Hass im Netz die Stirn bieten

Politik
Pauline Tagwerker / 03.12.2018
Social Media

In den letzten Wochen beschäftigte die Causa „Craftbeer“ um die ehemalige Nationalratsabgeordnete der Grünen Sigrid Maurer die Öffentlichkeit. Der Prozess hat mit einem, für viele, überraschenden Urteil geendet: Maurer wurde wegen übler Nachrede schuldig gesprochen, weil sie sexistische Nachrichten, die ihr im Privatchat zugesendet wurden, öffentlich gemacht hatte und zu einer Geldstrafe von insgesamt 7.000 Euro verurteilt. Daraufhin hat sie angekündigt, in Berufung zu gehen und gemeinsam mit dem Verein ZARA (Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) den „Rechtshilfefond gegen Hass im Netz“ ins Leben gerufen. Dieser soll Maurers Prozesskosten finanzieren und weitere Betroffene bei ihren Klagen unterstützen. Die erste Phase hat das Finanzierungsziel in kürzester Zeit erreicht, jetzt wurde das Projekt ausgeweitet.

Hürde Prozesskosten

Hass im Netz ist ein Thema, das jeden von uns betreffen kann und mit der zunehmenden Nutzung von Internetdiensten wie Facebook, Whatsapp und Co. auch immer mehr an Bedeutung gewinnt. Philippe Schennach vom Verein ZARA betont, dass vielen Personen zwar bewusst sei, dass Hass im Netz nicht in Ordnung ist, aber nicht allen Internet-NutzerInnen bekannt sei, dass es sich hierbei auch um eine Straftat handeln kann. Die geltende Rechtslage ist im Fall Maurer jedoch nicht eindeutig, denn es gibt in Österreich kaum Möglichkeiten, sich rechtlich zu wehren, wenn man Hassbotschaften oder beleidigende Nachrichten per Privatchat erhält. Für den Straftatbestand Cybermobbing (§107c StGB) muss es sich um fortgesetzte, öffentliche Belästigungen handeln, während der Stalking-Paragraph (§107a StGB) nur dann greift, wenn der Täter oder die Täterin eine entsprechende Beharrlichkeit an den Tag legt. Betroffene müssen also warten, bis sie lange genug belästigt wurden, um sich wehren zu können. Auch Philippe Schennach sieht hier ein Problem: „Bei (sexueller) Belästigung via Privatnachrichten oder E-Mails sind die rechtlichen Möglichkeiten aktuell noch sehr beschränkt. Personen schrecken vor allem häufig davor zurück, rechtliche Schritte einzuleiten, weil sie bei zivilrechtlichen Klagen vor der großen Hürde des Prozesskostenrisikos stehen.“

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Gerade bei der Abdeckung der Prozesskosten spielt der Rechtshilfefond eine große Rolle. Durch die Hilfe der SpenderInnen können mehr Präzedenzfälle durchgeführt und mehr Betroffene unterstützt werden. „Durch die finanzielle Unterstützung sind wir in der Lage, mehr Rechtsverfahren gegen BelästigerInnen einzuleiten und zu klagen - etwa auf Beleidigung, Unterlassung oder Schadenersatz. Diese Fälle helfen uns auch, die Gesetzgebung in Bezug auf Hass im Netz zum Positiven zu beeinflussen“, sagt Schennach. Umso wichtiger sei, es diesen Fond weiter auszubauen.

Beratungsstelle #GegenHassimNetz

Wer selbst von Hass im Netz betroffen ist, sollte sich bei der Beratungsstelle #GegenHassimNetz melden. „Diese Beratungsstelle kümmert sich um Betroffene von unterschiedlichen Arten von Hasspostings, Cybermobbing und anderer Formen von verbaler und psychischer Gewalt im Internet“, sagt ZARA-Mitarbeiter Philippe Schennach. Alle Fälle würden nach ihrer strafrechtlichen Relevanz geprüft. „In weiterer Folge werden die KlientInnen, nach einer rechtlichen Ersteinschätzung, von erfahrenen BeraterInnen über ihre Handlungsoptionen aufgeklärt und über mögliche Gegenstrategien informiert.“

Auch UserInnen können Betroffene unterstützen, indem sie zum Beispiel Beiträge kommentieren und liken oder GIFs und Videos posten, um den betroffenen Personen den Rücken zu stärken, wenn sie ZeugInnen von Hass im Netz werden. Schennach sagt dazu: „Für Betroffene ist es wichtig zu wissen, dass sie nicht alleine mit Hass im Netz klarkommen müssen und dass es ein Umfeld und Mitlesende gibt, die verstehen, warum Hass im Netz verletzend ist und wie viel Belastung daraus entstehen kann.“

Wer den Rechtshilfefond gegen Hass im Netz unterstützen möchte, findet hier alle Infos. Die Beratungsstelle #GegenHassImNetz und viele andere Meldestellen findest du hier am Jugendportal.

4 Fragen an Sigrid Maurer

Ihr Fall ist ein "Präzedenzfall", die österreichische Justiz hatte bisher noch keine vergleichbaren Fälle auf dem Verhandlungstisch. Sie selbst sagen ja, dass formal am Urteil nichts zu bemängeln sei bzw. dass Sie verstehen, wieso der Richter so gehandelt hat, aber was sagt ein Urteil wie dieses über die Justiz in Österreich bzw. die gängige Rechtsordnung aus? Und was für Folgen hat das für Betroffene?

Sigrid Maurer: Der Richter hat ganz sicher nicht unkorrekt gehandelt. Aber er hätte die Beweise auch ganz anders würdigen können - deshalb hoffe ich, dass ich in der nächsten Instanz gewinne. Über die Justiz oder die Rechtsordnung sagt das erstmal noch nichts aus. Definitiv problematisch wäre es aber, wenn sich nun alle bei Kommunikation über das Internet darauf rausreden könnten, dass es einfach wer anderes war. Damit könnte man grundsätzlich keinem E-Mail und keiner Nachricht mehr trauen. 

Könnte es sein, dass sich jetzt, nach diesem Urteil, noch weniger Betroffene trauen, ihren Fall zur Anzeige zu bringen? Was muss Ihrer Meinung nach noch getan werden, um die betroffenen Personen zu unterstützen? (Das Rechtshilfefond-Projekt ist ja eine Maßnahme, um betroffene Personen vor allem bei den finanziellen Angelegenheiten zu entlasten.)

SM: Ich hoffe doch, dass das Gegenteil der Fall ist. Es muss ja nicht jede Betroffene meine Vorgangsweise wiederholen und den Hass mit Verweis auf den Namen veröffentlichen. Der Rechtshilfefonds ist dazu da, nicht nur die Klagen, sondern auch die dafür notwendige, vorbereitende Beratung zu finanzieren. Wichtig ist aber vor allem, den Hass und die Erfahrungen von Betroffenen ernst zu nehmen, und nicht herunterzuspielen.

Was ist auf längerfristige Zeit das Ziel des Projekts? Dient es hauptsächlich zur Unterstützung von weiteren betroffenen Personen oder soll es auch einen gewissen Druck ausüben (eventuell. um die Rechtslage zu adaptieren) und das Thema mehr in die Öffentlichkeit holen?

SM: Mittelfristiges Ziel ist es natürlich, eine Gesetzesänderung zu erreichen, so dass sich alle Betroffenen unbürokratisch, rasch und kostenlos gegen Hass im Netz wehren können.

Welche Vorgehensweise raten Sie betroffenen Personen?

SM: Als allererstes gilt immer: Dokumentieren. Screenshots machen, falls notwendig auch Gedächtnisprotokolle anfertigen von den jeweiligen Situationen. Dann kann man in Ruhe mit FreundInnen und der Beratungsstelle sprechen und darüber entscheiden, wie man weiter vorgehen möchte.

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