„Where do the children play?“

Politik
Anonym / 29.11.2016
(c) youki

Die Welser Jugendherberge, die direkt neben dem Alten Schlachthof (Gelände mit soziokultureller Ausrichtung) liegt und somit eine ideale Lage aufweist, soll Ende des Jahres 2016 geschlossen werden. Der Schlachthof (dessen Schließung glücklicherweise abgelehnt wurde) genauso wie die Herberge geben den Jugendlichen Raum für politisches, kreatives und produktives Potenzial. Wer sich keine Zeit zum Durchatmen, Innehalten und Nachdenken nimmt und sich vollkommen vom kapitalistischen System, dem Räderwerk der Arbeit und vom Ernst des Lebens einfangen lässt, der hat auch keine Möglichkeit, politische und gesellschaftliche Entwicklungen zu reflektieren, sich Meinungen zu bilden und selbst aktiv zu werden. All die Ideen für Projekte, Veranstaltungen und Aktionen, die in Wels stattfinden, sind vermutlich entstanden, während die Leute miteinander abgehangen und ihren Gedanken freien Lauf gelassen haben. Wenn der Jugend nun die Basis, also der Raum, in dem Projekte entstehen, sich entwickeln und groß werden können, weggenommen wird, ist die Frage, wo das hinführen soll, durchaus berechtigt. Was wäre Wels ohne eine aktive, hinterfragende und alternative Jugend, oder: Was wäre Wels ohne die Jugend??

 

Der Welser Bürgermeister Dr. Andreas Rabl äußert sich folgendermaßen zu den Einsparungen: „Gemeinsam mit den Fraktionen ist es gelungen, eine breite Mehrheit für 16 Einsparungsvorschläge zu finden. Eine Budgetsanierung ist für zukünftige Generationen unbedingt notwendig. Wichtig ist mir dabei, dass die Einsparungen sozial ausgewogen und verträglich durchgeführt werden.“

Ist der Weg, vielen Jugendlichen die Basis der Kreativität und der freien Gedanken, die in vielen Fällen kreative Projekte zur Folge hat, zu nehmen, wirklich der richtige? Oder ist diese geplante Maßnahme nicht kontraproduktiv für die Zukunft der Stadt und des Landes?

 

Survival of the richest?

Die Stadt Wels argumentiert die Schließung der Jugendherberge mit einer zu geringen Auslastung. Sowohl im Jahr 2014 als auch 2015 gab es eine eindeutig niedrigere Auslastung in Relation zum Jahr 2013, was mitunter auf den Gemeinderatsbeschluss des Jahres 2013 zurückzuführen ist, der eine Tariferhöhung festlegte. Erwähnenswert ist hier noch, dass im Jahr 2016 (bis heute) ein Anstieg der BesucherInnenzahlen zu verzeichnen ist. Aber Wels setzt hauptsächlich auf seine Messen und auf zahlende Hotelgäste. Die Jugend, deren Budget einen Hotelaufenthalt in den meisten Fällen nicht zulässt, wird bei diesem Gedanken außen vor gelassen. Rechtfertigt die zu geringe Auslastung der Jugendherberge wirklich die Schließung? Sollte Kindheit und Jugend nicht die Zeit sein, in der man die Chance zum Experimentieren bekommt und sich gerade ohne Rücksicht auf ökonomische Faktoren frei entfalten darf? Also bitte: Muss sich denn Jugend wirklich ‚auszahlen’?

 

„Im Hostel zu sein, ist wie eine Klassenfahrt“

Laut Angaben der Jugendherberge sei während der YOUKI wie während des Festivals „music unlimited“ im Alten Schlachthof das Hostel zu 120% ausgebucht, da aufgrund der hohen Auslastung auch alle Notbetten genutzt werden (und das sagenumwobene düstere Kellerzimmer). Insbesondere für die YOUKI ist die Jugendherberge von großer Bedeutung, da ein Großteil der Organisatoren, Teilnehmer und Teilnehmerinnen dort nächtigen. Die Übernachtungen in der Herberge während der YOUKI haben sich mittlerweile zu einer Tradition entwickelt, und das sieht auch Fion so, der heuer das dritte Mal bei der YOUKI ist und auch in diesem Jahr in der Jugendherberge übernachtet, obwohl für ihn als Filmemacher ursprünglich ein Hotel vorgesehen war: „Die Jugendherberge und die Partys sind eine gute Möglichkeit, sich abseits vom Filmemachen bei der YOUKI kennenzulernen. Das geht nur wegen der Partys und dem Hostel, denn dort verbringt man Zeit im Schlafanzug zusammen und das ist ehrliches Zusammensein. Im Hostel zu sein, ist wie eine Klassenfahrt, der einzige Unterschied ist, dass man die Leute im Vorhinein nicht kennt.“

 

Was die Zukunft betrifft, bleiben wir also einstweilen ratlos. Wo sollen bloß alle YOUKI-Gäste im nächsten Jahr nächtigen, sind doch ein Großteil der BesucherInnen Jugendliche? Und generell: Wo sollen künftig Gäste, die eine Unterkunft in Wels brauchen - sei es nun, weil sie auf einem Konzert im Schlachthof waren, oder eine andere (kulturelle) Veranstaltung besucht haben – verbleiben, wenn sie sich kein teures Hotel leisten können oder wollen?

 

 

„Will you keep on building higher

’Till there's no more room up there?

Will you make us laugh, will you make us cry?

Will you tell us when to live?

Will you tell us when to die?“

(Cat Stevens)

 

 

Bad News ganz aktuell: Die Jugendherberge wird geschlossen. Mehr auf der YOUKI Website.

@jugendportal auf Instagram

Jugendportal.at wurde zuletzt am 17.04.2024 bearbeitet.

Partner