„Diese ,alten‘ Leute bestimmen unsere Zukunft, aber eigentlich gehört sie ja uns!“

Engagement
Anna-Maria Hirschhuber / 22.03.2021
Mitglied von Jugendr.at mit einem Banner

Dies ist kein neutraler Artikel

Für diese ist es nämlich schon zu spät. Nicht nur in meinen Augen, sondern in den Augen vieler, besonders jüngerer Menschen. Sie gehen auf die Straßen in Innsbruck, Wien, Istanbul, Moskau, Hongkong, Berlin, New York oder Neu Delhi. Covid-19 hat nicht nur uns ins Unglück gestürzt, sondern auch den Rest der Welt, das ist klar, doch wir werden die Suppe auslöffeln müssen, die in den letzten Jahren fabriziert wurde. Mühsam hanteln wir uns von einem Lebensabschnitt zum nächsten, freuen uns über die Dinge, von denen uns in der kapitalistischen Sozialisation gelernt wurde, dass sie uns erfreuen sollen. Freude ist besser als nichts. Mehr ist besser als wenig und am wenigsten haben die, die alles haben, oder? So wurde uns das gelernt, damit wir uns nicht schlecht fühlen, wenn wir einmal nicht so glänzen. Doch die Welt glänzt schon lange nicht mehr. Kinder werden nicht nur abgeschoben, sondern trotz riesiger medialer Aufmerksamkeit und Empörung aus ihrer Welt herausgerissen. Diktatoren lassen sich auf Lebzeiten annektieren und die Erde brennt immer noch.

Die Geschichte verläuft in Sinus-Kurven. Paradigmenwechsel folgen auf den nächsten ohne Unterlass. Am besten passt hier das Motto der Wilden Kerle: “Alles ist gut, solange du wild bist!“ oder solange du dich traust, für das aufzustehen, was dir wichtig ist! 

Wer beschwert sich? Wer steht auf?

Die, die es am meisten betrifft. Die jüngeren Generationen, die jedoch kaum auf einer institutionalisierten Basis eine Stimme haben. Sie finden jedoch selbst einen Weg, um auf sich aufmerksam zu machen, durch Organisationen wie Fridays for Future oder dem daraus resultierten Jugendr.at. Deswegen habe ich bei Philippa Kaufmann, Mitglied vom Jugendrat, einmal nachgefragt, wofür sie sich engagieren und wie man sich auch als jüngerer Mensch in der Politik Gehör verschaffen kann. Jugendr.at ist auch auf Instagram.

Über Jugendrat

Der Jugendrat hat sich unter der Leitung von Lena Schilling aus der Umweltbewegung Fridays for Future in 2019 herauskristallisiert, um das Aufhänger-Problem der Klimakrise um soziale und ökonomische Themen zu erweitern.

Anfang des Jahres 2020 hielten sie den ersten großen „Jugendrat“ in Wien in der Marx Halle ab und diskutierten mit rund 50 TeilnehmerInnen die derzeitige Politik, ihre Pläne, Wünsche und Forderungen. 

Interview mit Philippa Kaufmann

Das Interview führte Anna Hirschhuber

Anna: Was ist der Jugendrat, kurz und knapp?

Philippa: „Der Jugendrat ist eine Jugendorganisation mit dem Ziel, der Jugend eine Stimme zu geben! Wir haben das Gefühl, dass diese „alten Leute“ unsere Zukunft bestimmten, aber es geht ja um unsere Zukunft. Deswegen wollen wir vor allem SchülerInnen eine Stimme geben, weil diese weniger Zugang zu politischen Organisationen haben. Wir versuchen, junge, politische Menschen auch untereinander zu vernetzen, zum Beispiel durch Schulkomitees. Unsere Haupthemen sind der Klimawandel und soziale Missstände.“

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Philippa Kaufmann

Anna: Wie kamst du zum Jugendrat?

Philippa: „Über Lena Schilling. Wir sind gemeinsam auch bei Fridays for Future Wien tätig und sie hat mich eingeladen, mal vorbeizuschauen. Momentan bin ich hauptsächlich Social-Media Koordinatorin, plane aber auch Aktionen und bin dann meistens live bei diesen dabei. Wir sind auf Instagram sehr aktiv – Content kreieren, recherchieren und posten. Wir haben zwar ein paar fixe Positionen, aber grundsätzlich kann jede/r sich dort einbringen, wo es einem am besten gefällt.“

Anna: Ist Lena Schilling aus Fridays For Future ausgetreten, um den Jugendrat zu gründen? Unterstützt FFF auch den Jugendrat heute? Inwieweit besteht hier eine Zusammenarbeit? Gibt es auch inhaltliche Differenzen?

Philippa: „Lena Schilling arbeitet noch immer ab und an bei FFF mit, aber aus Zeitmangel natürlich weniger. FFF und der Jugendrat sind zwei getrennt Bewegungen und Organisationen, zwischen denen aber eine Zusammenarbeit möglich ist. Einige Leute sind auch in beiden Organisationen tätig, inklusive mir. Die Ziele sind weitegehend ident in Bezug auf den Klimaschutz, jedoch denkt der Jugendrat in vielen Angelegenheiten weiter und ist nicht nur auf das Klimathema beschränkt.“

Bild: Jugendr.at

Gründungsmitglied Lena Schilling 

Anna: Was sind eure größten Ziele?

Philippa: „Wir haben 3 Forderungen, die sich aus einer Umfrage mit knapp 2.000 SchülerInnen ergeben haben:

1. Mitsprache im Lehrplan
2. Gratis Öffis
3. Inland-Flüge müssen gestoppt werden“

Anna: In welchem Alter sind eure Mitglieder?

Philippa: „Wir sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Wir haben äußerst engagierte und motivierte 12-jährige Mitglieder, aber auch ältere Jugendliche und StudentInnen, die die Organisation führen. Alle sind willkommen, aber wir konzentrieren uns am meisten auf SchülerInnen, da sie am wenigsten Vertretung haben.“

Anna: Wo steht ihr im Moment als Organisation und was sind eure nächsten Schritte?

Philippa: „Im Moment sind wir noch in Wien, aber wir sind im ständigen Ausbauversuch. Mitmachen können alle aus ganz Österreich. Ein nächster Schritt wäre unsere dezentrale Struktur noch mehr zu festigen und die interne Organisation auf ein höheres Level zu heben durch ein Strategietreffen.“

Anna: Wieso gibt es kein Impressum auf eurer Website (Kontaktmöglichkeit, Verantwortliche)?

Philippa: „Die Website ist gerade in Arbeit, aber es gibt eine Email über die wir erreichbar sind: wien.jugendrat@gmail.com. Ich bin eine der Verantwortlichen für die Website.“

Anna: Wie hat Covid-19 eure Arbeit beeinflusst?

Philippa: „Es ist für alle Jugendorganisationen schwer in dieser Zeit. Online-Treffen gibt es, aber sie sind auch nicht das Wahre. Wir haben dennoch Aktionen gemacht mit Masken und Abstand. Covid-19 hat uns auch die Chance geboten, noch einmal zu reflektieren: Wer sind wir? Wo wollen wir hin und wie kommen wir dort an? Corona hat Probleme für die Gesellschaft gebracht und genau dort können wir ansetzen. Die Pandemie also auch als Chance auf Besserung.“

Anna: Was sagst du zur derzeitigen Politik in Österreich?

Philippa: „Wir haben in dieser Krise gesehen, wie inkompetent viele unserer PolitikerInnen sind. Auch im dritten Lockdown gingen die Zahlen nicht runter. Menschen sterben. Die Bevölkerung hört nicht mehr auf die Regierung, weil sie kein Vertrauen mehr in sie hat.“

Anna: Die Grünen sitzen in der Regierung. Hätte sich nicht etwas ändern sollen?

Philippa: „Die Befürchtung, dass sich die Grünen in der Regierung nicht durchsetzen würden, war in vielen Organisationen davor schon da. Sie ist leider wahr geworden. Ihr Sitz in der Regierung kombiniert mit ihrem Verhalten, könnte der ganzen Linken-Bewegung geschadet haben. Zusätzlich ist in Wien die Koalition Rot-Grün aufgebrochen – Ich kann mir nicht vorstellen, dass da etwas Gutes rauskommen wird.“

Anna: Glaubst du, dass die PolitikerInnen „checken werden“, dass die Welt untergeht? Wenn ja, wann?

Philippa: „Sie werden es irgendwann checken müssen, aber dafür muss man es ihnen immer wieder vorsagen und dafür sind wir da mit Streiks, Demos, Konferenzen und Vorschlägen. Es gibt Hoffnung. Wir haben so viele aktive und engagierte Menschen in Österreich. Sie können uns nicht ewig ignorieren.“

Anna: Vernetzt ihr euch auch international?

Philippa: „Ja, der Plan ist auf jeden Fall da. Mit einigen Organisationen haben wir auch schon Kontakt, wie in Deutschland zum Beispiel. Konkrete Aktionen haben wir jedoch noch nicht geplant.“

Anna: Was sind die größten Bedrohungen im Moment für die Gesellschaft?

Philippa: „Die Klimakrise und alles was mit ihr in Verbindung steht: Jugendarbeitslosigkeit, die Einkommensschere usw.“

Anna: Cicero hat gesagt: „Oft ist der Mensch selbst sein größter Feind“. Wie siehst du das, stimmt das?

Philippa: „Ja und nein. Menschen machen sich selbst Probleme (vor allem PolitikerInnen). Aber wir haben auch das Potential Gutes zu tun. Wir helfen uns eigentlich gegenseitig gerne. Einem Einzelnen kann es eigentlich nur gut gehen, wenn es anderen auch gut geht.“

Anna: Wenn du als Bundeskanzlerin kandidieren würdest, was wäre dein Partei-Logo?

Philippa: „Natürlich das Zeichen vom Jugendr.at!“

Weiterführende Links

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Jugendportal.at wurde zuletzt am 26.04.2024 bearbeitet.

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