Zukunft oder Plage

Wissen
Caroline Gritsch / 28.03.2017
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Ich erinnere mich an einen Urlaub am Meer.  Wann das war, weiß ich nicht mehr, aber es ist lang genug her, um es als die Phase beschreiben zu können, in der ich wie so viele andere Kinder wissbegierig und motiviert war, wie ich es wohl nie wieder sein werde.
Am ersten Abend habe ich beim Spielen am Meer etwas entdeckt, was ich so noch nie gesehen habe: Winzig kleine Kugeln aus Sand, die eine eigene dünne Schicht über dem eigentlichen Strand bildeten. Nach dieser Entdeckung habe ich jeden Tag im Sand verbracht und untersucht, woher denn diese komischen kleinen Kugeln kommen.
Die eigentlich sehr einfache Antwort: Sie sind das Nebenprodukt der Nahrungsaufnahme von kleinen Krebsen.

Ein so simples Naturphänomen hat mich so sehr begeistert, dass ich Tag und Nacht nur mehr daran denken konnte. Da war klar: Wenn ich groß bin werde ich Meeresbiologin.
Voller Euphorie habe ich den ersten Tag des Gymnasiums herbeigesehnt.

 

Die Problematik an Dingen, die einen faszinieren ist, dass man erwartet, dass die wohl so allwissende Person, die da im Unterricht vor dir steht mit der gleichen Begeisterung an solche Themen herangeht. Genau das ist aber nur eine seltene Ausnahme, denn meine doch sehr lange Erfahrung mit LehrerInnen zeigt, dass der Großteil von ihnen eigentlich schon die Nase voll davon hat, immer von den gleichen Dingen zu reden. Es endet meist darin, dass sie monoton den Text aus dem Lehrbuch herunterplappern und es dabei schaffen, den wunderbarsten Themen jegliche Spannung zu nehmen.

Vielleicht bin ich einfach nicht dafür gemacht, von LehrerInnen gemocht zu werden. Denn ein weiterer Stein auf meinem Weg war die Tatsache, dass ich meinen Mund nicht halten kann. Wenn mir etwas nicht passt, sage ich es.
Das hatte jedoch nur etliche unangenehme Sprechstunden mit meinen Eltern und LehrerInnen und ein noch viel unangenehmeres Verhältnis zu ihnen zur Folge.

Ein 13-jähriges Kind, das immer und immer wieder negative Bemerkungen über seine Persönlichkeit oder gar Intelligenz hören muss, will irgendwann einfach nicht mehr in die Schule, will nichts mehr lernen. Und es hat schon gar keine Lust, sich mit Themen zu beschäftigen, die ein Mensch vorgibt, der gar nichts von einem hält.

 

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Viele denken, dass das einfach nur die Pubertät ist und dass diese Phase irgendwann aufhört. Und es stimmt – ich war sicher nicht die einfachste Jugendliche in meiner Klasse. Aber genau das ist der Punkt: Es spielt für sie keine Rolle wie alt ich bin. Es spielt keine Rolle wo ich gerade im Leben stehe und was diese dummen Hormone, von denen ich nichts hören will, mit meinem Körper machen.
Gerade das Erwachsenwerden ist die Zeit im Leben, in der sich am meisten verändert. Jedes Jahr kommt was Anderes, was Neues. Man ist nie die gleiche Person, die man im Vorjahr war und das kann so manchen Menschen überfordern. Die Leichtigkeit des Kind-Seins ist vergangen, während man noch immer nicht so richtig erwachsen ist.

In diesen Jahren ist die Schule der Ort an dem wir die Hälfte unseres Alltags verbringen. Und gerade dort trifft man oft auf nichts als Unverständnis.
Ich werde seitdem immer gleichbehandelt. Ich bin ein Kind, ich bin halt eine Schülerin aber vor allem bin ich eines: unterlegen.
Ich weiß nicht ob das ein Phänomen ist, das sich vor allem unter Personen findet, die an meiner Schule arbeiten. Aber gefühlte 80% der Menschen, die mich bis heute unterrichtet haben, hatten kein Interesse an meinen persönlichen Problemen, an den Gründen wieso ich einfach keine Zeit für die Hausübung gefunden habe. Sie wollten nicht wissen, wie schwer oder einfach das Leben ihrer SchülerInnen gerade ist. Es wird angenommen, dass diese wechselseitige Phase unseres Lebens sowieso die schönste und einfachste ist.
Dinge wie Depression werden auf die Pubertät geschoben, das Ende der ersten großen Liebe wird nicht ernst genommen.
Manchmal frage ich mich, ob meine LehrerInnen selbst nie jung waren. Nie stundenlang gelacht, und nie tagelang geweint haben.

Im Nachhinein lässt sich eine Situation immer schönreden, aber in diesen Momenten braucht man jemanden, der einem zuhört, versteht. Der einen in unterschiedlichen Phasen individuell unterstützt. Und nicht auf Lehrstoff geschulte Maschinen, die egal ob 12, 15, 18 immer die gleiche Show abziehen ohne sich anzupassen.

 

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Die Schule ist eine einzige ungerechte Hierarchie. Viele LehrerInnen sehen sich ganz oben und der eigentliche Sinn wird ignoriert. Denn dieser liegt darin, junge, motivierte Menschen zu noch viel motivierteren, reifen Erwachsenen zu machen.
Der Grund für die Existenz der Schule sind wir, wir werden aber immer als dümmer und jünger, ja - als unwichtig angesehen werden.
Wir sind der Witz in einem schlechten Kabarett, über den nur Menschen lachen die es verpasst haben, selbst erwachsen zu werden.

Man wird regelmäßig lächerlich gemacht, es wird mit KollegInnen, ja sogar mit MitschülerInnen über einen gelästert.
Statt die Talente eines jeden zu suchen, wird einem so lange die eigene Intelligenz ausgeredet bis sogar der letzte Funke Selbstbewusstsein erlischt.

Wer nicht ins System passt wird aussortiert. So rebellisch und hauptsacheanders das jetzt klingen mag: Akzeptiert wird, wer sich fügt. Bevorzugt wird, wer stumm im Unterricht sitzt, sich nur zu Wort meldet wenn er oder sie gefragt wird und immer mit allem zufrieden ist. Oh schöne neue Welt.

So einfach ist das halt aber doch nicht. Seine Meinung zurückzuhalten ist nichts für jedermann und ruhig sitzen erst recht nicht. Doch wer solche Charaktereigenschaften besitzt wird in die Schublade ADHS geschoben. Die Ärzte verschreiben Tabletten und sagen, dass man krank ist. Diese Tabletten machen aber müde. So müde, dass die Teilnahme am Unterricht unmöglich ist. Keine Mitarbeit heißt aber schlechte Noten, Fehlstunden sind das Schlimmste überhaupt.
Also wird aussortiert. Ohne nachzufragen, ohne die eigenen Methoden zu überdenken. Ohne zu versuchen, sich an individuelle Bedürfnisse anzupassen.

 

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Seit ich 16 bin darf ich rauchen. Ich darf trinken, ich darf wählen und nur ein Jahr später durfte ich sogar Autofahren. Ich darf seitdem frei über mein Leben und über das von anderen bestimmen. Ja sogar die Zukunft unseres Landes legt man in meine Hände.

Und trotzdem wird mir nicht zugetraut, auf einem Level mit Leuten zu kommunizieren, die älter als 30 sind? Trotzdem wird meine Meinung belächelt, nicht gehört was ich zu sagen habe.
Es wird Respekt erwartet wo keiner entgegengebracht wird. Wie soll ich jemanden ernst nehmen, der meine Ideen keine einzige Sekunde lang beachtet?

Natürlich rede ich nicht von der Allgemeinheit. Ich habe Frauen erlebt, die eine ganze Klasse für das Immunsystem eines Menschen begeistern konnten. Männer, die es immer geschafft haben neben Kritik auch die guten Dinge zu erwähnen. In meinem Schulleben waren sie leider die Ausnahmen, die sie nicht sein sollten.

 

Das Wichtigste ist, sich von solchen Erlebnissen nicht den Mut nehmen zu lassen. Denn auch wenn ich vermutlich keine Meeresbiologin mehr werde, bin ich jetzt an dem Punkt angekommen, an dem ich mache, was mir gefällt. Ich lasse mich nicht mehr entmutigen und hoffe, dass das auch viele andere Menschen in einer ähnlichen Situation schaffen.

 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 26.04.2024 bearbeitet.

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