Adiós Cuba

Kultur & Events
Anna Egger / 11.12.2019
Illustration in schwarz-weiß mit Schriftzug Kuba und Kopf von Che Guevara, Fidel Castro

„You can kill us but we are not going back to Cuba” In der Mitte zwischen der Küste und der größten Insel der Karibik entdeckt ein US-amerikanisches Polizeiboot das Boot mit einer Gruppe kubanischer Flüchtlinge. Salzwasser befindet sich im Boot, Trinkwasser kaum noch. Der Motor ist kaputt, gepaddelt wird mit Holzplanken. Am Bug befestigt flattert eine Fahne. Es ist nicht die kubanische.

Die Lage für die Flüchtenden ist verzwickt. Sie sind erschöpft, durstig, einer hat eine hässliche Schnittwunde. Die 40 Meilen Richtung der US-amerikanischen Küste werden sie selber kaum bewältigen, vor allem, weil sie den Kurs nicht richtig gehalten haben und mehr oder weniger das Nichts ansteuern. Folgen sie den Aufforderungen der Polizei und wechseln auf deren Boot, werden sie nach Kuba zurückgebracht. Für die meisten wäre es nicht der erste gescheiterte Fluchtversuch.

Voices of the Sea

„Voices of the Sea“ feierte seine österreichische Premiere im Rahmen des This Human World Filmfestivals am 8. Dezember. In diesem Dokumentarfilm von Kim Hopkins, einer Filmemacherin aus dem Vereinten Königreich, wird die Realität von den verarmten Familien vom Cajio Beach, insbesondere die der Garcia-Familie gezeigt. Es geht um die Liebe zur Heimat, die Hoffnung auf ein besseres freies Leben in den USA und um die bittere Realität.

Wet Foot, Dry Foot

Seit der kubanischen Revolution 1959 haben Hunderttausende die Insel verlassen. Während 1960 erst 79.000 KubanerInnen in den USA lebten, waren es 1970 bereits 439.000. In nur einer einzigen Dekade hatte sich die Zahl der Immigranten versechsfacht (Migration Policy Institute). Auch in den folgenden Jahrzehnten riss der Flüchtlingsstrom nicht ab.

Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, die in die USA immigrieren wollten, hatten die meisten KubanerInnen, die US-amerikanischen Boden erreichten, das Recht, zu immigrieren. Jene jedoch, die am offenen Meer geschnappt wurden, sandte man zurück nach Kuba. 22 Jahre lang war dieses Gesetz in Kraft, welches KubanerInnen Aufenthalt ohne Visa erlaubte und ihnen die Beantragung der US-amerikanischen Staatsbürgerschaft nach kurzer Zeit ermöglichte. Bekannt wurde es unter dem Namen „wet foot, dry foot policy“. Im Jänner 2017 schaffte Barack Obama dieses Gesetz ab, unter anderem im Versuch, auch die Beziehung zwischen Kuba und den USA nach Ende des Kalten Krieges zu normalisieren.

Vom Gefangenen zum Präsidenten

Kaum ein anderes Land hat den USA wahrscheinlich so viele Kopfschmerzen bereitet wie das 90 Meilen entfernte Kuba. Angefangen hatte alles am 26. Juli 1953, als der Jurastudent Fidel Castro mit seinem Bruder Raúl zum ersten Mal das Militärregime von Fulgencio Batista angriff, ein wie ein Diktator agierender Präsident, der mit den US-AmerikanerInnen zusammenarbeitete. Castro und seine compañeros beschossen den zweit wichtigsten militärischen Stützpunkt Kubas. Der Überraschungsangriff scheiterte, Castro wurde Batistas Gefangener. Jedoch anderthalb Jahre später ließ Batista Gnade walten. Castro war frei. Ein fataler Fehler?

Die revolutionäre Bewegung, die den diktatorischen Präsidenten Batista Anfang Jänner 1959 zur Flucht zwang, hieß „Movimiento 26 de Julio“, ihr Anführer Fidel Castro. An seiner Seite standen sein Bruder Raúl und der argentinische Ernesto Guevara, besser bekannt als Che Guevara. Die Freude über die erfolgreiche Revolution habe er in den Gesichtern seiner Mutter, seiner Geschwister und seiner Großeltern und auf den Straßen Kubas gesehen, erzählt Pita Garcia, ein Fischer von Cajio Beach. Die Skandale und Betrügereien Batistas hatte man satt, Kuba wollte endlich wieder freie Wahlen abhalten. „Aber man hat uns betrogen.“

Das Märchen von der Freiheit

Die KubanerInnen träumen seit jeher von ihrer Unabhängigkeit. Die spanische Kolonialmacht loswerden? 1898, als letztes Land Lateinamerikas, abgehakt. Erst mithilfe der USA hatten sie es geschafft, diese Unabhängigkeit zu erreichen. Eine vermeintliche Unabhängigkeit. Denn von nun an standen Kuba und seine Präsidenten unter US-amerikanischem Einfluss. Die USA aus Kuba zu drängen, das war Castros Ziel, als er seine Revolution vollzog. Die Macht der USA in Kuba brechen? 1959, abgehakt. War man der Freiheit nun einen Schritt näher?

Die angekündigten freien Wahlen fanden nie statt. Kuba näherte sich Russland und seiner kommunistischen Ideologie. Für die USA, die einst überlegt hatten, Cuba zu einem Bundesstaat der Vereinigten Staaten zu machen, war das ein Tiefschlag. Ihr größter Albtraum war wahr geworden: Keine 100 Meilen von der Küste Floridas entfernt blühte der Kommunismus. Im Kalten Krieg zeigte man sich deshalb den vor dem roten Regime Flüchtenden gegenüber besonders großzügig.

Die Sehnsucht nach einer Zukunft

Die Flucht unseres Flüchtlingsbootes wird filmisch dokumentiert. Als man angesichts der Polizei überlegt, damit aufzuhören, besteht eine der beiden Frauen auf die Pressefreiheit. „We‘re offshore, there’s freedom of press.“ Doch der Fluchtversuch endet hier und mit ihm das Video. Man werde es erneut versuchen, morgen, nächste Woche oder in einem Monat.

Mariela Garcias Bruder hat 21 Mal probiert, zu fliehen, bevor er Erfolg hatte. 21 Mal hat er versucht, der Armut und der Herrschaft der Castro-Brüder zu entkommen. Auch Mariela hat lange Zeit davon geträumt, in die USA auszuwandern. Der Traum lässt sie auch in der Gegenwart nicht los, man sieht ihr an, dass es ihr zu schaffen macht, wenn ihr Mann Pita sie versucht zu überzeugen, dass es besser ist eine Familie in Cuba zu haben, als sich alleine in den USA durchzuschlagen. Die Familie Garcia hat viele Kinder, ein Fluchtversuch kostet, Mariela würde nicht alle ihre Kinder mitnehmen können und ihr Mann will bleiben.

Die Realität ist hart, das älteste ihrer Kinder kann die schulische Ausbildung nicht fortführen. So lernt der Sohn das Handwerk seines Vaters. Die Sonne geht unter, als der Junge alleine mit dem Fischerboot heimfährt. Die Wellen schlagen gegen das Boot, Gitarrenklänge begleiten die Aufnahmen. Es bleibt das Meer, ein schönes, gefährliches Versprechen.

Eine Dokumentation, die die Geschichte Kubas in mehreren Folgen detailliert beschreibt, ist „The Cuba Libre Story“, die 2016 auf Netflix veröffentlicht wurde.

Die NewYork Times hat mehrere Artikel bezüglich dem Ende der „wet foot, dry foot policy“ herausgebracht

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 26.04.2024 bearbeitet.

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