Über Initiationsriten und Interviews

Politik
Barbara Strasser / 28.09.2016
Youth Reporter treffen BM Sophie Karmasin

Fünf mutige Youth-ReporterInnen, inklusive mir selbst, durften sich am 26. Juli „dem journalistischen Initiationsritus“ stellen, um auf die nächste Stufe des JournalistInnendaseins aufzusteigen: Ein Interview mit einer Politikerin.

Um nicht zu übertreiben, wir wurden in den Olymp des Schreibens aufgenommen und dürfen nun ohne falsche Bescheidenheit sagen, dass wir nun zu dem Kreis von Menschen gehören, die von sich selbst behaupten dürfen, einer der wichtigsten Vollzeitentscheidungsträgerinnen des Landes in die Augen geschaut zu haben, um ihr anschließend Fragen über ihre Arbeit zu stellen. Doch, wie man so schön sagt, ist der Weg das Ziel; beginnen wir also von Anfang an.

 

Die erste Hürde alias Pünktlichkeit

Um ein ernster Top-Journalist oder Top-Journalistin zu sein, ist es wichtig pünktlich zu erscheinen. Vier von uns Youth-ReporterInnen haben diese erste Schwierigkeit mit Bravour gemeistert. An dieser Stelle muss ich eingestehen, dass ich die Einzige war, für die das rechtzeitige Erscheinen ein Problem darstellte. Meine guten Ambitionen, die mich eine Viertelstunde früher hätten dort sein lassen, wurden von einer noch zu Hause eingeprägten, mich zum alten und jetzt falschen Standort des Ministeriums führenden Google-Maps-Route und einem ständig abstürzenden Handy durchkreuzt. Der Versuch nach dem Weg zu fragen glückte erst beim geschätzt 20. Mal. So kam ich, zwar mit ein paar Schweißperlen mehr als nötig gewesen wären, aber trotzdem pünktlich genug an.

 

Phase zwei: ruhig bleiben

Gerade noch aufgewühlt von dem Gedanken des Zu-spät-Kommens bzw. Nicht-Ankommens, steht man nach einer ein bisschen peinlichen, aber trotzdem herzlichen Begrüßung im Lift, wo einem noch guttuende Worte eingeflößt werden, die zum Durchatmen und Runterkommen auffordern. Danach setzten wir uns alle in einem Vorraum auf eine Couch und tun, was man als Profi so tut. Noch einige Details des bevorstehenden Interviews besprechen, die Fragen durchgehen und innerlich versuchen keinen Pakt mit dem Teufel zu schließen, damit die Szenarien, die man versucht sich nicht auszumalen, nicht eintreten. Äußerlich scherzt und lacht man, aber gedanklich fragt man sich, ob man überhaupt noch weiß, wie man Hochdeutsch spricht? Oder ob bei diesem und jenem Satz Dativ, Akkusativ oder doch Genitiv richtig ist? Wie intelligent man mit diesen Fragen wirkt und ob man sich nicht besser hätte vorbereiten sollen? All diese Gedanken schwirren im Kopf herum und bevor einem noch Schlimmeres einfällt heißt es: Es geht los.

 

Phase drei: das Interview

Man schüttelt Hände, stellt sich vor, setzt sich und schenkt sich aus Angst, die Hände könnten nichts zu tun haben, erst einmal ein Glas Wasser ein. Nun ist man an dem Punkt angelangt, an dem entschieden wird, ob man die Prüfung besteht oder nicht. Lächeln, ein letztes Mal noch durchatmen und der Vorhang fällt.

 

Anna Morandini: Haben Sie in Ihrem Mitarbeiterteam mehr Frauen als Ihre männlichen Kollegen und unterscheidet sich Ihr Arbeitsstil?

Sophie Karmasin: Ja, wir haben mehr Frauen und brauchen fast eine Männerquote (lacht) und wir sind das Einzige ÖVP-Ressort mit einer Frau als Kabinettchefin. Auch schon in meiner beruflichen Vergangenheit habe ich sehr gerne mit Frauen zusammengearbeitet, nicht weil sie Frauen sind, aber weil sie ein bisschen anders arbeiten – effizient, teamfähig, kommunikativ. Grundsätzlich arbeite ich gerne mit Frauen zusammen.

Julia Wendy: Haben Sie sich in unserer teilweise sehr männerdominierten Politik jemals diskriminiert gefühlt, weil Sie eine Frau sind?

Sophie Karmasin: Ja. Als Selbstständige oder Eigentümer eines Familienunternehmens habe ich das nicht erfahren. Früher als ich bei einem Großkonzern gearbeitet habe, habe ich das schon gespürt und in der Politik spüre ich das sehr stark.

Felix Stippler: Und wie hat sich das konkret geäußert?

Karmasin: Das ist ein schwieriges Thema. Heutzutage sagt einem keiner mehr ins Gesicht, dass etwas uninteressant ist, weil man eine Frau ist. Es wird einfach sehr unterschwellig vermittelt. Das lässt sich nicht an einer Situation oder an einer Antwort festnageln. Es wird etwas überhört oder nicht wahrgenommen oder Argumente werden nicht gelten gelassen.

Barbara Strasser: Was muss eine Frau tun bzw. wie muss sie sein, um als Politikerin erfolgreich zu sein? Muss sie eventuell besser oder stärker sein als ihre männlichen Kollegen oder gibt es da keine Unterschiede?

Karmasin: Ja, es gibt auf jeden Fall Unterschiede. Man muss ein dickes Fell haben, Durchhaltevermögen und man muss für seine Prinzipien einstehen und das wahrscheinlich noch konsequenter und zielstrebiger als Männer es tun.

Julia Wendy: Welche Tipps haben Sie für junge Frauen, die in der Politik Fuß fassen wollen?

Karmasin: Für sich selber definieren, worum geht es mir, für welche Themen brenne ich. Zwei oder drei Themen auswählen, bei denen man etwas verändern, umsetzen oder für Österreich gestalten möchte. Und dabei nicht locker lassen, sich einbringen, laut sein, auffallen, Verbündete suchen.

Sharon Muska: Derzeit gibt es nur wenige Nationen, die eine Frau als Regierungschefin haben darunter sind aber sehr große Industrienationen wie etwas Deutschland und Großbritannien, glauben Sie, dass diese Staaten vielleicht ein Vorbild für andere sein können?

Karmasin: Ja, je mehr Beispiele es gibt, desto leichter ist es für andere, das auch zu realisieren. Es muss noch einiges im Sinne der Offenheit passieren. Beim Ablegen der Rollenklischees muss es möglich sein offen über Vorurteile und Stereotypen zu diskutieren, um diese auch zu ändern; laut Umfragen sind diese noch sehr tief in uns verankert. Und wir brauchen auch junge Menschen, die dafür kämpfen.

 

Endphase: Verabschiedung und Abschluss

Die Zeit ist um und alle Fragen wurden gestellt. Was folgt, sind ein paar nette Worte, ein bisschen Smalltalk und natürlich, um klarzustellen, dass wir noch immer zu der Gattung „Jugendliche“ und noch nicht ganz zu „seriöse Qualitätsjournalisten, für die ein Interview mit einer Politikerin ganz normal ist“ gehören, natürlich ein fröhliches Selfie.
 

An diesem Tag gingen wir als „einfache Jugendliche“ in das Familien- und Jugendministerium hinein, und heraus kamen wir, überraschenderweise als dieselben, einfachen Jugendlichen, nur mit einem Unterschied. Wir wurden um eine Erfahrung reicher und haben nun eine Geschichte mehr zu erzählen.

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 23.04.2024 bearbeitet.

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