Was geht eigentlich in Polen ab?

Politik
Sarah Emminger / 15.10.2019
Polen / Demo

Wie eine homophobe Partei im 21. Jahrhundert die absolute Mehrheit bei Parlamentswahlen erreicht

Homosexuelle seien eine Bedrohung für das Land. Diese Aussage stammt vom Chef der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski. Bei den Parlamentswahlen am Sonntag wurde die PiS wieder mit Abstand zur stimmenstärksten Partei gewählt. Wie kann das sein?

Mit einem Ergebnis von 45,8 Prozent hat die rechtsnationale PiS einmal mehr die absolute Mehrheit im polnischen Parlament erreicht und wird wie in den vergangenen Jahren allein weiterregieren. Optimistische OppositionsanhängerInnen dürften darüber enttäuscht sein, stand doch die Hoffnung im Raum, dass die PiS zumindest einen Koalitionspartner zum Regieren braucht. Die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) kommt als größtes Oppositionsbündnis lediglich auf 25,4 Prozent der Stimmen.

Wie kam es zu diesem Ergebnis?

An einem Sieg der PiS bei diesen Wahlen hat wohl keiner gezweifelt. In den Umfragen war sie stets an erster Stelle, obwohl sie einen streng nationalistischen Kurs verfolgt und als rechtsautoritär gilt. Noch immer ist die Partei eng mit der katholischen Kirche verknüpft und so wurden Themen wie Abtreibung und Homosexualität im Wahlkampf verteufelt. Der Krakauer Erzbischof warnte vor der „regenbogenfarbenen Pest“. Die Ehe für alle sei „mit der Offenbarung unvereinbar“.

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Die Regierung versucht, Polen gänzlich unter ihre Kontrolle zu bringen. Viele Medien wurden bereits unter Druck gesetzt und berichten jetzt nur noch gut über die PiS. Vor allem im staatlichen Fernsehen sind Oppositionsparteien entweder gar nicht mehr oder nur in negativem Zusammenhang zu sehen. Auch die Justiz sollte auf Kurs gebracht werden, was zum Teil durch eine einstweilige Verfügung der EU verhindert werden konnte.

Was die Menschen dazu bringt, über all das hinwegzusehen? Die Partei versprach ihnen im Wahlkampf Geld, und zwar sehr viel Geld. Kaczynski ließ das Kindergeld erhöhen und kündigte an, auch den Mindestlohn anzuheben. Außerdem will er eine 13. Monatsrente für PensionistInnen einführen und jüngere Polen mit einem Einkommen unter 20.000 Euro von der Lohnsteuer befreien. Geschätzt werden die Kosten auf umgerechnet etwa 10 Milliarden Euro, die für die PiS finanzierbar seien, während die Opposition die Wahlversprechen als unrealistisch und schlichtweg nicht machbar sieht.

Was das Ergebnis vom Sonntag bedeutet

Auf den ersten Blick scheint sich nicht viel getan zu haben. Die Regierungspartei war diesmal sogar noch stärker als bei den letzten Parlamentswahlen. Kaczynski wird wohl auch in der kommenden Amtsperiode als Fädenzieher im Hintergrund agieren und kein offizielles Amt ausüben. Dennoch gilt er als mächtigster Mann im Staat und kann vor allem in Sachen Postenschacherei viel mitreden. Auch eine Verbesserung der Beziehung zwischen Polen und der EU scheint mit diesem Wahlergebnis nicht in Sicht zu sein. Aufgrund der Justizreform, mit der Polen auf die Judikative im Staat zugreifen wollte, hat die EU ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen eingeleitet. Auch eine Kürzung der hohen EU-Fördergelder, von denen Polen stark profitiert, ist in Brüssel denkbar. Das liegt unter anderem an der Asylpolitik Polens, denn die Aufnahme von Flüchtlingen wird in Warschau weiterhin abgelehnt.

Etwas hat sich aber mit Sonntag schon geändert: die Opposition ist bunter geworden. Ein linkes Bündnis aus drei Kleinparteien, die alle 2015 einzeln antraten und an der 5 Prozent-Hürde scheiterten, sind gemeinsam drittstärkste Kraft geworden. Auch die rechtsextreme Partei Konfederacja, deren Chef immer wieder mit homophoben und rassistischen Äußerungen auf sich aufmerksam macht, schaffte den Einzug ins Parlament.

Polen ist also gespalten. In den Städten und im Westen sind die Menschen eher auf Seiten der Opposition, während in ländlichen Gebieten und im Osten die PiS dominiert. Wie es in den nächsten Jahren weitergeht, wird sich zeigen. Wenn auch Polen von einer wirtschaftlichen Stagnation betroffen ist, werden die Wahlversprechen aber in jedem Fall zu einem großen Problem für Kaczynski und seine PiS.

 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 16.04.2024 bearbeitet.

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