Vegetarismus im Sport. Geht das?

Leben
Elias Bernhard / 12.02.2020
Hantel liegt mit Gemüse auf einem Tisch

„Kein Wunder, dass du heut den Ball nicht gefangen hast“. „Kannst du überhaupt den Ball noch aufheben?“ Solche und noch viele weitere ironische Kommentare musste ich mir in unserer kleinen Runde beim gemeinsamen „Chilli con Carne“ in der Vereinskantine nach einem eher mäßigen Fußballspiel meinerseits anhören. Grund dafür war eine Käsesemmel, die statt des Chillis auf dem Teller vor mir lag. Verdutzte Blicke trafen mich, als ich erstmals erklärte, dass ich Vegetarier sei. Damit bin ich der Einzige in unserer Mannschaft und den Reaktionen zu Folge auch der Erste im Verein. „Du isst ja dann viel zu wenig Eiweiß. Wie sollen dann deine Muskeln wachsen?“ Mit möglichst viel Ruhe versuchte ich meine Situation zu erklären und versicherte, dass es auf jeden Fall genug pflanzliche Eiweißquellen gebe. Auf Verständnis stoße ich dabei nicht und ich war eigentlich froh als die (wie immer) „schlechte“ Schiedsrichterleistung wieder Thema war.

Männer und Sportler essen Fleisch. Denn Fleisch hat viele Proteine und diese brauchen die Muskeln um zu wachsen. Und ein Mann ohne Muskeln ist kein… 

Eigentlich dachte ich mir, dass diese Denkweise aus den Köpfen der meisten Sportler verschwunden sei, doch gerade das Erlebnis in der Kantine hat mich auf den harten Boden der Realität zurückgeholt. Der Fleischkonsum als Teil der österreichischen Gesellschaft ist nicht wegzudenken, doch ein wenig mehr Verständnis hätte ich mir schon erwartet. Denn gerade unsere Vorbilder, wie der WM-Final-Torschütze Mario Götze, ernährt sich ohne Fleisch. Der Fußballer ernährt sich nach eigenen Angaben zu Hause nur vegan, greift nur notfalls auf Auswärtsfahrten auf Fleisch zurück. FlexitarierInnen gibt es im Leistungssport viele, doch auch in den letzten Jahren ist der Umstieg auf eine alternative Ernährungsform zu beobachten.

Diese Entwicklung lässt sich auch in der im September 2019 erschienen Dokumentation namens „The Game Changers“ beobachten. Der UFC-Kämpfer James Wilks setzt sich im Rahmen seiner Verletzung mit verschieden Ernährungsformen auseinander, die womöglich seine Genesung schneller vorantreiben könnten. Während seiner Recherchen stößt er auf eine Studie über die römischen Gladiatoren, welche besagt, dass die großen Kämpfer wenig bis kaum Fleisch aßen. Immer noch der Überzeugung, dass es tierisches Protein bräuchte, um seine maximale Leistung erbringen zu können, beschäftigt er sich nun mehr mit pflanzenbasierten Ernährungsformen. Bei seiner Reise um die Welt trifft er viele Größen im Leistungssport, wie unter anderem Formel 1 Weltmeister Lewis Hamilton, Bodybuilding-Legende Arnold Schwarzenegger und den „stärksten Mann Deutschlands“ Patrik Baboumian und spricht über ihre Ernährung. Alle haben eines gemeinsam, sie ernähren sich mittlerweile größtenteils vegan oder verzichten zumindest auf Fleisch.

Der stärkste Mann der Welt ist Veganer

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Der Kraftsportler Patrik Baboumian hält diverse Weltrekorde in verschieden Kategorien und zählt zu den stärksten Menschen der Welt. Diese ganze Kraft bezieht er aus seiner rein veganen Ernährung. Auf die Frage wie er den so stark wie ein Ochse werden konnte ohne Fleisch zu essen antwortet er: „Have you ever seen an ox eating meat“? Damit spielt er auf die Entstehung des tierischen Proteins an, welches eigentlich aus Pflanzen stammt. Das Tier fungiert nur als Mittelmann zwischen der Pflanze und dem Menschen. Auf dem Weg gehen jedoch viele Antioxidantien und Ballaststoffe verloren während sich Pestizide und Quecksilber im Körper konzentrieren und sich hochentzündliche Verbindungen, wie die Sialinsäure Neu5Gc bilden. Diese trägt unter anderem zu erhöhten Krebsrisiko bei. Lange wurde tierisches Protein als das qualitativ hochwertigste angesehen, da „nur“ jenes alle essentiellen Aminosäuren enthält, die der Körper selbst nicht herstellen kann. Pflanzen enthalten, jedoch auch alle benötigten Aminosäuren nur in geringeren Portionen. Diese zerlegen sich im Körper und werden bei Bedarf zu Verfügung gestellt. Die Dokumentation zeigt, dass es für die Herkunft der Aminosäuren für den Muskelaufbau völlig irrelevant ist, solange genügend dem Körper zugefügt werden. In weiteren Gesprächen mit Ernährungs,- Gesundheits- und SportexpertInnen kam James Wilks zum Ergebnis, dass eine pflanzenbasierte Ernährung neben den bekannten umwelttechnischen Vorteilen auch gesundheitliche und leistungssteigernde Verbesserungen bei vegetarischen und veganen Athleten mit sich bringt.

Könnte eine vegane Ernährung aus mir einen besseren Torwart machen? Über die Ergebnisse war ich selbst sehr überrascht und wollte es zuerst nicht glauben. Wurde uns jahrzehntelang durch Industrie und Marketing ein so falsches Bild über Fleisch im Sport vermittelt? Ist ein Umschwung im Leistungssport wie am Beispiel von Tennis-Star Serena Williams und Fußballer Serge Gnabry, welche zumindest zeitweise vegan leben, erkennbar? Ob sich die neue Ernährungsform durchsetzen wird, werden die kommenden Jahre zeigen.

Zwar bin ich aus ethischen und umwelttechnischen Gründen zum Vegetarismus gekommen, doch über die ein oder andere Parade mehr im Tor würde ich mich auch freuen. Bisher konnte ich noch nicht mit einer erheblichen Leistungssteigerung glänzen. Doch bin ich der Überzeugung, dass der Wandel der Ernährungsformen in den nächsten Jahren bestimmt auch meine kleine Vereinskantine erreichen wird.

 

 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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