Perus vergessene Geschichte

Kultur & Events
Anna Egger / 09.12.2019
Filmemacherin Cabrera sitzt mit Martina Genetti vor der Leinwand im Kinosaal

Ein Bauchnabel, weiße Haare, gleichmäßiger Atem. Das sind die ersten Aufnahmen, die Malena Martínez Cabrera von Hugo Blanco zeigt, dem schlafenden strohhutlosen Hugo Blanco. Überall sonst trifft man Blanco mit Hut an, egal ob er gerade durch die Straßen Limas spaziert, oder im peruanischen Dschungel wandert.

Wer ist dieser Mann?

In Europa nannte man ihn den peruanischen Che Guevara, für Cabreras Vater war er ein Idol, doch in ihrer Heimat Peru wissen viele nicht einmal, dass diese Legende nach wie vor lebt. „[Von den Menschen idealisiert, von den Medien scharf kritisiert und vom eigenen Land letzten Endes ignoriert]“, schreibt Cabrera auf Facebook. In ihrem Dokumentarfilm „Hugo Blanco – Deep Rivers“ porträtiert sie diesen Revolutionär, der in den Bauernaufstände in den 60ern eine wichtige Rolle spielte.

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Wo ist die Geschichte? Über kollektives Vergessen

Angesteckt von der kubanischen Revolution forderten in den 60ern die Bauern in Peru „Tierra o muerte“, Land oder Tod. Eine Agrarreform war längst überfällig, die Landbesitzer nutzen die bäuerlichen Familien aus und misshandelten sie. Einer der Bauern erzählt, dass man Familien Waldstücke zuwies, die sie roden sollten, um anschließend, sobald die Äcker bestellbar waren, die Familien zu ermorden und ihre Hütten niederzubrennen.

Die Indigenen fingen an sich zu organisieren und zu wehren, Hugo Blanco führte die Quechua-Bauernaufstände in der Region Cuzco an. Doch diese Aufstände, die zur Agrarreform 1969 führten, bleiben gerne unerwähnt. „Nach der Recherche in den Archiven bemerkte ich, dass, während die Figur des Hugo Blanco sehr wohl visuell festgeschrieben war, die Bilder der ersten Aktivitäten der indigenen Bewegung zur gerechten Landverteilung in Vergessenheit geraten waren“, erzählt Cabrera auf Facebook. Offiziell beginnt die Geschichte der Agrarreform vor 50 Jahren, als die Militärregierung endlich veranlasste, das Land gerecht zu verteilen.

Ein historischer Abstecher – Der leuchtende Pfad

Vielleicht ist es die Angst vor der „roten“ Wut, die HistorikerInnen bisher davon abgehalten hat, diese Ereignisse zu thematisieren. Immerhin, Peru hat mit dem Bürgerkrieg von 1980 – 2000 ein Trauma erlitten. In diesen Jahren terrorisierte die maoistische Gruppe „leuchtender Pfad“ das Land. Vor allem die ländlichen Regionen, hauptsächlich von armen indigenen Bauern und Bäuerinnen besiedelt, waren betroffen. Seit 1970 hatte der Philosophieprofessor Abimael Guzmán AnhängerInnen um sich geschart. Sie zwangen Bauern und Bäuerinnen mit Gewalt auf ihrer Seite zu kämpfen. Verweigerung wurde mit Tod quittiert. Doch der Krieg, den er ausgelöst hatte, ging weiter, auch nach seiner Verhaftung 1992.

Von den 69 Tausend Opfern des 20-jährigen Bürgerkrieges waren laut der peruanischen Wahrheits- und Versöhnungskommision drei Viertel Quechua-sprechende Indigene. Doch die vielen Toten sind nicht die alleinige Schuld des „leuchtenden Pfads“. Auch das Militär, das ihn bekämpfte, war für etwas weniger als die Hälfte aller Morde verantwortlich.

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This Human World Festival

Der Film „Hugo Blanco – Deep River” dokumentiert hauptsächlich den undokumentierten Teil von Perus Geschichte. Er wurde in Wien im Rahmen des „This Human World Festivals“ am 5. Dezember im Schikaneder präsentiert. In der Nachbesprechung geht Cabrera noch einmal auf die Probleme ein, mit denen die indigene Bevölkerung heute konfrontiert ist. Cabrera, die sich selber als Indigene bezeichnet, erzählt, dass diese häufig kriminalisiert und wie Minderjährige behandelt werden. Obwohl Bauern und Bäuerinnen als ungebildet gelten, war Cabrera überrascht von dem Respekt und der politischen Kultur, denen sie in den Kommunen begegnete.

Hugo Blanco setzt sich mittlerweile an der Seite der Indigenen aktiv für die Umwelt ein. Früher dachte er, seine Nachfolger würden diesen Kampf weiterführen. Doch angesichts der aktuellen Krise hat er festgestellt: „Ich werde keine Nachfolger haben!“

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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