Gespräche: Interviews und Podcast

Gespräche

Reden hilft!

Interviews, Gespräche und Podcasts zum Thema Psychische Gesundheit.

Podcast

4 exklusive Podcasts zum Thema „Wie geht es dir?" von LOGO Jugendmanagement. Jeden Montag im Oktober eine neue Folge.

Interviews

Hast du dich schon mal gefragt, wie eine Therapiestunde eigentlich aussieht und wie eine Therapie auch dir helfen kann?

Wir haben zwei Menschen über ihre Erfahrungen auf beiden Seiten befragt:

  • Der Wiener Psychotherapeut Dieter Wagner erzählt im ersten Interview, was man in einer Therapiestunde macht.
  • Im zweiten Interview berichtet Melissa über ihre Erfahrungen in einer Tagesklinik. Melissa geht in ihrer Situation bewusst an die Öffentlichkeit, um andere junge Menschen zu ermuntern, sich bei psychischen Problemen Hilfe zu holen.

Video | Webinarreihe Z-Talks 

  • Jung sein in den 2020ern – Das Leben der Gen-Z
    Was sind die Probleme, Herausforderungen, Wünsche und Träume junger Menschen? Tony (16) und Yousef (17) erzählten aus erster Hand. Für Fachfragen stand Johannes Schindlegger von akzente Salzburg zur Verfügung. Die Aufzeichnung dieses Webinars kannst du dir hier anschauen!

 


Na Logo! Podcast

Gleich hier hören oder auf der Podcast-Plattform deiner Wahl.

Episode 1

Episode 2

Episode 3

Episode 4

Weitere NA LOGO! Podcasts zum Thema Mental Health:

 


Interview 1:
Dieter Wagner | Psychotherapeut in Wien

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Was war Ihre Motivation, Psychotherapeut zu werden? Was haben Sie davor gemacht?

Ich war zuerst als Buchhalter und Steuerberater tätig, habe aber bald gemerkt, dass das eigentlich nicht zu mir passt. Deshalb habe ich danach unterschiedliche Dinge ausprobiert, z.B. war ich eine Weile an einer Forschung zu Nachhaltigkeit in China beteiligt und zwei Jahre lang habe ich Möbel gebaut.

Mit Kindern und Jugendlichen konnte ich immer schon gut umgehen und als meine eigenen Kinder zur Welt gekommen sind, habe ich gewusst: Ich möchte auch beruflich für Kinder und Jugendliche da sein, ihnen eine Stimme geben, sie begleiten und unterstützen. Mittlerweile bin ich seit 8 Jahren Psychotherapeut in eigener Praxis.

Wie viele Jugendliche (12-18 Jahre) sind aktuell bei Ihnen in Behandlung?

Pro Woche sind es ca. 25 einzelne Jugendliche und vier Gruppen-Therapien mit jeweils 6 bis 8 Jugendlichen.

Wie kommen die Jugendlichen zu Ihnen (z.B. Zuweisung)?

Die Jugendlichen kommen entweder über Mundpropaganda (Weiterempfehlung von anderen, die schon in Therapie sind) oder über das Netzwerk von Spitälern, Ärztinnen/Ärzten, Psychiaterinnen/Psychiatern oder über die MA 11 (Kinder- und Jugendhilfe) in Wien.

Wie läuft die erste Begegnung oder das Erstgespräch ab?

Am Anfang geht es vor allem darum, sich kennen zu lernen. Oft ist beim Erstgespräch auch eine erziehungsberechtigte Person dabei. Ich frage, wo der Leidensdruck liegt und erzähle, wer ich bin und wie die Therapie aufgebaut ist. Wir finden heraus, ob wir uns vorstellen können, zusammen zu arbeiten. Es geht auch darum, ob es eine Einzeltherapie wird oder ob der/die Jugendliche in die Gruppentherapie kommen möchte. Gruppen sind oft hilfreich, um zu merken: Ich bin nicht allein mit meinen Problemen. Den anderen geht es genauso.

Wie lange dauert eine Therapiesitzung und wie läuft sie ab?

Eine Einzelsitzung dauert 50 Minuten und eine Gruppensitzung 90 Minuten.

Sie sind grob gesagt in drei Phasen aufgeteilt:

In der Aufwärmphase frage ich nach, was gerade aktuell da ist, welche Themen, Probleme, Fragestellungen oder Veränderungswünsche auftauchen. Manchmal braucht es nur einen Zuhörer, einen Erwachsenen, der die Unverständlichkeiten der Umwelt aufzulösen hilft, die Jugendlichen versteht und gleichzeitig fordert.

In der Aktionsphase geht es darum, Handlungsmöglichkeiten oder Sichtweisen zu erarbeiten, die innere Anspannungen vermindern können. Wir arbeiten mit kreativen Methoden wie Zeichnungen, Phantasiereisen, Szenischem Arbeiten, innere Anteile aufstellen, oder im Sitzen im Gespräch, je nachdem, was den Jugendlichen Spaß macht.

In der dritten Phase geht es darum, das soeben Erarbeitete zu verstehen und zu integrieren. Also: Was war Neues dabei? Was kann ich ausprobieren, wie kann ich das ausprobieren, was brauche ich dazu um das umsetzen zu können? Auf diese Fragen suchen wir in dieser Phase Antworten.

Zuletzt teile ich als Therapeut auch eigene Erlebnisse, die zu dieser Thematik passen. Es ist wichtig, auch als Therapeut sichtbar zu werden, denn in der Begegnung kann ich nur sein, wenn ich im Austausch und greifbar bin.

Was kann man in einer Therapie noch tun, außer zu reden?

Es geht oft um „ins Tun“ kommen, also Situationen in geschütztem Rahmen nachzustellen, Handlungsmöglichkeiten zu erproben und immer wieder in sich reinzuhören: Wie geht es mir damit? Wie fühle ich mich in dieser Situation? Was löst Stress aus? Wie kann ich die Situation beeinflussen? Was könnte unterstützend sein? Das kann in Rollenspielen passieren oder indem man mit Figuren oder anderen Objekten die Situation aufstellt.

Wie regelmäßig geht man normalerweise in eine Therapie?

Die Gruppen-Therapien finden einmal wöchentlich statt. Einzeln geht man normalerweise auch einmal wöchentlich in die Therapie, manchmal auch alle 14 Tage. Wenn der Prozess mehr oder weniger abgeschlossen ist, kann es sein, dass man noch eine Weile einmal im Monat hingeht.

Wie lange dauert eine Therapie?

Das ist ganz individuell. Die meisten kommen allerdings erst, wenn der Leidensdruck groß ist, manchmal sogar schon körperliche Symptome auftreten. Viele Therapien dauern 1-2 Jahre, manche auch länger.

Warum kann man nicht einfach mit Freundinnen/Freunden oder Eltern über seine Probleme reden?

Kann man schon und soll man gerne auch tun. Manchmal können Eltern und Freunde aber nicht mit den Problemen umgehen. Sie haben auch eine andere Rolle, die eine Hilfestellung komplizierter macht. Manchmal sind sie z.B. selbst verwickelt in das Problem oder enttäuscht, wenn ihre Hilfe nicht ankommt. Das ist in der Therapie nicht so. Da hat man einen geschützten Rahmen und der Therapeut/die Therapeutin steht immer hinter einem, egal, was passiert. Gleichzeitig ist die Hilfestellung eines Therapeuten nicht „grenzenlos“ – es gibt einen klaren Rahmen, in dem das Erfahren und Verändern vom Umgang mit Emotionen Platz hat.

Gibt es Alternativen zu Therapie?

Eher nein.

Natürlich kann man selbst viel für sich tun, z.B. sich regelmäßig bewegen, ein gutes soziales Netz pflegen, Selbstfürsorge, mit Leuten über seine Probleme reden und nichts in sich hineinfressen. Das sind sehr wichtige Dinge. Aber es gibt Momente, da braucht es eine Therapie, um sich weiterzuentwickeln und zu lernen, mit seinen Emotionen umzugehen.

Welche Probleme haben die Jugendlichen, die zu Ihnen kommen? Haben sich die Themen seit Corona verändert oder sind neue dazugekommen? Wenn ja, welche?

Bei mir sind viele Jugendliche mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) und Autismus.

Ansonsten sind Angststörungen ein großes Thema, vor allem seit Corona. Viele Jugendliche haben vermehrt Angst vor Gruppen – weniger wegen einer Ansteckung, sondern weil sie nicht mehr gewohnt sind, sich in Gruppen zu bewegen. Das Verhalten in einer Gruppe muss man eigentlich täglich trainieren und wenn das für lange Zeit wegfällt, fällt es plötzlich schwer. Viele haben deshalb Angst, in die Schule zu gehen. Auch sind bereits behandelte Angststörungen teilweise wieder zurückgekommen. Und wer eh schon ängstlich war, hat durch Corona noch mehr Ängste entwickelt.

Auch Depressionen haben zugenommen, weil viele Jugendliche zu oft alleine waren und die Gedanken sich dann natürlich im Kreis drehen.

Was raten Sie Jugendlichen, die sich nicht trauen, einen Therapeuten oder eine Therapeutin aufzusuchen?

Wichtig zu wissen: Therapeutinnen oder Therapeuten sind immer wohlwollend und keine Lehrerinnen oder Lehrer, die sagen, wie man es besser machen soll. Leider finden es manche Leute immer noch „peinlich“, eine Therapie zu machen. Es ist in diesem Fall völlig okay, Ausreden für den Therapie-Termin zu erfinden, man muss ja nicht zwingend weitererzählen, dass man eine Therapie macht. Gleichzeitig ist es wünschenswert, wenn es normalisiert wird.

Für Jugendliche, die sich nicht trauen, einen Therapeuten oder Therapeutin zu kontaktieren, gibt es zum Glück die Möglichkeit, sich immerhin mal telefonisch beraten zu lassen, zum Beispiel bei Rat auf Draht

 


Interview 2:
Melissa | Gewinnerin des Wiener Jugendredewettbewerbs 2021

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Melissa (19 Jahre) besucht aktuell eine Tagesklinik. Sie geht in ihrer Situation bewusst an die Öffentlichkeit, um andere junge Menschen zu ermuntern, sich bei psychischen Problemen Hilfe zu holen.

Wann hast du das erste Mal gemerkt, dass du professionelle Hilfe brauchst?

Das erste Mal habe ich schon mit 7 Jahren gemerkt, dass ich Hilfe brauche, da war ich auch schon bei einem Therapeuten. Ich hatte große Verlustängste damals. Mit 12, 13 Jahren, also in der Pubertät, ist mir dann wieder aufgefallen, dass ich mir viel mehr und andere Gedanken mache, als meine Kolleginnen und Kollegen. Mit 16, 17 Jahren hab ich mich dann meiner Mutter anvertraut und gesagt: Es geht nicht mehr, ich brauche professionelle Hilfe.

Wie bist du/seid ihr dann vorgegangen?

Es war eh alles recht anstrengend. Wir haben über meine Ärztin Namen und Adressen von Therapeutinnen und Therapeuten bekommen und ich habe im Internet recherchiert. Auch im Freundeskreis haben wir gefragt, ob jemand wen empfehlen kann. Dann war ich zweimal bei einem Therapeuten und hab wieder abgebrochen, weil es mir doch zu komisch vorkam. Dafür hab ich in dieser Zeit mehr angefangen, darüber zu reden. Vor allem mit meiner Familie und meinem engsten Umfeld. Die haben mich dann eigentlich bestärkt, wirklich eine Therapie zu machen.

Wie haben deine Familie und dein Freundeskreis reagiert?

Meine Mutter hat es am Anfang nicht verstanden oder wollte es wahrscheinlich nicht wahrhaben. Doch sie hat mich zum Glück immer unterstützt und gesagt: Wenn du professionelle Hilfe brauchst, dann sollst du die bekommen.

Viele Freundinnen und Freunde waren voll cool damit, hatten vielleicht selbst schon mal psychische Probleme. Manche waren am Anfang geschockt und im ersten Moment ablehnend, doch dann haben sie sich selbst darüber informiert und mich verstanden. Manche haben gemeint, ich sei doch viel zu jung für die Gedanken, die ich mir mache. Die, die mich nicht verstanden haben, habe ich aussortiert. Ich will keine Freundinnen und Freunde haben, die nicht nachvollziehen können, dass es einem psychisch nicht gut geht. Ich habe auch viele Leute in meinem Freundeskreis, die selbst psychische Probleme haben. Das ist auch cool, weil wir uns untereinander austauschen können, welche Skills wir anwenden, damit es uns besser geht.

Was hat dich – seit du dich in professionelle Hände begeben hast – am meisten überrascht, gewundert, vielleicht auch gefreut?

Was mich zuerst überrascht und geschockt hat, dann aber auch gefreut, war die Information, dass ich nicht die Einzige bin, die das Problem hat. Im Gegenteil. Es gibt ein Wort dafür, eine Diagnose. Mittlerweile kenne ich viele Menschen in allen Altersgruppen, denen es gleich geht oder ging wie mir. Gruppentherapien sind da auch sehr hilfreich. Es ist entlastend zu wissen, dass man nicht allein damit ist.

Was ich vorher auch nicht wusste, ist, dass es Tageskliniken gibt. Da geht man einfach tagsüber hin und am Abend wieder nach Hause, wie zur Arbeit. Die bieten dort extrem viel an und sehr individuell für jeden Einzelnen, was er/sie braucht. Ich bin z.B. momentan in Gefühls- und Stresstoleranzgruppen, es gibt Ergo- und Physiotherapie, der Körper und psychosomatische Beschwerden werden auch mitbehandelt. Es ist schon sehr anstrengend, sich so intensiv mit sich selbst und seinen Traumata auseinanderzusetzen, aber es bringt einem auch sehr viel.

Was möchtest du anderen jungen Menschen mit auf den Weg geben, denen es psychisch nicht gut geht?

Dass es ganz normal ist. Ganz egal, was man hat, es gibt ja eine große Vielfalt an psychischen Erkrankungen. Man soll sich nicht von anderen kleinreden lassen, im Sinne „das ist doch nicht schlimm“. Jede und jeder empfindet das anders und man sollte sich ernst nehmen. Auch heißt es nicht, dass wenn jemand Depressionen hat, dass er/sie nicht auch lachen kann. Das geht beides zusammen.

Man soll sich einen Freundeskreis aufbauen, in dem man verstanden wird, dem man vertrauen kann und wo es auch okay ist, wenn man sagt: Jetzt nehm ich professionelle Hilfe in Anspruch. Und zwar egal, wie alt bzw. jung man ist.

Außerdem find ich es wichtig zu sagen, dass man viele unterschiedliche Therapeutinnen und Therapeuten kennen lernen kann. Wenn man sich mit einem nicht so gut versteht, soll man unbedingt zu jemand anderem gehen. Bis man sich halt wirklich gut aufgehoben fühlt.

 


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Jugendportal.at wurde zuletzt am 26.04.2024 bearbeitet.

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