Obacht, Haltung - Warum man* sich im Journalismus nicht nicht positionieren kann

Kultur & Events
Lena Hinterhölzl / 11.11.2019
Journalistinnen Kongress/APA-Fotoservice/Godany

Die Prunksäle der Industriellen Vereinigung sind bereits gut gefüllt, als Nana Siebert, stellvertretende Chefredakteurin von Der Standard, die Bühne des 21. Journalistinnenkongresses in Wien betritt. In wenigen Minuten wird sie mit renommierten Journalistinnen über die Positionierung des Journalismus zwischen Objektivität und Aktionismus debattieren. Die Diskussion ist – frei nach dem Werbeslogan des ihr unterstellten Blattes – ganz der Haltung gewidmet.

Ihr gegenüber sitzen Rosemarie Schweiger, Claudia Zettel, Nadia Kailouli, und Barbara Toth – von ARD bis Falter alles vertreten. Es geht um Distanz und Engagement. Wie über Brutalität berichten, über Gewalt an Frauen oder Schwangerschaftsabbruch, und vor allem: Wo endet objektive Berichterstattung und ab wann beginnt Aktionismus?

„Wo ich nicht mehr neugierig bin auf neue Argumente, mich nicht mehr überraschen lasse, Fakten verdrehe – da beginnt Aktionismus“, so Rosemarie Schweiger, Redakteurin für das Profil. Man* dürfe sie hier nicht missverstehen, ergänzt sie später. Natürlich müsse man* als Journalist*in für gewisse Werte, wie etwa Presse- & Medienfreiheit, eintreten. Jedoch spräche sie von Lobbyismus im Journalismus.

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(c) Jaqueline Godany APA

Ihre Kollegin Nadia Kailouli vom ARD pflichtet ihr bei: „Ich finde es vor allem wichtig, dass man transparent arbeitet, aber dennoch Haltung zeigt.“ Die gerade erst von Board der Seawatch 3 gegangene Journalistin erläutert die Notwendigkeit, den Leser*innen und Zuseher*innen nicht nur das Ergebnis einer Recherche, sondern auch deren Verlauf darzulegen. Sie selbst habe in den 3 Wochen auf See regelmäßig Videos via Instagram veröffentlich, in welchen sie von den Erlebnissen an Bord des Rettungsschiffes unter Karola Racketes Führung berichtete.

Solange diese sich nicht auf die Ergebnisse auswirken & der Auftrag des Berichtens erfüllt würde, könne man durchaus als Privatperson zeitgleich ambivalente Emotionen empfinden und zu diesen auch klar stehen.

Journalist*innen sind also auch nur Menschen – eh schon wissen. Claudia Zettel von future zone bringt einen neuen Aspekt ein: „Es gibt eben auch oft Situationen, in der Meinungen nicht gleichwertig richtig oder zulässig sein können. Oft handelt es sich hier auch gar nicht mehr um Meinungen, sondern um Fakten – siehe Thema Menschenrechte beispielsweise.“ Laut Zettel gelte es besonders in solchen Fällen als umso notwendiger, klar & authentisch zu seinen Werten zu stehen.

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(c) Jaqueline Godany APA

Sie selbst nutze hierfür besonders die Online-Plattform Twitter. Mit über 20.000 Followern ist sie im Netz mittlerweile auch eine kleine Berühmtheit.  

Und dann noch das leidige Argument des „neutralen Journalismus“. Ob das denn überhaupt gehe, stellt Siebert provokant in den Raum. „Nein“, lautet die einstimmige Antwort. Nehme man zwei Zitate, einmal das des Spiegel-Chefredakteurs: „Wir müssen offenen Widerstand leisten gegen Trump“ und das des Verlegers der Washington Post: „Wir sind nicht im Krieg, sondern machen unsere Arbeit“ - keiner der beiden positioniere sich nicht.

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(c) Jaqueline Godany APA

Überspitzt gesagt: Richtig machen geht gar nicht. Weder vollkommene Neutralität noch Propaganda machen guten Journalismus aus. Ja, und was dann? Bevor diese Frage gestellt werden konnte, war die Zeit leider um. Cliffhanger sozusagen? Möglicherweise. Vielleicht wird die Antwort beim nächsten Kongress geliefert, wenn es wieder heißt: Journalist*innen dieses Landes empowert euch.

 

 

 

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