Zeit für Respekt

Leben
Sarah Emminger / 13.03.2020
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Landschaftsbild

Als am Dienstag während der Vorlesung jemand in die Whatsapp-Gruppe unseres Studiengangs schrieb, dass die Unis und FHs zugesperrt werden sollen, waren viele von uns überrascht. Fast niemand hat damit gerechnet, dass von heute auf morgen so drastische Maßnahmen gesetzt werden. Wir haben also die Informationen bekommen und uns die Pressekonferenz mit Kurz, Anschober und Nehammer angeschaut. Erst dann haben wir begonnen, zu überlegen. Was bedeutet das jetzt?

Inklusive Osterferien für fünfeinhalb Wochen keine FH zu haben, hört sich am Anfang ja nicht so schlecht an. Aber wie soll das mit dem Online-Learning ausschauen? Was ist mit unseren Projekten? Das mit den Veranstaltungsabsagen betrifft uns junge Leute natürlich auch. Ein paar meiner Studienkolleginnen wären auf ein Konzert gegangen, das jetzt flachfällt. Fortgehen wird auch eher schwierig werden. Man hat gemerkt, dass es ein Thema ist, das uns jetzt plötzlich unmittelbar betrifft. Es wurde über fast nichts anderes mehr geredet. Am Abend kam dann die Mail von der FH, dass die Lehrveranstaltungen ab dem nächsten Tag nicht mehr stattfinden.

Jetzt bin ich für die nächsten Wochen daheim bei meiner Familie am Land. Hier bekommt man die Auswirkungen wahrscheinlich nicht so drastisch mit wie in der Stadt, wo normalerweise viele Leute unterwegs sind, weil hier generell eher wenig los ist. Wenn ich rausgehe, fühle ich mich auch relativ sicher. In unserem kleinen Dorf rechne ich nicht wirklich damit, dass ich jemandem begegnen könnte, der infiziert ist. Hier sind die Menschen verteilter, die Häuser sind weiter auseinander. Öffis werden sowieso von den wenigsten benützt, hier sind noch alle auf das Auto angewiesen.

Gedanken mache ich mir trotzdem. Jetzt bin ich noch viel allein, ab Montag ist dann auch meine Schwester von der Schule zuhause. Meine Großeltern wohnen im gleichen Haus, einen Stock unter uns. Normalerweise würde ich an freien Tagen viel Zeit mit ihnen verbringen, aber irgendwie habe ich beim Gedanken daran ein mulmiges Gefühl im Bauch. Vom Alter her gehören sie zur Risikogruppe und meine Oma hat Vorerkrankungen. Auch wenn ich mich nicht krank fühle und keinerlei Symptome aufweise, könnte ich trotzdem Überträgerin sein. Deshalb versuche ich eher, oben zu bleiben und Abstand zu ihnen zu halten.

Bei einer anderen Verwandten ist es so, dass wir sie jetzt nicht mehr im Altersheim besuchen können. Die Maßnahme ist natürlich wichtig, aber wir machen uns alle Sorgen, wie sich das auf sie auswirken wird. Sie ist dement und versteht das mit dem Virus nicht richtig. Wenn wir sie nicht mehr besuchen kommen, ist sie bestimmt traurig, weil sie denkt, wir haben keine Zeit mehr für sie oder wollen sie nicht sehen.

Die Maßnahmen schränken unseren Alltag ein. Schaue ich mir die Situation in Italien an, bin ich froh darüber, dass etwas getan wird. Das Gesundheitssystem dort ist eingestürzt, die Leichenhallen in der Lombardei sind überfüllt. ÄrztInnen und PflegerInnen, die dringend gebraucht werden, sind in Quarantäne. Vielleicht wird es in Österreich genauso schlimm, vielleicht auch nicht.

Es ärgert mich, dass trotz allem noch immer Scherze über das Virus gemacht werden. Vor allem von jungen Leuten, die natürlich entspannt sind, weil es sie im Falle einer Infektion nicht schwer treffen würde. Wäre es umgekehrt, würden die älteren Menschen sich nicht darüber lustig machen. Sie wären vorsichtig und würden alles machen, um ihre Enkelkinder zu schützen. Warum geht das also nicht auch umgekehrt?

Wir sind eine Generation, die es nicht gewohnt ist, auf etwas verzichten zu müssen. Jetzt gerade sind wir aber in einer Lage, in der wir das zu lernen haben. Panik muss man vor dem Virus nicht haben, aber Respekt. Wir sollten weder den Weltuntergang prophezeien noch Fakten ignorieren. Die Todesfälle und Infektionen werden sehr wahrscheinlich auch in Österreich in nächster Zeit noch ansteigen. Das Thema wird uns noch eine Weile beschäftigen. Jetzt geht es wirklich ums Zusammenhelfen und darum, zu verstehen, dass unsere Handlungen Folgen haben können.

Wir erleben jetzt am eigenen Leib, welche Nebeneffekte die Globalisierung haben kann. Vielleicht sollten wir aber auch darüber nachdenken, dass die Einschränkungen, mit denen wir jetzt für die nächsten Wochen leben müssen, anderswo schon lange zum Alltag gehören. In Kriegsgebieten denkt keiner an irgendwelche Großveranstaltungen oder daran, in den Urlaub zu fliegen. Viele Menschen dort wären froh, wenn es für ihre Kinder die Möglichkeit und die Ressourcen für E-Learning gäbe, weil ihre Schulen vielleicht zerbombt wurden. Das Risiko von Krankheit oder Tod können sie sich nicht von den Händen waschen.

Natürlich ist die aktuelle Lage eine Lage, die Nervosität und Unruhe rechtfertigt. Sie sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Dennoch gilt es jetzt, eine adäquate Denkweise aufzubauen. Machen wir das Beste daraus. Beschweren wir uns nicht. Schätzen wir, was möglich ist. Und bedanken wir uns bei jenen, die es möglich machen.

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