Was kann ich tun, um Radikalisierung zu verhindern?

Engagement
Clara Porak / 07.06.2016
Frau am Tisch mit Block und Kuli

Als Ahmed aufstand, breitete sich Stille im Raum aus. Er schaute nervös zu Boden und begann dann mutig seine Geschichte zu erzählen. Es ist eine jener Geschichten, die eigentlich von niemandem erzählt werden können, außer von denen, die sie erlebt haben. Und zu ihnen gehörte Ahmed. Sein Bruder war es nämlich, der nach Syrien ging um für den ISIS zu kämpfen. Wenige Monate später starb er.

„Warum“, schienen seine braunen Augen zu fragen und erinnerten jeden Teilnehmer und jede Teilnehmerin, warum er/sie das Meeting der RAN am 1. und 2. Juni in Wien besuchte.

Die RAN (Radicalisation Awareness Network) ist ein Netzwerk von Menschen aus der ganzen EU, die Maßnahmen ergreifen, um Extremismus und Vorurteile zu verhindern bzw. zu bekämpfen und zu einer toleranteren Gesellschaft beizutragen. Diesmal hatten sie sich entschieden, junge Menschen gemeinsam mit ihren SpezialistInnen einzuladen, um herauszufinden, ob eine „YoungRAN“ notwendig ist und was sie tun sollte. Obwohl dies das Ziel des Treffens war erfuhren auch alle Teilnehmenden viel Neues über interessante Projekte in ganz Europa, die versuchen, Extremismus sowie Denkweisen, die diesen bewirken, zu bekämpfen.

Aber was kannst du tun? Was kann ein normaler junger Mensch in Europa tun, um Terrorismus, Hass, Radikalisierung und Leid, das Menschen wie Ahmed zustößt, zu verhindern?

Die Antwort ist einfach und doch zu komplex, um eine zu sein. Im Folgenden findest du einige Vorschläge.  

Informiere dich.

Während ich an der RAN-Sitzung teilnehmen durfte, erfuhr ich, dass man um Radikalisierung zu verhindern, zuerst verstehen muss, warum (junge) Menschen sich zu extremen Ansichten hingezogen fühlen. Die Gründe sind nämlich so vielfältig wie die Menschen, die sich radikalisieren. Einige wurden jedoch während des Events besonders thematisiert:

Das Treffen begann mit einem „IC-Thinking-Taster“. IC Denken meint die Art, wie wir die Wirklichkeit wahrnehmen. Jemand mit niedrigem IC sieht nur schwarz und weiß, Gut und Böse, während jemand mit hohem IC in der Lage ist, zwischen vielen verschiedenen „Schattierungen von Grau“ zu unterscheiden und zu verstehen, dass die Motive für spezifische Handlungen komplexer sind und diese daher nicht einfach als „gut“ oder „böse“ beurteilt werden können. Eine Person mit radikalen Ansichten sieht die Welt mit extrem niedrigem IC. Erfahre mehr dazu: www.iseescottland.org.uk

Bei dem Besuch von Werner Prinjakowitsch Jugendzentrum „5erhaus“ in Wien, nannte eine Jugendarbeiterin, die seit über 20 Jahren mit Kindern und jungen Erwachsenen arbeitet, einen anderen Grund, warum junge Menschen, vor allem Mädchen, sich radikalisieren könnten: Das starre Schwarz-Weiß-Denken schafft einen Kontrast und eine einfachere Möglichkeit zu unserer komplexen, vielleicht zu freien Welt. Außerdem sind radikale Ansichten, so zum Beispiel die radikaler Muslime, eine Art, dem Schönheitsideal unserer Gesellschaft und dem damit verbundenen Druck zu entfliehen. Wenn man beispielsweise eine Burka trägt, muss man sich keine Sorgen um Cellulite, seine Frisur oder Make-Up machen. Das schafft eine Art von Freiheit, die zwar paradox erscheinen mag, aber doch vorhanden zu sein scheint, meint die Sozialarbeiterin.

Ein weiterer Grund, warum jemand radikale Ansichten annehmen könnte, ist das Gefühl, nicht in der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Dies gilt besonders häufig für Menschen, die anders zu sein scheinen und nicht das Gefühl von Zugehörigkeit zu einer Gruppe haben. Wenn man also versucht Radikalisierung zu bekämpfen, ist es wichtig, dass sich jeder willkommen und akzeptiert in der Gesellschaft fühlt.

Sei tolerant und sei dir sicher, dass du akzeptiert wirst.

3 Schüler präsentieren ihr Projekt

Drei SchülerInnen aus Belgien präsentierten ein Projekt, an dem sie an ihrer multikulturellen Schule teilgenommen hatten. Ziel war es, Menschen durch die Kunst zu verbinden. Ein Teil davon waren Interviews mit MigrantInnen und Flüchtlingen durch die die SchülerInnen ihre verschiedenen Geschichten erfuhren. Außerdem hatten sie einen Workshop-Tag, an dem sie ein Stück mit dem Titel  „Wer bin ich?“ schrieben und aufführten, um sich über ihre Identität und ihren Platz in der Gesellschaft klar zu werden.

Andere Gruppen malten ein Bild, das ihre Träume darstellen sollte, um sich akzeptierter zu fühlen und toleranter zu werden. Hier ist das Bild von Hamza, einem der Schüler:

Bild eines Schülers

Ein weiteres Projekt ist das „100 Stimmen“-Projekt, das aus Belgien kommt. Die Idee dahinter ist, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, gehört zu werden und ihnen eine Chance zu ermöglichen, ihre Gefühle und Meinungen zum Ausdruck zu bringen, damit sie sich akzeptierter fühlen.

Projekte wie diese könnten helfen Radikalisierung von Menschen zu verhindern, da Menschen, die sich als Teil einer Gruppe/Gesellschaft fühlen, sich weniger wahrscheinlich zu extremistischen Ansichten hingezogen fühlen.

Bleib offen gegenüber neuen Menschen und Erfahrungen.

Sei selbst Teil der Veränderung unserer Denkweisen, was geschehen muss, um Radikalisierung zu stoppen: Bleib offen für neue Ideen und Begegnungen und bekämpf sowohl die Vorurteile in deinem eigenen Kopf als auch die der Menschen um dich herum. Denn letztendlich kann Extremismus nur gestoppt werden, wenn mehr Dialoge zwischen Menschen mit unterschiedlichen Meinungen entstehen. Also warum nicht jetzt hier und bei dir beginnen?

Schülerin beim Vortrag mit Mikrofon   3 SchülerInnen beim Vortrag

Mach mit!

Es gibt viele fantastische Projekte, die sich gegen Radikalisierung engagieren: Einige von ihnen durfte ich durch dieses Treffen kennen lernen.

Als die SchülerInnen des „College of Europe“ in Brüssel herausfanden, dass schätzungsweise 71.000 Menschen im Westen „bereit sind sich zu radikalisieren“, beschlossen sie Jugendliche über das Thema aufzuklären. Mit ihrem Projekt „EUUNITED“ wollen sie sich auf die Aufklärung über die Macht der sozialen Netzwerke konzentrieren. Unter anderem produzierten sie ein Video namens „Swipe left“, das Radikalisierung und ihre Hintergründe thematisiert. Durch ihr Projekt versuchen sie, junge Menschen zu befähigen, andere zu inspirieren.

Eine junge Frau aus den Niederlanden präsentierte außerdem ihre Online-Kampagne, die hofft dazu beizutragen, „Islam normal zu machen“. Sie heißt „# giveitup4“ und lädt muslimische und nicht muslimische TeilnehmerInnen ein, eine Gewohnheit während des Fastenmonats Ramadam aufzugeben. Ziel ist es, mehr Dialog zu schaffen und Menschen zu verbinden in dem sie über Dinge sprechen, die sie gemeinsam haben. So soll Unwissenheit bekämpft werden und sie können sich durch gemeinsame Werte näher kennenlernen. Werde Teil der Bewegung: www.facebook.com/GiveItUp4

Egal, ob du dein eigenes Projekt starten oder Teil von einem der Beschriebenen werden willst: Die Möglichkeiten sind endlos! Teile deine Ideen und lass dich durch Webseiten wie YOUTHCAN inspirieren. Die GründerInnen dieser Plattform wollten einen Ort schaffen, um es jungen AktivistInnen zu ermöglichen, ihre Ideen zu teilen und von anderen zu lernen.

Und: Lust mitzumachen? Los geht´s! Werde kreativ und setze deine eigenen Ideen um!

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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