Heimatloses Heimweh

Leben
Maren Michl / 24.01.2018
Mädchen mit ausgeschnittenem Herz aus einer Landkarte

Ich wurde am 28.10.1999 in München geboren. In der Stadt habe ich keine Verwandten und gelebt habe ich dort nur ein halbes Jahr. Meine ersten Schritte machte ich auf Mallorca. Mit zwei Jahren war ich Frequent Traveller. Meinen ersten Satz sagte ich in Singapur, auf einem Flughafen. Seit 12 Jahren lebe ich in Kärnten, und frage mich wo meine Heimat ist.

„Der Begriff Heimat verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum.“, das sagt Wikipedia. Bin ich Deutsche weil ich dort geboren wurde und all meine Verwandten dort leben? Bin ich Österreicherin weil ich hier aufgewachsen bin und wohne?

Anfang 2017 waren 15,3 % der österreichischen Bevölkerung Ausländer oder Ausländerinnen. Das Reisen ist leichter geworden, immer weniger Menschen leben in der Stadt, in der sie geboren wurden, in dem Bezirk, in dem Land. Aber vielleicht ist Heimat nicht im Pass zu lesen. Man kann es auf T-Shirts sehen, auf Fußmatten schreit es einem entgegen: „Heimat ist wo man dich liebt.“  Und natürlich stimmt das. Wenn meine Oma einen Kuchen bäckt, mir eine Geschichte von früher erzählt und dann den Kuchen aus dem Ofen holt, riecht es nach Heimat. Wenn ich mit meiner Familie ein Brettspiel spiele, fühlt es sich an wie Heimat. Wenn ich mit FreundInnen über schlechte Witze lache, hört es sich an wie Heimat. Dennoch, die erste Frage wenn mich jemand zum ersten Mal reden hört, lautet immer: „Woher kommst du?“  Oft vergesse ich, dass ich keinen Dialekt spreche, man hört nur den Anderen beim Reden zu, nie sich selbst.

Was soll ich antworten? Bin ich Deutsche oder Österreicherin? Beides? Nichts? Wenn ich mit „Europäerin“ antworte gibt es ein kurzes Lächeln, aber die Frage verschwindet nicht. Heimat kann man für sich selbst wählen, aber meine Wahl kennt die Umgebung nicht. Für ÖsterreicherInnen bin ich die Deutsche, in Deutschland die Österreicherin. In Wahrheit bin ich in dem Spalt dazwischen, vielleicht ist es besser so. Es wird doch immer nebensächlicher, woher man kommt, Grenzen verschwimmen, sind innerhalb der EU für jeden offen. Aber trotzdem, als wir in der Schule den Emigranten-Monolog von  Mascha Kaléko gelesen haben, musste ich bei der letzten Strophe stoppen.

„Mir ist zuweilen so,

als ob das Herz in mir zerbrach.

Ich habe manchmal Heimweh.

Ich weiß nur nicht, wonach.“

@jugendportal auf Instagram

Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

Partner