Warum ich das Wort „vegan“ hasse

Leben
Selma Örge / 03.01.2017
(c) pixabay

Ich bin seit einem Jahr Vegetarierin und fast einem halben Jahr Veganerin. Unzählige Male habe ich jetzt schon erklärt, warum ich das mache und unzählige Male habe ich mir angehört, wie mein Gegenüber das findet.

 

Versteht mich nicht falsch, ich liebe es, vegan zu sein. Es war eindeutig die beste Entscheidung meines Lebens, denn abgesehen von den positiven Auswirkungen auf meine Umwelt habe ich das Gefühl, mich selbst gefunden zu haben. Es fühlt sich so gut an, nicht mehr bei jedem Bissen Fakten und Wahrheiten über die Fleisch- und Milchindustrie ausblenden zu müssen, um die Mahlzeit genießen zu können. Auch physisch geht es mir, entgegen vieler Erwartungen, in jeder Hinsicht besser als je zuvor. Meine Haut ist durch das Weglassen von Milchprodukten reiner, ich war seit ich vegan bin kein einziges Mal krank, sei es auch nur eine Verkühlung, und ich fühle mich ausgeglichen und glücklich.

 

Doch es gibt eine Sache, die mich stört. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, bis vor einem Jahr habe selbst ich nicht gewusst, was vegan überhaupt bedeutet. Jetzt weiß das sogar meine 80-jährige Oma. Okay, ich musste ihr an die 10 Mal erklären, dass der Palatschinkenteig selbst dann nicht vegan ist, wenn man das Ei nicht schmeckt, aber ihr wisst was ich meine. Die Medien sind vom Sog Richtung cruelty-free mitgerissen worden und jetzt ist er, wie jeder andere Trend, den es je gab (Achtung, Wortspiel) totgekaut. Der Fakt, dass ich das Wort vegan bis jetzt nur 5 Mal verwendet habe, stimmt mich positiv überrascht, denn selbst ich kann es einfach nicht mehr hören. Sowohl aus einem fremden, als auch aus meinem eigenen Mund klingt es einfach nur mehr nervig und ich bin mir ziemlich sicher, dass es euch genauso geht.

 

Auch die Lebensmittelindustrie macht gerade eine große Wende und mittlerweile gibt es überall Sojagschnetzeltes und veganen Leberkäse zu kaufen. Grundsätzlich eine gute Sache – ich freue mich ja auch, wenn ich jedes Mal, wenn ich einkaufen gehe, ein neues Produkt im Tiefkühlregal entdecke, das ich mitnehmen könnte. Ein Hoch auf den Vegan-Boom!  

Leider ist genau dieser Trend eine der Ursachen, warum VeganerInnen bei vielen Nicht-VeganerInnen so ein schlechtes Image haben. Dadurch, dass profitorientierte Unternehmen die damalige Marktlücke erkannt und auf den Zug aufgesprungen sind, haben sie dafür gesorgt, dass die Werte des Veganismus komplett falsch verstanden werden. Mit Werbeslogans wie „Man muss kein Vegetarier sein, um Veggie zu lieben!“ von SPAR Veggie wird zwar die Zielgruppe für vegetarische und vegane Produkte vergrößert, jedoch wird dabei kein bisschen auf ethische Aspekte eingegangen. Das Tierleid wird komplett ignoriert und sie setzen auf die Faktoren Genuss und Gesundheit, um ihre Produkte zu verkaufen. Und dann geht es schon wieder los.

 

Allein der Begriff Gesundheit bewirkt bei vielen Menschen eine Blockade, weil sie die Hipster-Fitnessprofile auf Instagram einfach nicht mehr sehen können. Genau das ist das Problem. Hipster sein ist cool, doch wer Anti-Hipster ist, ist cooler. Da Veganismus eben mit diesem Begriff in Verbindung gebracht und in einen Topf geworfen wird, löst das Wort bei vielen Augenüberdrehen aus. Und das finde ich extrem schade. Denn, der Hintergrund und die wahre Bedeutung des Wortes bleibt den meisten, die sich damit nicht auseinandersetzen, verborgen.

 

Je mehr man darüber nachdenkt – ist es wirklich so schlimm, mal nicht jeden Trend mit Verachtung zu strafen? Zu hinterfragen, warum sich genau dieser in so einem Ausmaß durchgesetzt hat? Im Grunde geht es beim Veganismus nämlich um folgendes, und Achtung, das wird sich jetzt sehr kitschig anhören: Alle Formen der Ausbeutung und Grausamkeiten an leidensfähigen Tieren für Essen, Kleidung und andere Zwecke so gut es geht zu vermeiden und somit Umwelt, Tieren, der Menschheit und der eigenen Gesundheit zu Gute zu kommen. Hört sich gar nicht so schlecht an, oder?

 

Einer der Gründe, warum ich diesen Artikel schreibe, ist, dass jede Art von Aufmerksamkeit in Bezug auf dieses Thema wichtig ist. Sei es der vorhin genannte Werbeslogan von Spar oder ein Instagramfoto von einem/einer FoodbloggerIn, das alles zieht neben genervten Seufzern auch Interesse mit sich. Denn auch wenn ich das Wort zu oft gesagt und ein und dieselbe Diskussion zu oft geführt habe, so können doch nicht genug Kälber ihren Müttern entrissen, nicht genug Schweine ohne Betäubung qualvoll umgebracht, nicht genug männliche Küken wegen ihrer Nutzlosigkeit beseitigt werden, als dass ich mich über solche Kleinigkeiten aufrege. Ja, ihr habt richtig gehört, jedes tote Tier, das ihr esst, hat eine grausame Vergangenheit. Was ich auch nicht wusste: Wer sich beim Einkauf im Supermarkt auf „BIO“, „fair-produziert“ und „Freilandeier“ ausredet, der soll sich die eigentlichen Bestimmungen dieser Wörter durchlesen. BIO bedeutet nämlich nicht, dass Tiere auf Sänften zum Schlachthof geführt werden, die Realität sieht anders aus: Sie werden in Transporter gezwängt, wo sie oft tage- oder sogar wochenlang mit defekten Lüftungsanlagen und mangelnder Wasserversorgung ausharren müssen. Kommt euch diese Situation bekannt vor? Gerade jetzt, wo tagein, tagaus Schlepper überfüllte Lastwägen voller Flüchtlinge über die Grenzen bringen, frage ich mich: Tiere so zu behandeln ist legal?

 

Ich kann und will niemandem vorschreiben, was er/sie zu essen hat, aber ich will jedem, der diesen Artikel liest einen Rat beruhend auf meinen eigenen Erfahrungen mitgeben: Informiere dich darüber, was auf deinem Teller liegt. Das Wissen, das ich mir durch mein Interesse an dem Thema angeeignet habe, hat mir geholfen, Tatsachen zu hinterfragen, die Welt ein kleines bisschen klarer zu sehen und dadurch ein bewussteres Leben zu führen. Aber das Wichtigste von allem: Es macht mich glücklich. Egal, wie sehr mir das Wort auf die Nerven geht, vegan macht glücklich.

 

Du interessierst dich für vegane Ernährung? Hier sind ein paar Links zu dem Thema:

 

Allgemeine Infos:

Vegan Kit

Bonny Rebecca: Why Vegan

Peta - Warum Vegan

 

Infos zum gesundheitlichen Aspekt:

Peta - Ernährungspyramide

Nutrition Facts - vegan

 

Videos:

Gary Yourofsky: „Best speech you will ever hear“

101 reasons to go vegan

Die Milchindustrie erklärt in 5 Minuten

 

Dokumentationen:

Umwelt: Cowspiracy

Gesundheit: Gabel statt Skalpell

Tiere: Earthlings

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

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