Über Nebenwirkungen der Pille, AstraZeneca und soziale Medien

Leben
Mona Harfmann / 18.03.2021
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Thrombose als Nebenwirkungen der Pille. Abgebildet ist ein Beipackzettel.

Aktuell machen in sozialen Medien Grafiken die Runde, in denen die Thrombose-Gefahr durch die Antibabypille mit den möglichen Nebenwirkungen der AstraZeneca-Impfung verglichen wird. Warum bei dem Vergleich Vorsicht geboten ist – und weshalb die Risiken der Pille dennoch mehr thematisiert gehören.

Wir junge Menschen sind ja bekanntlich sehr Social-Media-affin. Im Minutentakt refreshen wir unseren Instagram-Feed, nehmen in Tweets Positionen zu diversen gesellschaftlichen Problemen ein und informieren uns über Wirtschaft, Politik und Gesellschaft durch Inhalte, die online geteilt werden. Das haben auch klassische Medien mittlerweile erkannt und längst ihre eigenen Social Media-Seiten kreiert. Wir Jungen, wir sind nicht nur rund um die Uhr informiert, wir können auch selbst rund um die Uhr informieren – indem wir eigenständig Inhalte teilen. Warum auch nicht, wenn wir für Themen brennen und sich das Ganze einfach und innerhalb von Sekunden erledigen lässt? Wie schnell sich dadurch Gedankenanstöße verbreiten, zeigt die aktuelle Debatte rund um die Nebenwirkungen der Antibabypille, kurz Pille, und Astra Zeneca.

Thrombose-Risiken

In Deutschland wurden laut dem Paul-Ehrlich-Institut bei sieben Fällen in zeitlicher Nähe zu einer Astra Zeneca-Impfung Sinusvenenthrombosen beobachtet, eine seltene Form einer Blutgerinnung in den Hirnvenen. Drei Menschen sind dadurch gestorben, insgesamt wurden 1,6 Millionen Menschen in Deutschland mit Astra Zeneca geimpft. In der Diskussion rund um eine mögliche Aussetzung der Astra Zeneca-Impfungen (die in Deutschland inzwischen vorläufig stattgefunden hat) machen einige Frauen via Twitter auch auf die Thrombose-Gefahr der Pille aufmerksam.

„Es gibt ja diesen „Scherz“, was wäre wenn Männer die Pille nehmen müssten. Jetzt wissen wir es – sie wäre verboten. #thrombosen #astrazeneca“, lautet ein Post.

Oder: „Wollen wir vielleicht dann lieber nur noch junge Frauen mit #AstraZeneca impfen, bei denen hat es bisher ja auch niemanden gekümmert, dass die durch die Pille thrombosegefährdet sind.“

Wie thrombosegefährdend die Pille wirklich ist, wird detailliert in einem Beipacktext wie diesem geschildert: „Bei der Einnahme kann das Risiko für ein Blutgerinnsel (eine sogenannte Thrombose) leicht erhöht sein. Die Wahrscheinlichkeit für ein Blutgerinnsel wird durch die Einnahme im Vergleich zu Frauen, die keine Anti-Baby-Pille nehmen, nur leicht erhöht. Es erfolgt nicht immer eine vollständige Erholung und 1-2% der Fälle können tödlich verkaufen.“ Weiters führt der Beipacktext aus, dass das Risiko von Blutgerinnseln in einer Vene weiter steigt, wenn die Anwenderin älter ist, raucht (da sich hier die Blutgefäße verengen), übergewichtig ist, einen nahen Verwandten hat, der ein Blutgerinnsel in Bein, Lunge oder in einem anderen Organ hatte, wenn sie kürzlich operiert wurde oder ein eingegipstes Bein hat. Auch Blutgerinnsel in einer Arterie bei der Einnahme der Pille können mit zunehmendem Alter, bei Raucherinnen, Frauen mit erhöhtem Blutdruck, erhöhten Blutfettwerten, Migräne oder Herzproblemen auftreten.

Erfahrungsbericht Thrombose: „Ich habe keinerlei Aufklärung bekommen, dass das einen negativen Zusammenhang haben kann – Pille und Flug.“

Was eine Thrombose alles im Körper auslösen kann, musste Anna im vergangenen Jahr (Name geändert, Anm.) am eigenen Leib erfahren. Im Winter 2019 geht sie ins Ausland, kurz davor stattet sie der Frauenärztin sicherheitshalber noch einen Besuch ab. Anna überlegt, ob sie sich die Pille verschreiben lassen soll – weil sie unsicher ist, gibt ihr die Frauenärztin einfach eine Packung mit. Im Ausland beginnt Anna, die Pille zu nehmen und alles läuft nach Plan.

Dann, im Frühling 2020, einige Tage nach ihrem mehrstündigen Rückflug nach Österreich, passiert alles Schlag auf Schlag. Anna bekommt keine Luft mehr und erleidet aufgrund einer Thrombose eine Lungenembolie. Die 20-jährige wird sofort ins Krankenhaus gebracht, was ihr das Leben rettet. Dass die Thrombose durch das lange Sitzen im Flugzeug und die Einnahme der Pille ausgelöst wurde, kann nicht mehr eindeutig nachgewiesen werden, es ist jedoch sehr wahrscheinlich.

„Ich habe keinerlei Aufklärung bekommen, dass das einen negativen Zusammenhang haben kann – Pille und Flug. Es nehmen so viele Frauen die Pille. Ich habe mir die Nebenwirkungen schon angeschaut, aber nie gedacht, dass ich dann zu den wenigen gehöre, die eine Thrombose bekommen“, sagt Anna. Im Nachhinein betrachtet fühlt sie sich von ihrer Frauenärztin zu wenig darüber aufgeklärt, was bei der Einnahme der Pille für Risiken hätten anfallen können. „Es war von beiden Seiten nicht gut durchdacht, weder von ihr, noch von mir. Ich dachte mir halt, wenn etwas ist, dann kann ich die Pille ja eh jederzeit absetzen.“

Bis zu 12 von 10.000 Frauen können Thrombose bekommen

Pille und Kondom werden in Österreich am öftesten bei jungen Menschen zur Verhütung verwendet, wobei mittlerweile auch nicht-hormonelle Verhütungsmethoden wie die Kupferspirale bei Frauen unter 30 Jahren immer beliebter werden. Laut dem Verhütungsreport 2019 nehmen 34 % der Österreicherinnen die Pille, das hormonelle Verhütungsmittel liegt damit an zweiter Stelle hinter dem Kondom (38 %). Knapp die Hälfte der jungen Erwachsene zwischen 21 - 29 Jahren verhüten mit der Pille, genauso verhält es sich bei Jugendlichen zwischen 16 - 20 Jahren.

Pille ist jedoch nicht gleich Pille. Die verschiedenen Antibabypillen werden in unterschiedliche Generationen eingeteilt, in denen sich die Zusammensetzung der Hormone unterscheiden. In den Pillen der ersten und zweiten Generation ist etwa Levonorgestrel oder Norgestimat enthalten, in Pillen der dritten und vierten Generation werden Desogestrel, Dienogest, Gestoden und Drospirenon mit einem Östrogen kombiniert. Schätzungsweise fünf bis sieben von 10.000 untersuchten Frauen erleiden bei der Einnahme einer Pille der ersten oder zweiten Generation eine Thrombose, bei der dritten und vierten Generation sind es neun bis 12 Frauen, so quarks.de.

ExpertInnen warnen vor Vergleichen mit Impfung

Im Interview mit dem Kurier warnte der Präsident der Gesellschaft für Internistische Angiologie (ÖGIA) Thomas Gary vor einem Vergleich mit den Nebenwirkungen der Antibabypille und AstraZeneca. Er verweist darauf, dass Frauen nicht generell durch die Pille gefährdet, sondern zusätzliche Faktoren – wie beispielsweise Rauchen – ausschlaggebend seien. Auch der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach sprach sich im Deutschlandfunk gegeneine Parallele zwischen AstraZeneca-Nebenwirkungen und jene der Antibabypille aus, da es sich bei den beobachteten Fällen der Sinusvenenthrombosen um eine sehr spezielle Art und damit verbunden auch andere Risiken handele. Wie genau die bisher aufgetretenen Nebenwirkungen mit AstraZeneca in Zusammenhang stehen, kann derzeit noch nicht eindeutig beantwortet werden.

Nur die bessere Aufklärung über Nebenwirkungen kann helfen

Egal, um welche Art der Thrombose es sich nun handelt – sie sollte auf jeden Fall vermieden werden, was auch durch Aufklärung erreicht werden kann. Im Idealfall geschieht dies bereits in Absprache mit der Frauenärztin, bevor die Pille verschrieben wird. Auch eine Blutuntersuchung auf Gerinnungsstörungen kann vor der Entscheidung, mit oder ohne Pille zu verhüten, durchgeführt werden.

Bei dem Vergleich zwischen den möglichen Nebenwirkungen einer Impfung, die erst genauer unter die Lupe geworden werden müssen, ist dennoch Vorsicht geboten. Die Risiken der Pille gehören mehr thematisiert, mögliche Alternativen offener besprochen – der Debattenraum hierfür ist jedoch ein anderer.

Quellen & weiterführende Links

 

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 23.04.2024 bearbeitet.

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