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Kultur & Events
Lena Haiden / 21.11.2017
Ein Blick auf den Festsaal beim Journalistinnenkongress

Der 19. Journalistinnenkongress in Wien

Am 7. November 2017 herrscht bereits in aller Frühe im Haus der Industrie in Wien ein reges Gewusel. Namenskärtchen werden verteilt, Zeitungen entnommen, Gespräche werden geführt. Der aufmerksamen Beobachterin fällt auf, dass die Mehrheit der Personen im Raum Frauen sind. In wenigen Minuten startet hier im großen Festsaal der 19. Journalistinnenkongress, den Kongressinitiatorin Maria Rauch-Kallat soeben eröffnet. Sie verweist auf die lange Geschichte des Journalistinnenkongress, der in einer Zeit ins Leben gerufen wurde, als es noch keine Frauen in wichtigen Positionen im Journalismus gab. 2017 steht der Journalistinnenkongress unter dem Thema „Domocracy first!“. Ein Thema, das durch die Verfolgung von Journalisten und Journalistinnen in nicht-demokratischen Systemen und der Krise, die die Medien durchlaufen, sowie durch die #metoo-Debatte wohl aktueller ist denn je.

Am Journalistinnenkongress machen sich - wenig überraschend - die Journalistinnen selbst zum Thema. Ines Stilling, Selektionsleiterin im Bundemsministerium für Gesundheit und Frauen, wird das Mikrofon übergeben. Sie ruft wichtige Tatsachen in Erinnerung, wie dass Geld und Journalismus sich nicht vertragen, dass Österreich im Rangliste der Pressefreiheit im Vorjahr um vier Plätze, wegen Inseratendichte, dem Amtsgeheimnis und dem neuen Informationsgesetz gesunken ist. Die Zeit verfliegt, die Redenden vergessen die Zeit und das erste Panel „Der hohe Preis der Pressefreiheit“ verschiebt sich etwas nach hinten. Das stört niemanden und das Panel beginnt mit Dunja Mijatovic, ehemalige OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, die für ihre Rede den Titel „International human rights and media freedom experts“ gewählt hat.  

Sie macht mit einer klaren Stimme klar, dass Journalisten und Journalistinnen durch die sozialen Medien verletzlicher sind und dass die Richtlinien u.a. von Facebook nicht ausreichend seien, da sie Drohungen als „controversial humor“ abtun. Es sei nicht ihr Job beleidigt zu werden, und freie Meinungsrede höre dort auf wo Hassrede beginne. Das Publikum nickt, klatscht und twittert, während das Mikrofon an die nächste Referentin übergeben wird.

Die Medienexpertin Mirjana Tomic stellt in ihrem Vortrag „Press Freedom the local context“ die Frage, ob wir in Österreich wirklich Demokratie praktizieren. Sei warnt davor, dass es leicht ist eine Medienlandschaft zu zerstörten, und nennt als Beispiel die USA und Fox News, welche ihre KonsumentInnen professionell überzeugen. Es sei ein ernstzunehmendes Problem, dass die Bevölkerung den Medien nicht mehr vertraut. Sie kommt zu ihrem Schlussplädoyer, man müsse und solle für die Demokratie kämpfen, das Publikum klatscht zustimmend.

Banu Güven ist Journalistin in der Türkei. Eindringlich erklärt sie, dass es in der Türkei nie eine „ganze Pressefreiheit“ gab, denn Tabus waren immer vorhanden. Es folgt eine lange Aufzählung der völkerrechtlichen Verbrechen der Türkei und ihren Mechanismen,  zum Beispiel dass Haftstrafen für JournalistInnen in Geldstrafen umgewandelt werden, bis solche Summen erreicht sind, die keine Einzelperson mehr tragen kann. JournalistInnen werden als TerroristInnen bezeichnet und die Gesellschaft wird gegen sie aufgehetzt. Am Ende ihrer Rede kommt sie zu dem Schluss, dass trotz des finstern Bild des Journalismus in der Türkei, auch weiterhin kritische berichten und für ihre Freiheit kämpfen. Die Rede ist vorbei, die Zeit ist verflogen, die Kaffeepause, die nun beginnt hat sich nach hinten verschoben aber es stört niemanden. Kaffee wird getrunken, geplaudert und Infostände der verschiedensten Organisationen werden betrachtet. Schließlich ruft die Glocke wieder zurück in den Saal.

Die zweite Hälfe des Vormittags startet mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wo hört Journalismus auf und wo fängt Propaganda an?“ Danach wandert die Aufmerksamkeit wieder zum Rednerpult, hinter dem Kristina Dunz von der Reihnischen Post mit einem Vortrag mit dem Titel: „Unabhängig, unbestechlich, unerschrocken – was wir den Bürgern schuldig sind“ steht. Auch sie richtet den Blick auf die sozialen Medien, und macht uns darauf aufmerksam, dass der sich nur über soziale Medien informierende Bürger oder Bürgerin den Blick fürs Ganze zu schnell verliert. Außerdem warnt sie vor dem „Look at me“-Journalismus, der auf Klicks, statt auf gehaltvolle Antworten aus sei und vor Journalisten und Journalistinnen, die sich als die besseren Politiker und Politikerinnen fühlen. Journalisten und Journalistinnen müssen sattelfest in ihren Themen sein, und eine Geschichte, die nicht rund ist, muss liegen gelassen werden. Das Publikum klatscht, die nächste Referentin, Julia Herrenböck wird angekündigt und ihr gehört das Mikrofon.

Sie plädiert, für ihre tägliche Arbeit bei Reporter ohne Grenzen und dossier.at, den investigativen Journalismus. Die Medienkrise führte zu immer weniger Ressourcen und dadurch zu mehr Marktorientierung, was zu einer Homogenisierung der Inhalte führte. Durch diese Entwicklungen ginge die Kontrollfunktion der Medien zunehmend verloren. Investigativer Journalismus sei teuer, aber auf lange Sicht profitabel und wichtig, da er die Qualität des Markts aufwertet.

Das Ende beider Panels gehört Maria Pernegger von Media Affairs mit ihrer Präsentation voller Zahlen und Fakten zum Thema „Wir bringen was zieht. Wenn Journalistinnen den Klicks nachlaufen“ und „Schön, aber kompetenzlos. Über die Sichtbarkeit von Frauen in den Medien und gängige Frauenbilder“. Berichterstattung und unsere Wortwahl beeinflusst und prägt unser Bild von Menschengruppen und in politischen Debatten gewinne immer die medial aufgebauschten Themen. An der Sichtbarkeit von Frauen in den Medien müsse noch gearbeitet werden und es seien vor allem mehr Frauen in Führungspositionen notwendig. Außerdem seien Männer mit den Machtthemen, Sport, Politik und Wirtschaft assoziiert, während Frauen mit den „schönen“, weniger machtvollen Themen wie Bildung, Gesundheit und Schönheit, sowie Erotik und Werbung assoziiert werden. Das Publikum klatscht, und zum Mittagessen wird geladen.

Das Buffet wird geplündert, man stärkt sich, redet und tauscht Visitenkarten aus, und nach mehreren ermahnenden Klingeln der Glocken viertelt sich die Menge in vier Workshops. Mich zieht es in den Workshop „Machtwort: bewerten-umwerten-abwerten – Warum wir oft Gutes meinen aber Böses bewirken“. Macht sei, laut Christine Bauer-Jelinek das Vermögen, seinen oder ihren Willen gegen den Widerstand durchzusetzen, dies sei unter anderem eine Kompetenz, die Frauen erlernen müssen. Eine ihrer Beobachtungen ist, dass in Europa eine Umwertung stattfindet, die (alt)europäischen Werte wandeln sich zu neoliberalen Wertekanon, dies hat Konsequenzen. Schließlich mahnt die Glocke erneut mit der angeregten Diskussion am Ende des Workshops zum Ende zu kommen, und nach einer Stärkung und Kaffee begeben sich alle wieder in den großen Festsaal.

Dort ist ein neues Setting aufgebaut, statt auf die Bühne ausgerichtet, teilt sich die Menge auf fünfzehn Tische, den man immer wieder wechselt, denn eine Frau am Tisch ist eine wichtige Persönlichkeit der Medienwelt und sie ist bereit ihre Geschichte zu teilen. So hört man von der Gegenwart und der Vergangenheit des Journalismus, und wie es manche geschafft haben und was sie so von Tag zu Tag erleben, die Zeit verfliegt erneut. Mit einem Ausblick auf das neue Jahr und einem Gewinnspiel endet dieser Tag. Auf starke Frauen im Journalismus und die Demokratie wird am Ende des 19. Journalistinnenkongress mit einem Glas Wein angestoßen.

Fotos APA-Fotoservice

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 26.04.2024 bearbeitet.

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