf Draht“ jetzt auch eine Broadcast-Liste auf Whatsapp. Broadcast-Listen funktionieren genauso wie Whatsapp-Gruppen, nur dass sich die Mitglieder untereinander und das was sie schreiben nicht sehen können, außer „Rat auf Draht“. Wichtig bei der Broadcast-Liste ist, dass sie nur dazu dient, Jugendlichen schnell auf den neuesten Stand zu bringen! Beratung wird hier nicht angeboten, weil „WhatsApp“ unter Umständen mitlesen könnte.

 

Gruppenfoto

 

Österreich ohne Child Helpline?!

67.516 Kinder und Jugendliche haben im Jahr 2015 die Nummer 147 gewählt, sowie 889.447 die Website von „Rat auf Draht“ besucht. Es gibt also eine Unmenge von Kindern und Jugendlichen, die die Beratung der Notrufstelle durchaus in Anspruch nehmen und brauchen. Umso erschreckender war es für mich bei meinem Besuch im „Rat auf Draht“-Büro zu hören, dass die Notrufstelle in den vergangenen Jahren immer wieder kurz vor dem Aus stand. In so einem Fall würde das bedeuten, dass Österreich eines der einzigen Länder weltweit ohne eine Child Helpline wäre.

Die Anlaufstelle wird von öffentlicher Hand finanziert. Das Bundesland Wien unterstützt „Rat auf Draht“ allerdings nicht, wobei die meisten Anrufe aus Wien kommen. Sonst ist die Helpline auf private Spenden angewiesen. Seit das SOS-Kinderdorf die weiteren Kosten abdeckt, ist der Kampf um den Erhalt von „Rat auf Draht“ um einiges leichter geworden.

 

You know who you gonna call!

Bei „Rat auf Draht“ habe ich 16 engagierte Menschen aus unterschiedlichen Generationen und mit den verschiedensten Backgrounds kennengelernt, die alle ein gemeinsames Ziel haben: Kinder und Jugendliche durch den Wahnsinn, der die Pubertät und das Heranwachsen in unserer unstabilen Welt bedeutet, zu begleiten. Sie investieren so viel Zeit in jeden einzelnen jungen Menschen, der sich mit seinen/ihren Problemen und Fragen an sie wendet. Egal ob es darum geht für schnelle Hilfe in Krisensituationen zu sorgen, oder auch einfach mal darum, miteinander ein Weihnachtslied am Telefon zu singen, damit sich das Mädchen, das an Weihnachten alleine auf seine kleinen Geschwister aufpassen muss, nicht so allein fühlt, auf diese 16 BeraterInnen mit Herzblut können sich junge Menschen und deren Bezugspersonen verlassen.

@jugendportal auf Instagram

Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

Partner