Schüleraustausch selber organisieren: der lange Weg nach Sibirien

Reisen
Hannah Dahl / 30.01.2020
2 Postkarten einer sibirischen Stadt

Was früher noch als Seltenheit und Privileg galt, gehört inzwischen schon fast zum guten Ton - viele österreichische Jugendliche verbringen während ihrer Schulzeit ein Semester oder sogar ein ganzes Jahr im Ausland. Die Beweggründe dafür sind unterschiedlich und reichen von Interesse an Kultur und Sprache bis hin zu frühzeitiger Urlaubsreife und Sehnsucht nach dem Süden. Durch Organisationen wie AFS und EF kommen alle auf ihre Kosten – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn obwohl die Teilnahme an einem Austauschprogramm für Jugendliche aus ärmeren Verhältnissen finanziell unterstützt wird, gibt es nur äußerst geringe Förderungen, die sich an schulischen und außerschulischen Leistungen orientieren.

Besonders für Jugendliche, die ihren Aufenthalt in weniger populären Zielländern verbringen möchten, sind die Möglichkeiten stark begrenzt und überteuert. So gab es für mein Reiseziel – bitte nicht schrecken: Russland – nur eine einzige Organisation, die ein Austauschprogramm anbot. Die Kosten für den Spaß: 7.000 Euro, persönliche Ausgaben vor Ort nicht einberechnet. Puh. Obwohl meine Eltern sich dazu bereit erklärten, mir den Aufenthalt zu finanzieren, konnte ich mich damit schlussendlich nicht abfinden und machte mich daran, nach Alternativen zu suchen. Einen Austausch privat zu organisieren konnte ja nicht so schwer sein - oder?

(c) Hannah Dahl

Der erste Anlauf

Durch einige Kontakte und hilfsbereite LehrerInnen schaffte ich es schließlich, mit einer Schule in der russischen Kleinstadt Smolensk in Kontakt zu treten, die sich zur Kooperation bereiterklärte und mir bald auch eine Gastfamilie übermittelte. Die Umstände hätten nicht besser sein können - Polina, meine gleichaltrige Gastschwester, war mir vom ersten Skype-Anruf an sympathisch, die Familie war aufgeschlossen und gastfreundlich. Durch viel Recherche schafften es meine Eltern und ich, alle nötigen Dokumente zusammenzutragen und waren auch kurz davor, das Visum zu beantragen – als etwa zwei Wochen vor meinem geplanten Abflug der Anruf kam. Etwas war geschehen, was genau, wusste keiner. Offenbar gab es Probleme mit der örtlichen russischen Behörde.

Die Wochen, die darauf folgten, waren schwer erträglich und konnten nur durch lange Spaziergänge, Musik von Nirvana, guten Büchern und seeehr viel Schokolade gerettet werden. Die letzte Ferienwoche war angebrochen, das neue Schuljahr würde bald beginnen – und ich würde mich mit der Situation abfinden müssen. Einige Zeit überlegte ich, doch durch die Organisation zu fahren. Es war zwar nicht meine Art, aufzugeben, aber unter den Umständen wollte ich nur eines: weg.

Und es klappt doch

Durch glückliche Umstände – manche würden es wohl als Schicksal bezeichnen – offenbarte sich im letzten Moment doch noch eine Chance. Diesmal würde tatsächlich eine Organisation den Aufenthalt koordinieren – die NGO „INTERRA“, die sich auf den Austausch freiwilliger PraktikantInnen zwischen Deutschland und Russland spezialisiert. Die Kosten für die Programmteilnahme umfassten ausschließlich den Flug sowie die persönlichen Ausgaben vor Ort – dafür sollten meine Eltern und ich uns dazu bereit erklären, einen russischen Austauschschüler für drei Monate zu beherbergen.  

(c) Hannah Dahl

Sibirien!?!

Es dauerte noch einige Zeit, bis ich es schaffte, meine Eltern vollständig von dieser Möglichkeit zu überzeugen. Die NGO hatte ihren Hauptsitz nämlich nicht etwa in Moskau oder Sankt Petersburg, sondern in der Stadt Krasnojarsk, dem geographischen Herzen Sibiriens. Bei winterlichen Temperaturen von bis zu - 42 Grad würde ich hier das echte Russland erleben – fernab vom starken europäischen Einfluss im Westen. Die Stadt selber ist kein zweites Moskau – zu den Sehenswürdigkeiten gehört laut Wikipedia vor allem eine Autobahn, die sich auf einer imposanten Brücke über den Jenissej erstreckt.  

Auch was meinen russischen Austauschpartner betrifft, hegten sowohl meine Eltern als auch ich einige Bedenken. Das erste Skype-Gespräch verlief mittelmäßig, auch schienen wir anfangs nur wenig gemeinsame Interessen zu haben. Erst mit der Zeit offenbarte sich, dass wir doch sehr viele Gemeinsamkeiten haben - wir lesen beide sehr gerne, sind sehr sprachaffin und führen eigene Blogs.

Schlussendlich haben wir uns doch entschieden, die Sache durchzuziehen. Stepan ist bereits seit dem 3. November in Österreich – wie sich das Zusammenleben entwickelt, werde ich in meinem nächsten Artikel genauer schildern.

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