Kritische Worte und konstruktive Gespräche

Kultur & Events
Karim Azman / 22.11.2017
Journalistinnenkongress

Der 19. Journalistinnenkongress in Wien

Wenn eine Journalistin sich wie ein Fossil fühlt, haben Tugenden von einst an Wert verloren. So könnte eine Erkenntnis aus der Mediengala des 6. November 2017 lauten. Als Gabriele Waldner-Pammesberger anlässlich der Verleihung der Goldenen MedienLÖWIN ihre Stimme erhob, um deutliche Worte gegen journalistische Defizite in den sogenannten Qualitätsmedien zu sprechen, übte sie sich zunächst in Demut. Sie gestand, nicht gedacht zu haben, angesichts der ebenfalls nominierten Journalistinnen, Corinna Milborn und Martina Salomon, diesen Preis erhalten zu können. Deswegen hatte sie am Nachmittag desselben Tages nur vorsichtshalber eine Rede geschrieben. Eine Bescheidenheit, die ihr trotz oder wegen ihrer heftigen Kritik tosenden Applaus bescherte. Ironisch, dass sie während ihrer Rede das Reden Schwingen von JournalistInnen angeprangert hatte. Ihrem Ruf als „Unbequeme“ wurde sie gerecht. Und ihrer Vorbildfunktion, für die sie den Preis erhalten hat, erst recht. Denn natürlich kann die Kritik als Ansporn für die von der Preisträgerin als eigentlich seriös bezeichneten JournalistInnen gesehen worden sein, sich mit grundlegenden journalistischen Werten wieder neu auseinanderzusetzen. In diesem Fall könnten sich die LeserInnen über einen baldigen Qualitätsanstieg freuen. Dann müsste sich die Geehrte mit ihrer offensichtlich altmodischen Auffassung nicht mehr – laut eigener Aussage – wie „ein Fossil in der Medienwelt“ fühlen. Gerade weil die Überbringerin der für die Qualitätsblätter schlechten Nachricht nicht als jemand mit Hang zur Selbstdarstellung gilt, könnte die Kritik nicht als Versuch der Selbsterhöhung verstanden werden, sondern als das was sie ist: Ein Aufruf, die eigene Arbeit zu überdenken und nicht auf den Gedanken zu kommen, LeserInnen zu beeinflussen oder nur platt seine Meinung darzulegen.

Interessant, dass sie betonte, nicht den Boulevard zu meinen. Anscheinend war sie sich sicher, dass die Kritik an den seriösen JournalistInnen sonst abperlen könne, die „von der Brillanz und Unfehlbarkeit der eigenen Meinung offenbar so beeindruckt waren“, dass sie bisweilen „jegliche Distanz verloren“. Insbesondere im Wahlkampf und auch in der aktuellen #metoo-Debatte ortete Waldner-Pammesberger anhand zahlreicher Postings von JournalistInnen in den sozialen Medien, die ihrer Meinung nach „für ein paar Likes oder Follower mehr ihre journalistische Glaubwürdigkeit fahren“ gelassen hätten, „vollkommen unangemessenes Verhalten“. Nun bleibt abzuwarten, ob ihre Worte Gehör finden und was diese am Handeln der JournalistInnen ändern werden.

Fazit: Die Rede hat viele im Saal spürbar bewegt. So sehr, dass es für Waldner-Pammesberger Standing Ovations gab. Es wäre schade, bis zur Pension wirklich keine weitere Rede von ihr hören zu dürfen, wie sie selbst am Schluss (humorvoll) angekündigt hatte. Mit Gabriele Waldner-Pammesberger, Corinna Milborn und Martina Salomon waren vorbildhafte Vertreterinnen aus Radio, Fernsehen und Zeitung nominiert. Ist dies ein Zeichen gut verteilter Qualität in der Medienlandschaft oder bloß Zufall? Für die Auflösung oder eine Annäherung an diese Frage wären natürlich LeserInnenmeinungen hilfreich, die vielleicht einen besseren Überblick haben und über die aktuellen Stärken der Medien hierzulande zu berichten wissen.

Als JournalistIn eine eigene Meinung zu haben, ist vertretbar und nicht verwunderlich. Wenn man sie nach außen trägt, ist einiges zu beachten: Wer in sozialen Medien scheinbar „privat“ oder sogar beruflich - ob im Radio, Fernsehen oder der Zeitung - Stimmung macht, verliert nicht nur selbst an Ansehen und schädigt seine eigene komplette Berufsgruppe, sondern lenkt schlimmstenfalls LeserInnen.

Ob willentlich oder „nur“ dilettantisch formulierend, ist trotzdem ein gravierender (journalistisch-ethischer) Unterschied. Wo die Grenze zwischen Journalismus und Propaganda verläuft bzw. wann und wo sie bereits überschritten wurde, darüber diskutierten am nächsten Tag im Rahmen des Journalistinnenkongresses Isabell Daniel (oe24), Nadja Hahn (#doublecheck, Ö1-ORF), Nina Horaczek (Falter, Autorin), Doris Vettermann (Krone). Dabei entspann sich ein angeregtes Gespräch. Die Problematik eines möglichen Zusammenhangs zwischen Berichterstattung und Inseraten wurde angesprochen. Moderatorin Anna-Maria Wallner (Die Presse) konfrontierte Isabell Daniel in der Podiumsdiskussion mit dem Vorwurf negativer Berichterstattung über Christian Kern nach Einstellung von SPÖ-Inseraten in der „Österreich“-Zeitung. Diese konterte damit, dank der Reaktion von Kern habe sich das Dossier eines SPÖ-Insiders bewahrheitet, der Kern als so empfindlich, dass er geradezu ein „Glaskinn“ besitze, charakterisiert habe. Zumindest Nina Horaczek befand ebenfalls, Kerns Reaktion sei „glaskinnartig“ gewesen. Was Isabell Daniel verschwieg: „Österreich“ wird von der ÖVP überproportional zu der achtprozentigen Reichweite mit Inseraten gefüttert. Besonders in der heißen Phase des Wahlkampfs von August bis Oktober stieg die negative Berichterstattung in „Österreich“ über Christian Kern exorbitant an, wie eine Analyse von „media affairs“ belegte. Ist die Silberstein-Affäre der alleinige Grund und weshalb verwendet die ÖVP so viel Geld aus ihrem Werbebudget, um in „Österreich“ zu inserieren? Das alles wirft die Frage auf, ob manche Zeitungen käuflicher und weniger unabhängig sind als andere. Isabell Daniel meinte in der Diskussion, dass es eine gefährliche Entwicklung sei, wenn Parteien als Reaktion auf negative Berichterstattung das Inserieren beenden.

 

Ist es so wie sie es uns suggerieren will oder umgekehrt? Als Zeitung absichtlich schlecht über einen Spitzenkandidaten zu schreiben, weil Inserate als Einnahmequelle weggefallen sind, wäre ein Kennzeichen von profitorientiertem und insbesondere Auftragsjournalismus, auch Rachsucht könnte hineininterpretiert werden.

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Wenn Profit oberste Priorität ist, verfolgt Journalismus das falsche Ziel. Wenn Politik danach trachtet, auf Medien Einfluss zu nehmen, obwohl sie um deren schützenswerte Unabhängigkeit wissen müsste und Medien diese Einmischung wegen Einnahmen zulassen, setzen zwei Institutionen und Dienstleister der Demokratie ein undurchschaubares Wechselspiel der Elite in Gang. Wenn Politik und Medien sich gegenseitig zu stärken versuchen, dann betreiben sie mit so einem Wechselspiel ein falsches Spiel. BürgerInnen werden um ihre Information betrogen. Von Medien, deren Ziel unabhängige Berichterstattung sein sollte. Würde derartiges salonfähig werden, würde für Medien zu einem Euphemismus werden, was aktuell eine Beleidigung ist: Lügenpresse. Dieser Spitzname wird meist von „WutbürgerInnen“ benutzt. Wohl um Unmut darüber auszudrücken, was ihnen ihrer Meinung nach verschwiegen wird. Eine Äußerung, die mehrheitsfähig wäre, würde eine solche fast dystopische Verbindung zwischen Journalismus und Politik üblich werden. Es ist fragwürdig, wenn eine Zeitung für journalistische Ausgewogenheit Inserate benötigt. Ist es ebenso fragwürdig, wenn ein/e PolitikerIn wegen der Art der Berichterstattung keine Lust mehr hat, Inserate in einer bestimmten Zeitung zu schalten? Eher nein, wenn er/sie glaubt, dass Inserate in der Zeitung wegen der überwiegend negativen Artikel und der daraus resultierenden Klientel aussichtslos sind. Nein, wenn er ein Zeichen gegen Journalismus setzen will, der diffamiert statt enthüllt. Ja, wenn er hofft, die Zeitung dadurch zu einem Umdenken zu bewegen. Was eigentlich ein zweckloses Unterfangen wäre, wenn jede der Zeitungsredaktionen verinnerlicht hätte, das Unabhängigkeit und differenzierte Berichterstattung kein notwendiges Übel, sondern essenzielle journalistische Werte sind. Dass der Chefredakteur der „Krone“, Klaus Herrmann, im Interview mit dem „Horizont“ sagte, die große Zeit des Kampagnenjournalismus sei vorbei, war ein weiteres Thema der Diskussion. Vorbei?

Dies impliziert ja, dass es mal eine gegeben hat, was an sich schon bedenklich ist, wie Moderatorin Anna-Maria Wallner (Die Presse) bemerkte. Am Beispiel der Volksbefragung über die Beibehaltung der Wehrpflicht 2013 und der schwarz-blauen Koalition 2000 belegte „Krone“-Redakteurin Doris Vettermann, dass es mittlerweile nicht mehr ausschlaggebend sei, wenn selbst die „Krone“, die reichweitenstärkste Zeitung des Landes, proportional gesehen der Welt, sich für oder gegen etwas positioniere. Chefredakteur Klaus Herrmann erklärte den schwindenden Einfluss der „Krone“ im „Horizont“ so: Die Zeit sei schnelllebiger geworden, sodass Kampagnen, die über viele Monate gehen, weniger bedeutend geworden seien. Am Ende stand ein Resümee: Die Politik wollte schon immer Einfluss auf die journalistische Berichterstattung nehmen und immer waren die Medien gefordert, ihre Unabhängigkeit zu bewahren.

 

Am 7. November 2017 haben die BesucherInnen des Journalistinnenkongress miteinander diskutiert und dabei voneinander gelernt. Dieser hat wie schon die Mediengala am vorigen Tag im „Haus der Industrie“ stattgefunden. Unter den Teilnehmenden bildeten die Frauen die klare Mehrheit. Eine vorhersehbare Erkenntnis, die trotzdem verwundern kann, da die besprochenen Themen für Journalisten und Journalistinnen ebenso relevant gewesen wären. Es zeigt wohl mehrheitlich nicht die Ignoranz der Männer, sondern das große Interesse der Journalistinnen an dem Kongress. Und gerade weil Veranstaltungen oft von Männern dominiert werden, ob durch die höhere Teilnehmerzahl, die Themenwahl oder durch die wichtigeren Rollen, die von diesen eingenommen werden, braucht es einen solchen Kongress. Einen Journalistinnenkongress, in dem Frauen ihre Meinungen darlegen können, sich frei äußern und vernetzen können; Ohne von Männern unterbrochen zu werden.

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Seit der Premiere hat sich die Lage allerdings geändert, wie im Laufe des Tages in Reden wiederholt und auch in der Eingangsrede der Initiatorin Maria Rauch-Kallat erwähnt wurde; Gab es 1998 im Beirat des Journalistinnekongress noch keine Abteilungsleiterin bei einer österreichischen Tageszeitung, so durften dieses Jahr 16 Chefredakteurinnen im Beirat als Indiz für eine positive Entwicklung in Richtung einer ausgewogenen Geschlechterrepräsentation in den Redaktionen des Landes gesehen werden. Für manche waren sicher die Gespräche mit den Role Models das Highlight des Kongresses. Renommierte Frauen aus den Medien wurden an runden Tischen von Jungjournalistinnen interviewt, die sich dafür im Vorfeld beworben hatten. Insgesamt nahmen etwa acht Personen an einem Tisch Platz. Jeder und jede hatte die Möglichkeit, je 20 Minuten an drei Tischen der Role Models zu verbringen – ob nur zuhörend oder sich selber am Gespräch beteiligend. Während manche Gespräche eher persönlich verliefen, ging es bei anderen um aktuelle Debatten wie #metoo. Ob Kurier-Redakteurin Martina Salomon, Puls4-Moderatorin Corinna Milborn oder Krone-Redakteurin Conny Bischofberger: Alte Hasen des Journalistinnengeschäfts stellten sich den Fragen angehender Journalistinnen oder im Ausnahmefall denen ihrer Berufskolleginnen. Man hatte einen ganzen Tag Zeit, sich mit führenden Redakteurinnen zu vernetzen. Eine gute Gelegenheit, Diskussionen mit renommierten Journalistinnen zu führen. Man war hier richtig, wenn man darauf aus war, Kontakte mit Persönlichkeiten zu knüpfen, die ihren Weg in der Medienwelt seit Jahrzehnten gehen. Wer Reden über eingeschränkte Pressefreiheit in anderen Ländern bzw. Reden über Entwicklungen und möglichen Gefahren für unabhängigen Journalismus hierzulande lauschen möchte oder sich in Workshops mit zeitlosen oder aktuellen Herausforderungen des Journalismus auseinandersetzen will, dem sei der 20.Journalistinnenkongress im nächsten Jahr ans Herz gelegt.

 

Weiterführende Links:

Journalistinnenkongress

Ö1-Bericht

Mediaaffairs

 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 23.04.2024 bearbeitet.

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