Wie weit darf Trash TV gehen?

Kultur & Events
Sarah Maly / 05.05.2020
Wie weit darf Trash TV gehen?

Warum wird Trash TV eigentlich so gerne angesehen?

Intime Geständnisse, emotionale Ausbrüche und Streitereien sind Teil von Trash TV und ziehen ein Millionenpublikum an. Die perfekte Möglichkeit für das Publikum, den Kopf auszuschalten, wenig Anspruchsvolles anzusehen und dem stressigen Alltag zu entliehen. Außerdem bekommen die Zuseher und Zuseherinnen durch Votings das Gefühl von Macht. Schadenfreude und ein Überlegenheitsgefühl gegenüber den leidenden Reality-TV-Teilnehmer und Teilnehmerinnen spielen auch eine Rolle.

Aber wie weit darf Trash TV zur Unterhaltung der Massen gehen?

Bestes Beispiel, um über diese Frage nachzudenken, ist die Sendung „Promis unter Palmen – Für Geld mache ich alles“. Das Konzept der Sat.1-Show ist leicht erklärt: 10 mehr oder weniger bekannte deutsche TV-Persönlichkeiten leben gemeinsam in einer thailändischen Villa und kämpfen in unterschiedlichen Spielen gegeneinander, um am Ende mit EUR 100.000,- heimzukehren. Drama darf dabei natürlich nicht fehlen. Sat.1 legte mit Marktanteilen zwischen 15,3% und 20,8% in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen einen vollen Erfolg hin. In der vorletzten Folge der Staffel kam es allerdings zum Eklat, der in den Medien hohe Wellen schlug.

Mobbing Live

Carina Spack, Matthias Mangiapane und Bastian Yotta, alle aus diversen anderen Reality-Shows bekannt, mobbten die 58-jährige Claudia Obert aus der Villa. Zum Einen wurde Spack auf primitivste Art und Weise (knisternde Chipstüten, Gekicher und lautes Klopfen) vom Schlafen abgehalten und desweiteren mit Worten erniedrigt. Es fielen unter anderem folgende Aussagen: "Weißt du, was wir alle haben, was du nicht hast? Jemanden zuhause, der sich freut, wenn wir zurückkommen", "Hast du einen Schlaganfall? Passt ja zum Alter" und Schimpfwörter wie „Hure“, „Eiterpickel“, „Vieh“ und „Hohlbratze“. Damit brachten sie Claudia Obert zuerst zum Weinen und anschließend zum freiwilligen Auszug aus der Villa.

Lediglich Tobias Wegener erkannte die Situation und tröstete sie. Die Sticheleien und verbalen Attacken gegen die 58-Jährige hat es dabei bereits von Beginn an gegeben, dies stellte lediglich den Höhepunkt dar. Allerdings blieb es nicht nur bei verbalen Angriffen. Zu Beginn der Staffel wurde Désirée Nick, die auch anderen schonungslos ihre Abneigung mitteilte und durch Gehässigkeit glänzte, gegenüber Claudia Obert sogar handgreiflich.

Folge 5, in welcher das Mobbing seinen Höhepunkt fand, wurde aus der Sat.1 Mediathek entfernt und wird von der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) geprüft. Zudem hat Gewaltpräventionsexperte Carsten Stahl Strafanzeige gestellt, wie er auf seinem Instagram-Account erklärt hat.

Fragwürdiger Umgang mit Alkohol

Im Gegensatz dazu wurden andere, ebenso kritisch zu betrachtende Themen, kaum aufgegriffen. Neben Mobbing sollte ebenso darüber nachgedacht werden, inwiefern Alkoholkonsum als Unterhaltung präsentiert werden darf. Eben jene Claudia Obert, Modeunternehmerin und mehrfache Realtity-TV-Teilnehmerin, wurde in der Sendung verhältnismäßig oft beim Alkoholtrinken oder im betrunkenen Zustand gezeigt. Begeistert hat sie das Publikum vor allem mit ihren Sprüchen und der Tatsache, dass sie mit einem Glas Alkohol im Pool schwamm.

Sätze wie „Nüchtern halte ich das hier nicht aus! No dope, no hope!“ oder „Einmal im Jahr muss ich einen alkoholfreien Tag machen“ bleiben besonders in Erinnerung. Zahlreiche Memes wurden kreiert und sie wurde genau dafür gefeiert. Nicht vergessen werden darf aber, dass Alkohol fatale Folgen haben kann. Neben einer Abhängigkeit und dem Auslösen zahlreicher schwerer Erkrankungen, kann übermäßiger Alkoholkonsum bis zum Tod führen, wie es laut der WHO jährlich bei drei Millionen Menschen der Fall ist.

Sexuelle Übergriffe

Ein weiteres ernst zu nehmendes Thema wurde in den Medien ebenfalls kaum erwähnt. Ebenso mit in der Villa in Thailand war Ronald Schill, ehemaliger zweiter Bürgermeister und Innensenator von Hamburg und mittlerweile auch mehrfach in Reality-TV-Shows zu sehen gewesen. Dieser fiel besonders dadurch auf, das Thema Sex in den Vordergrund zu bringen. Schill prahlte in der Sendung mit seinen Frauengeschichten aus seiner Richterzeit und fragte die anderen Kandidaten unangenehm detailliert über deren Sexleben aus. Damit jedoch nicht genug.

Der 61-Jährige hatte es vor allem auf die deutlich jüngeren Frauen abgesehen und diese offen vor den Kameras sexuell belästigt. Vollkommen ungeniert griff er ihnen auf die Brüste oder an den Hintern. Promi-Big-Brother-Gewinnerin Janine Pink streichelte er mehrfach das Bein hinauf bis in den Schritt, obwohl sie seine Hand immer wieder wegschob. Keiner der Anwesenden mischte sich auf irgendeine Art ein. Die einzigen Reaktionen waren ein Lachen und die Abstempelung als „Lustmolch“.

Von einem Fernsehsender ausgeladen, beim anderen eingeladen

Sat.1 strahlte sämtliche Vorkommnisse in der Villa ohne einen Kommentar aus. Wolfgang Link, Vorstand im Bereich Entertainment, schätzt die Sendung so ein: "Ist man mit 'Promis unter Palmen' bis an die Grenzen gegangen? Ja. Geht das Format zu weit? Nein". Gewinner der 100.000 Euro ist übrigens Bastian Yotta. Von diesem hat sich Sat.1 mittlerweile distanziert, nachdem frauenfeindliche Videoaufnahmen an die Öffentlichkeit gekommen waren, wo er beispielsweise Folgendes meint: „Ich finde, eine Frau hat drei Öffnungen, und wir Männer haben das Recht, alle drei zu benutzen. So wirst du die Frau dazu überreden, sich in den A**** fi**** zu lassen. Und wenn nicht – dann fi** halt ihre Freundin in den A****. Ich finde ganz ehrlich, eine Frau hat sich in den A**** zu fi**** zu lassen, das ist meine persönliche Einstellung.“

Am 6. Mai kommt es auf Sat.1 zu einer letzten Aussprache für „Promis unter Palmen“ ohne Bastian Yotta. Der Rivale RTL lud ihn in eine Talkshow ein.

Mobbing, häufiger Alkoholkonsum und sexuelle Belästigung sind für die Betroffenen und deren Umfeld meist eine schwere Belastung. In dieser Sendung werden all diese Themen verwendet, um das Publikum zu unterhalten, was aus moralischer Sicht definitiv zu hinterfragen ist. Vor allem die Art und Weise der Präsentation spielt eine entscheidende Rolle. Auch wenn es wichtig ist, dass derartige Themen in der Öffentlichkeit angesprochen werden, darf niemand darunter leiden und es soll auch kein falsches Bild, dass dies etwa ein Normalzustand sei, vermittelt werden.
 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 23.04.2024 bearbeitet.

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